Knapp die Hälfte unserer heimischen Schwebfliegenarten steht auf der Roten Liste. Von den Schwebfliegen, die während ihrer Entwicklung auf faulendes Holz angewiesen sind, sind sogar zwei von drei Arten in ihrem Bestand gefährdet! Totholzmanagement, insbesondere der Schutz von Bäumen mit wassergefüllten Bruthöhlen, morschen Kernholzbereichen oder Schleimflussfeldern unter der Rinde führt jedoch zu einer Erholung der Schwebfliegenfauna.

Wälder sind die an Schwebfliegen reichsten Lebensräume. Von den ca. 450 deutschen Arten haben fast die Hälfte ihren Hauptlebensraum im Wald, nur 72 Arten kommen nicht in Wäldern vor. 77 Arten sind durch die Lebensweise ihrer Larven direkt an Altholz- und Totholzstrukturen gebunden (Abb. 3). Die adulten Schwebfliegen fressen Pollen, Nektar oder gelegentlich Honigtau.

Überlebenswichtig: vermodertes, feuchtes Kernholz und Schleimflussstellen

Der wichtigste besiedlungsbestimmende Faktor für Schwebfliegen in Wäldern ist das Vorkommen von Altholzstrukturen wie Baumhöhlen, Baumstümpfe, Bäume mit Schleimfluss, faulende Wurzeln oder Bäume mit faulendem Kernholz. Von weitaus geringerer Bedeutung ist stehendes oder liegendes älteres Totholz. Dieses ist meist zu trocken, so dass Schwebfliegenlarven es nicht verwerten können. Gleichwohl aber bildet Totholz für andere Tiergruppen wie z. B. Käfer ein hervorragendes Entwicklungshabitat.

Für das Habitat holzbewohnender Fliegenlarven spielt weniger die Baumart eine Rolle, als vielmehr die Beschaffenheit des Substrates und dessen Mikroklima. Die wichtigsten Mikrohabitate stellen moderndes Kernholz und Schleimflüsse unter der Rinde dar. Das Vorkommen dieser für sehr viele gefährdete Arten lebensnotwendigen Strukturen bestimmen zwei Faktoren: die forstwirtschaftliche Nutzung und das Alter des Waldes. Altholzstrukturen entstehen am Baum erst nach mindestens 100 bis 150 Jahren. Meist werden Bäume jedoch schon vor Erreichen dieses Alters eingeschlagen. Gerade aber alte Bäume bieten eine Vielzahl an geeigneten Larvalhabitaten in ausreichender Menge und Qualität. Wird ein solcher Baum gefällt, ist er als Strukturlieferant für die spezialisierte Schwebfliegenfauna, selbst wenn er als liegendes Totholz im Wald verbleibt, schon nach einigen Jahren nahezu wertlos.

Ernährungsweisen

Einige Larven, z. B. von Myolepta dubia, Callicera aenea oder Pocota personata, leben als Filtrierer in wasser- oder holzmulmgefüllten Baumhöhlen. Dort nehmen sie das Wasser auf und filtern die darin enthaltenen mikroskopischen Pilze und Bakterien - ihre ausschließliche Nahrung - aus. Die Larven der Brachyopa- und einiger Sphegina-Arten ernähren sich von Bakterien und Pilzen im Schleim- oder Saftfluss verschiedener Baumarten. An den immer seltener werdenden überalterten Stieleichen findet sich Volucella inflata, ein Bewohner von Schleimflüssen und moderndem Kernholz. Sphiximorpha subsessilis ist eine sehr seltene Art, die auf große Schleimflussfelder an Pappel, Erle, Weide und Rosskastanie angewiesen ist. Brachymyia berberina und B. floccosa nutzen faulende Baumwurzeln oder faulendes Kernholz. Aber auch Baumstümpfe (Xylota-Arten) und liegende Baumstämme (Temnostoma-Arten) dienen als Larvalhabitat. Die eigentümlich geformte, an Nacktschnecken erinnernde Larve von Microdon analis lebt in den Nestern der Ameise Lasius platythorax, die man vornehmlich in liegendem Totholz findet. Dort ernährt sich Microdon analis von den Eiern, Larven und Puppen dieser Ameisenart. Interessant ist bei den sehr seltenen Psilota anthracina und Ferdinandea ruficornis, dass sie oft in Schleimflüssen oder Holzgängen leben, die der ebenfalls sehr seltene Heldbock (Cerambyx cerdo) an Eichen hervorrief. In bewirtschafteten Wäldern bedürfen daher Altbäume und Totholz besonderen Schutzes. Baumveteranen und Bäume mit sichtbaren Schädigungen im Bestand sollten nach Möglichkeit erhalten werden, und zwar auch dann, wenn eine wirtschaftliche Verwertung noch möglich wäre. Weiterhin sollte stehendes und liegendes Totholz unbedingt bewahrt werden.

Veränderungen der Forstwirtschaft machen Mut

In neuerer Zeit wurden Experimente durchgeführt, um in jüngeren Wäldern künstlich Strukturelemente für die Altholzfauna wie Baumhöhlen, Saftflüsse etc. zu schaffen. Dies beinhaltet das Aussägen von Baumhöhlen in Stämmen, die Schaffung von Baumwunden, kleinen Höhlen und Borkenrissen durch Dynamit, Ringeln der Bäume zur Schaffung von Saft- und Schleimflüssen und das Umreißen von Bäumen zur Freilegung der Wurzeln. Es ist noch zu früh, um die Effektivität solcher Maßnahmen beurteilen zu können. Diese künstlichen Maßnahmen sind jedoch deswegen vielversprechend, da in alten Wäldern mit ungebrochener Alt- und Totholzsituation schon junge Bäume durch ständig abbrechende Stämme oder Äste soweit geschädigt werden, dass ein gerader Aufwuchs für jüngere Bäume nicht möglich ist und frühzeitig Pilzinfektionen mit anschließender Höhlenbildung einsetzen. Letztendlich stellen diese künstlichen Lösungen jedoch keine Alternativen, sondern sinnvolle Ergänzungen zusätzlich zur Erhaltung unserer letzten an Alt- und Totholzreichen Wälder und deren Fauna und Flora dar.

Mut machen die Ergebnisse von Reemer (2005), der anhand der niederländischen Schwebfliegenfauna nachwies, dass die Änderung der Forstwirtschaft hin zu einer naturnahen Bewirtschaftung, das Belassen von Überhältern und starken Altbäumen sowie die Erhöhung der Umtriebszeit in Holland in den letzten 50 Jahren zu einer signifikanten Erholung der alt- und totholz gebundenen Schwebfliegenfauna geführt hat.