In einem Wald in Unterfranken wunderte sich Reiner Seufert, Mitglied der Vorstandschaft der Waldkörperschaft Gehaid über "Mordslöcher" im Eichenholz. Bei der großen Dimension der Löcher stand ein Verdacht über den Verursacher schnell im Raum: Doch konnte eine solche Sensation wirklich stimmen? Der frühere Revierleiter der Bayerischen Forstverwaltung suchte weiter und fand im Holz eine frisch abgestorbene, verpuppte Larve. Eine DNA-Analyse, veranlasst durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) brachte nun Klarheit: Es handelt sich um den heimischen Heldbock (Cerambyx cerdo), den größten Käfer in unseren Wäldern. Der Fund gilt als absolute Besonderheit, da die Art vom Aussterben bedroht ist.
Deshalb ist der Heldbock nach Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. In Deutschland sind Exemplare zwar in fast allen Bundesländern nachgewiesen, meistens jedoch mit wenigen und sehr kleinflächigen Vorkommen. In Bayern war die Art seit rund 70 Jahren nur noch im Luisenhain in Bamberg anzutreffen. Mehrere Ansiedlungsversuche in verschiedenen Gebieten Bayerns missglückten. Als sogenannte "Schirmart" steht der Heldbock stellvertretend für die Lebensgemeinschaft wärmebegünstigter, alter und stark dimensionierter Eichenwälder mit langer Habitattradition. Umso erfreulicher ist der jetzige Zufallsfund an einem südexponierten Waldrand eines ehemaligen Eichen-Mittelwaldes der Waldkörperschaft Gehaid in Unterspiesheim/Gemeinde Kolitzheim.
"Der geglückte Nachweis zeigt einmal mehr, welchen hohen Wert gerade unsere heimischen Eichenwälder für die Biodiversität besitzen." erklärt Dr. Peter Pröbstle, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. "Ein Erhalt dieser Lebensräume im Rahmen einer integrativen Waldbewirtschaftung ist besonders wichtig, um die Habitatkontinuität für naturschutzfachlich wertvolle Arten wie den Heldbock auch künftig sicherzustellen" ergänzt Stephan Thierfelder, der Bereichsleiter Forsten am AELF Schweinfurt.
Daher erarbeitet das AELF Schweinfurt gemeinsam mit der Waldkörperschaft Gehaid konkrete Erhaltungsmaßnahmen, um der Art auch weiterhin einen geeigneten Lebensraum bieten zu können. "Mit unserem Beratungs- und Förderangebot unterstützen wir die Waldbesitzer selbstverständlich auch in den Belangen des Waldnaturschutzes," so Bereichsleiter Thierfelder.
Mit 24 bis 53 mm Kopf-Rumpf-Länge und rund 110 mm Fühlerlänge bei den Männchen ist der Heldbock der größte heimische Käfer. Weitere Bezeichnungen für diesen Käfer sind "Großer Spießbock" oder "Großer Eichenbock". Er ist braunschwarz mit helleren rotbraunen Flügeldeckenspitzen. Seine häufigere Geschwisterart ist der Kleine Eichenbock (Cerambyx scopolii), welcher jedoch ganz schwarz und mit 17 bis 28 mm deutlich kleiner ist. Die Larven des Heldbocks entwickeln sich über 3 bis 5 Jahre im Holz alter, starker und lebender Eichen, selten auch in anderen Laubbäumen. Die nach der Verpuppung geschlüpften Käfer sind von Mai bis August in warmen Abend- bzw. Nachtstunden aktiv. Die Eiablage erfolgt vorrangig über Generationen an demselben Baum, bis dieser schließlich abstirbt. Nur im Bast und Splint von lebenden Bäumen finden die Larven die für ihre Entwicklung benötigte nährstoffhaltige Flüssigkeit.
Der Heldbock zählt zu den europaweit geschützten Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richt-linie (FFH-RL) und ist in den Anhängen II und IV gelistet. Alle 6 Jahre wird ein Bericht über den Zustand unter anderem auch des Heldbocks verfasst und an die Europäische Kommission übermittelt. Die LWF wird nun künftig auch das neue Vorkommen des Heldbocks in Bayern beobachten und die Entwicklung der Population dokumentieren.