Wildschweine besitzen eine hochentwickelte soziale Organisation und sind äußerst anpassungsfähig. Sie wären in Bayern nahezu im gesamten Land lebensfähig. Eine Neubesiedlung, die durch die hohe Vermehrungsrate und den dadurch entstehenden Populationsdruck ausgelöst wird, erfolgt bei günstigen Bedingungen sehr schnell. Milde, schneearme Winter, häufige Mastjahre bei Eiche und Buche, wenn auch mit regionalen Unterschieden, der Anstieg der Maisanbaufläche, möglicherweise die Einführung einer Schonzeit für Bachen und Keiler ab dem Jagdjahr 1977/78 und die über Ablenk-, "Notzeit"-fütterung und Kirrung praktizierte Ganzjahresfütterung sind Faktoren, die in ihrem Zusammenwirken in den vergangenen Jahrzehnten zu einem explosionsartigen Anstieg des Wildschweinbestands geführt haben. Über jagdliche Aktivitäten konnte die Dichte bisher nicht reduziert werden.

Wo fühlt sich das Wildschwein wohl?

Bevorzugter Lebensraum in Mitteleuropa ist der Laub- bzw. Laubmischwald mit reichlich Eiche oder Buche. Nicht "schweinefähig" sind nur Sonderstandorte wie z.B. Wüsten, Hochgebirge oder Gebiete mit ganzjähriger Schneedecke.

Das Lebensraumspektrum reicht vom tropischen Regenwald über die Meeresküsten bis in innerstädtische Grünanlagen hinein.

In Bayern kommen Wildschweine zwischenzeitlich fast flächendeckend vor. Im letzten Jahrzehnt haben sie sogar im Inneren Bayerischen Wald Fuß gefasst und sind derzeit auf dem Vormarsch in die Bayerischen Alpen.

Der Speisezettel

Das Wildschwein zählt wie alle "Echten Schweine" aufgrund seines Gebisses und seiner Verdauungsorgane zu den Allesfressern. Am attraktivsten sind mit Abstand vor aller anderen pflanzlichen Kost die Eicheln unserer heimischen Eichenarten. Daneben frisst es auch Bucheckern und sehr gerne Mais von der Milch- bis zur Vollreife.

An sonstiger vegetabiler Nahrung sind Ackerbohnen, Erbsen, Kartoffeln, unbegranntes Getreide, Klee, Gräser und Kräuter zu erwähnen. Ebenso werden die Rhizome und jungen Blätter des Adlerfarns und Knospen und Triebe von Holzpflanzen aufgenommen, um den Bedarf an Vitamin A zu decken.

Die tierische Nahrung der Wildschweine umfasst fast alles, was an Insekten, Regenwürmern, Reptilien, Kleinnagern, Jungwild, Bodenbrütergelegen und Aas zur Verfügung steht. Vor allem ihr hervorragender Geruchssinn ermöglicht es, Bodentiere zu erbeuten. Dabei pflügen sie oft große Flächen Boden um. Durch das weite Nahrungsspektrum besitzt das Wildschwein ein hohes Lebensraumpotential. Auf Mastjahre der Waldbäume reagieren Wildschweine mit höherem Wildbretgewicht und erhöhter Vermehrungsrate.

Die paar Dinge zum Glück

Wildschweine haben kein eindeutig abgegrenztes Territorium. Bestimmte Requisiten wie z.B. Suhlen, Malbäume, ungestörte Tageseinstände sind wichtig und notwendig für ihren Lebensraum. Seine Größe ist abhängig vom Vorkommen dieser Requisiten, aber auch von der Bestandsdichte und der Jahreszeit. Ist die Lebensraumqualität gut, z.B. bei Waldstrukturen mit mosaikartiger Mischung von Altbeständen, Dickungskomplexen und angrenzenden landwirtschaftlichen Kulturen, und sind darüber hinaus Suhlen und geeignete Malbäume vorhanden, sind Wildschweine ziemlich standortstreu. Ist dies nicht der Fall oder kommen menschliche Aktivitäten hinzu wie z.B. Jagd, unternehmen die Wildschweine ausgedehnte Wanderungen, um neue Teillebensräume zu erschließen.

Alle wichtigen Plätze (Tageseinstände, Schlafplätze, Nahrungsplätze usw.) sind durch ein System fester Wechsel miteinander verbunden. Diese Wechsel werden oftmals traditionsgemäß viele Jahrzehnte beibehalten. So werden Wechsel sogar weiterhin genutzt, auch wenn sich die Landschaftsstruktur - z.B. jetzt deckungsloses Gelände, wo vorher Wald war - verändert hat.

Familienplanung

Die Fortpflanzungszeit, Rauschzeit genannt, beginnt im Oktober und endet im Februar, mit einem Schwerpunkt von November bis Januar. Daneben kann es das ganze Jahr über zu einer Rausche kommen, z.B. durch eine Nachrausche bei Verlust der Frischlinge oder bei optimalen Ernährungsbedingungen. Bei schlechter Sozialstruktur kann es aber auch zu einer zeitlich unkoordinierten Rausche kommen.

Die Leitbache versetzt durch Sexuallockstoffe in Drüsensekreten und Urin ihre Rottengenossinnen in Paarungsstimmung (Synchronisation der Rauschzeit). Diese Duftstoffe locken die ansonsten als Einzelgänger lebenden Keiler an. Dadurch werden die Frischlinge einer Rotte im Abstand weniger Tage geboren und haben deshalb bessere Überlebenschancen.

Ein beträchtlicher Teil der Frischlingsbachen (30 – 50 %) sind, abhängig von den Umweltbedingungen (z.B. gute Nahrungssituation), schon im Alter von sieben bis zehn Monaten fortpflanzungsfähig. Die Geschlechtsreife bei männlichen Stücken dürfte zur gleichen Zeit eintreten. Allerdings kommen diese Frischlingskeiler und auch die Überläuferkeiler meist noch nicht zum Zug.

Die Sozialstruktur spielt für den Eintritt der Geschlechtsreife und damit auch für den Zuwachs eine wesentliche Rolle. Ein hoher Anteil an älteren Bachen und Keilern drosselt den Zuwachs. Fehlen dagegen diese älteren Stücke und damit ihr steuernder Einfluss, pflanzt sich auch ein hoher Anteil an Überläufern und Frischlingen bereits fort. Eine maßgebliche Rolle spielt hier die Leitbache. Fehlt diese, kommt es zur zeitlich und zahlenmäßig unkontrollierten Vermehrung.

Der stärkste Keiler, der sich gegen alle anderen Konkurrenten durchsetzen konnte, beschlägt alle Bachen einer Rotte. Hat er das erreicht, sucht er seine Chancen noch bei anderen Rotten.

Die Tragzeit dauert etwa vier Monate. Die meisten Geburten finden zwischen März und Mai statt. Nasskalte Witterung in den ersten Wochen bzw. Monaten nach der Geburt kann zu hohen Ausfällen führen.

Alte Bachen haben mehr Nachwuchs als junge. Sie haben zehn Zitzen, wobei nur acht Milch führen. Deshalb ist die Höchstzahl der Frischlinge in der Regel auf acht begrenzt.

Vor der Geburt sondert sich die trächtige Bache von der Rotte ab und baut einen sogenannten "Wurfkessel". Sie baut dafür einen bis zu einen Meter hohen Haufen aus Pflanzenmaterial. Die Geburt findet in diesem Haufen statt, wo die Bache dann einige Tage bleibt, bevor sie zur Rotte zurückkehrt.

In den ersten Wochen sind die Frischlinge im Hinblick auf Ernährung und Wärmeregulierung auf die Bache angewiesen. Bis zum Alter von drei - vier Monaten werden sie gesäugt. Dann können sie sich selbstständig ernähren, haben aber noch keineswegs die Selbstständigkeit erreicht. Das Aufziehen (Führen) eines Wurfes mit enger Mutterbindung ist erst mit der Geburt des Folgewurfes beendet.

Das Wildschwein besitzt eine erstaunlich hohe Fruchtbarkeit. Dies ist auch notwendig, da es hohe (natürliche) Ausfälle bei den Frischlingen gibt und das durchschnittliche Lebensalter in freier Wildbahn weniger als zwei Jahre beträgt.

Soziale Wesen

Wildschweine haben ein erstaunliches Gedächtnis, ein hohes Lernvermögen und ein ausgeprägtes Zeitempfinden. Vor allem Geruch, aber auch Gehör sind die beim Wildschwein die am besten ausgebildeten Sinne.

Hinzu kommt, dass bei Wildschweinen starke soziale Bindungen vorherrschen. Sie leben gesellig in Rotten, wodurch erfolgreiche Überlebensstrategien effektiv weitergeben werden können.

Diese intelligente und äußerst lernfähige Wildart reagiert sehr stark auf die Umwelt und kann sich in hohem Maße an die aktuellen Lebensbedingungen anpassen. Fehler bei der Bejagung schlagen unmittelbar auf das Verhalten des Schwarzwildes durch und wirken sich folglich meist sehr negativ und erschwerend für die künftige Jagd aus.

So ist das von Natur aus als Tagtier agierende Wildschwein durch hohen Jagddruck nachtaktiv geworden.

Rottenstruktur

Die beim Schwarzwild vorkommenden Rotten sind Familienverbände, die aus der jeweiligen Leitbache, deren Nachwuchs und allen folgenden Abkömmlingen bestehen. Die Rottengröße wird überwiegend durch die Altersstruktur in der Rotte bzw. innerhalb der Population bestimmt. Bachen werden mit dem Alter immer unverträglicher.

Die männlichen Wildschweine müssen mit spätestens 1½ Jahren (Überläuferkeiler) die Rotte verlassen und leben von da an meist nur kurz in Überläuferverbänden, um dann den Rest ihres Lebens als Einzelgänger zu bestehen. Sie kehren nur noch zur Paarungszeit zur Rotte zurück.

In der Rotte herrscht eine strikte Rangordnung. Lediglich die neugeborenen Frischlinge haben zunächst noch Narrenfreiheit. Erst nach etwa vier Monaten, nach dem Einstellen des Säugens, gliedern sich die Frischlinge in die Rangordnung ein. Der Rang hängt hauptsächlich vom Alter, aber auch von der Körpergröße und Gewicht ab.

In der Rotte herrscht ein "Matriarchat". Frischlingskeiler haben somit den niedrigsten Rang. Die Ranghöchste ist die Leitbache. Sie fungiert als Anführerin in der Rotte. Sie gibt ihre Erfahrungen an die Jüngeren weiter. Sie bestimmt Tagesablauf, Ortswechsel und Zeitpunkt der Fortpflanzung (Rauschzeit).

Das gegenseitige Erkennen zwischen Bache und Frischlingen oder innerhalb einer Rotte basiert auf dem Individualgeruch bzw. dem einheitlichen Geruch in der Rotte. Auch bei den Lautäußerungen gibt es individuelle Merkmale, die das Erkennen innerhalb der Rotte ermöglichen.

In der Rotte gibt es Teamwork, aber auch Arbeitsteilung. Die Frischlinge werden von allen Bachen gemeinsam geführt, bewacht und verteidigt. Die Frischlinge verschiedener Bachen können auch von nur einer einzigen Bache beaufsichtigt werden. So ist es möglich, dass sich eine Bache von der Rotte entfernt, ihre Frischlinge aber im Familienverband zurücklässt. Bei alledem bleibt die Mutter-Kind-Beziehung bis zur Geburt des Folgewurfs aufrecht erhalten. Erst dann geht die Bache mit ihren neu geborenen Frischlingen zu den dann schon als Überläufer bezeichneten Jungschweinen auf Distanz.