Der Kleine Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) verursacht beim Menschen die alveoläre Echinokokkose, der verwandte Hundebandwurm die zystische Echinokokkose. Die Echinokokkus-Erkrankung des Menschen gilt als die gefährlichste parasitäre Zoonose in Mitteleuropa und als die am häufigsten zum Tode führende Helminthenerkrankung des Menschen überhaupt.

Beim Kleinen Fuchsbandwurm sind die tödlichen Krankheitsfälle trotz moderner Behandlungsmethoden immer noch sehr hoch. Die Angaben darüber schwanken aber sehr stark. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) nennt eine Sterberate von 50 bis über 90 % (Internetquelle). Die hohen Sterberaten von 90 % beziehen sich jedoch auf unbehandelte Fälle. Schweizer Aufzeichnungen sprechen von einer Sterberate von unter 20 %. In Bayern starben im Zeitraum 1985-1989 (Nothdurft 1995) 6,9 % der erkrankten Echinokokkus-Patienten. Beim Hundebandwurm liegt die Mortalitätsrate bei 2-4 %.

Weltweit werden heute vier Echinokokkus-Arten unterschieden, der Kleine Fuchsbandwurm und der Hundebandwurm in der nördlichen Hemispähre sowie zwei weitere Arten (E. vogeli, E. oligarthrus) in Süd- und Mittelamerika.

Lebensweise

Der fünfgliederige, bis 4,5 mm lange Kleine Fuchsbandwurm parasitiert vorwiegend im Dünndarm des Fuchses, selten auch bei Hund oder Katze (Endwirte). Im Fuchs lebt der Bandwurm fünf bis sechs Monate. Dabei können bis zu 200.000 Bandwürmer vorhanden sein, ohne dass der Fuchs krank erscheint. Beim Fuchsbandwurm spielt sich der Wirtswechsel vor allem zwischen Fuchs und Nagetieren ab. Dabei sind Feld- und Wühlmäuse als Zwischenwirte die wichtigste Gruppe. Im Zwischenwirt setzt sich die Finne des Bandwurms fest und es bilden sich Zysten aus, meist in der Leber.

Auch Bisamratten und der Mensch sind Zwischenwirte. Haustiere und Schalenwild spielen keine Rolle im Lebenszyklus dieser Zestodenart (Boch/Schneidawind 1998). Beim europäischen Fuchs sind noch weitere elf Bandwurmarten bekannt.

Zu 98 % entwickelt sich der Kleine Fuchsbandwurm im Menschen primär in der Leber. Dort kann es zu einem tumorartigen, organdurchsetzenden Wachstum kommen. Da die Leber die Schäden zunächst gut kompensieren kann, ist bei Diagnosestellung meist ein Großteil des Organs bereits vom Parasiten durchwachsen. Der Mensch infiziert sich, so wird vermutet, über die Aufnahme von mit Eiern verunreinigten Waldbeeren oder den direkten Kontakt mit Fuchskadavern.

Nach bisherigen Befunden infizieren sich die meisten in Deutschland erkrankten Personen im Inland, im Gegensatz zum Hundebandwurm, bei dem viele Infektionen in den Mittelmeerraum zurückverfolgt werden können. Die Eier des Fuchsbandwurms können in der Losung bis zu 190 Tage überleben und überdauern auch Temperaturen bis zu -20° C für längere Zeit.

Der Kleine Fuchsbandwurm ist in der nördlichen Hemisphäre verbreitet. Schwerpunkte seiner Verbreitung sind Mitteleuropa (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich), die Türkei, Osteuropa, Sibirien, Kasachstan, China, Japan sowie die USA (Alaska) und Kanada. In Deutschland wurden infizierte Füchse in allen Bundesländern nachgewiesen. Als hoch endemisch gilt Süddeutschland. Das besonders betroffene Gebiet in Süddeutschland erstreckt sich von der Schwäbischen Alb in den Main-Tauber- und Neckar-Odenwald-Kreis sowie im südlichen Bereich in die Landkreise Reutlingen, Esslingen, Göppingen, Alb-Donau und Heidenheim.

Infektionsraten bei Füchsen

Seit 1982 wurden in Deutschland eine Reihe von Untersuchungen zur Infektionsrate bei Füchsen durchgeführt. In den süddeutschen Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wurden Infektionsraten von 30-50 %, in Berlin und Brandenburg von unter 10 % und in den östlichen Bundesländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein von unter 1 % festgestellt. Untersuchungen der "Stadtfüchse" von Stuttgart ergaben eine Infektionsrate von 19 %. In Grünwald bei München mit dem sehr hohen Besatz von zehn Füchsen je Quadratkilometer wurden dagegen sehr geringe Werte gefunden. Für die Regierungsbezirke in Bayern ergaben sich die in Tab. 1 aufgelisteten Werte.

SchwabenOberbayernNiederbayernOberpfalzOberfrankenMittelfrankenUnterfranken
41 %30 %18 %19 %20 %7 %24 %
Tab. 1: Fuchsbefallsraten im Durchschnitt von 1988 bis 2000 (nach Dr. H. Kopp, Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Südbayern).

Bekämpfung des Kleinen Fuchsbandwurms

Seit Herbst 2001 wurde in den zwei endemischen Gebieten der Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg) der Kleine Fuchsbandwurm bekämpft, indem vom Flugzeug Fressköder ausgebracht wurden. Die Beköderung sollte die Füchse entwurmen und somit den Infektionsdruck auf die Zwischenwirte (Mäuse) senken. Um die Durchseuchungsraten nachhaltig zu verringern, müssen die "Entwurmungskuren" alle sechs bis 12 Wochen über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren hinweg wiederholt werden. Eine vollständige Tilgung des Parasiten ist aber dadurch nicht möglich. Die Bekämpfungsmaßnahme wurde bisher auf einem Gebiet von ca. 5.400 Quadratkilometern durchgeführt. Insgesamt wurden über 750.000 Köder ausgelegt. Die Kosten für die Aktion beliefen sich auf ca. 690.000 EUR (128.- EUR / km2). Zur Kontrolle der Maßnahme wurden fast 2.000 erlegte Füchse untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Infektionsrate der Füchse von ehemals über 70 % (Vorstudie im Hochendemiegebiet) bereits auf 34 % abgesenkt werden konnte. Die Bekämpfungsaktion in Baden-Württemberg wurde daher auch im Jahr 2003 mit fünf Köderaktionen fortgesetzt.

Auftreten der Echinokokkose beim Menschen

 Kleiner FuchsbandwurmHundebandwurm
Bayern24
Baden-Württemberg66
Hessen14
Nordrhein-Westfalen18
Berlin11
Hamburg1-
Saarland-3
Niedersachsen-1
Rheinland-Pfalz-1
Schleswig-Holstein-1
Gesamt1229
Tab. 2: Echinokokkus-Neuerkrankungen 2002 in Deutschland (Quelle: Epidemiologisches Bulletin Nr. 49, 2002, Robert Koch Institut).

Im Jahr 2002 wurden in Deutschland insgesamt 51 Echinokokkus-Erkrankungen diagnostiziert, davon waren 12 der vom Kleinen Fuchsbandwurm hervorgerufenen alveolären Echinokokkose und 29 der vom Hundebandwurm ausgelösten zystischen Echinokokkose zuzurechnen. Für die restlichen zehn Fälle lagen noch keine genauen Angaben vor.

 SchwabenOberbayernNiederbayernOberpfalzOberfrankenMittelfrankenUnterfranken
%-Anteil54 %40 %2 %0 %0 %2 %2 %
Fälle272010011
Tab. 3: Erkrankungen mit dem Kleinen Fuchsbandwurm in den bayerischen Regierungsbezirken (mit Ursprung in Deutschland, 1985 - 1989).

Für Europa wurden im Zeitraum von 1982 bis 2000 insgesamt 559 Fälle der alveolären Echinokokkose festgestellt. Über 96 % der Krankheitsfälle entfielen dabei auf Frankreich, Deutschland, die Schweiz und Österreich. Die höchsten Fallzahlen verzeichnete nach Frankreich (42 %) Deutschland mit 23,6 %.

Risikogruppen

Bei der vorliegenden europaweiten Auswertung war die Berufsgruppe der Landwirte mit 21,9 % besonders betroffen. Zusammen mit den im Wald und Garten arbeitenden Personen sowie den Jägern sind es fast 40 %. Es fällt auf, dass über 70 % der erkrankten Personen auch Hunde und Katzen hielten. Lediglich 15 % gehörten keiner dieser Risikogruppen an.

Auch Nothdurft (1995) erfasste die Echinokokkus-Erkrankungen für Bayern für die Jahre 1985-89 und wertete sie aus. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 216 Fälle (Kleiner Fuchsbandwurm, Hundebandwurm) diagnostiziert, davon 58 mit dem Kleinen Fuchsbandwurm. Von den 58 Erkrankungen konnten 50 auf eine Infektion in Deutschland zurückgeführt werden. Davor war wiederum besonders stark die Gruppe der Landwirte betroffen (20 Personen, 40 %); in Schwaben waren es sogar 52 %. Für Bayern rechnen Experten mit derzeit ca. zehn Neuerkrankungen jährlich (Kleiner Fuchsbandwurm).

Medizinische Maßnahmen bei Erkrankungen

Nach einer meist langen Inkubationszeit (Monate bis zu 15 Jahre), die weitgehend symptomlos verläuft, verursachen die sich vergrößernden Zysten erste Beschwerden. Lungenbefall führt zu Atembeschwerden und Husten. Als medizinische Maßnahmen kommt die operative Entfernung der Zysten und/oder die Chemotherapie mit Medikamenten in Frage. Die Diagnose und Feststellung der Echinokokkose erfolgt mit Hilfe bildgebender Verfahren wie Röntgen, Computertomographie und Sonographie. Anhand von Blutuntersuchungen können Antikörper gegen Bandwurmfinnen schon nach vier bis sechs Wochen festgestellt werden.