Ursprünglich stammt der Feldhase (Lepus europaeus) aus den Grassteppen Eurasiens, in denen er mit Dichten von zwei Individuen/100 ha vergleichsweise selten anzutreffen ist. Erst durch die Rodungstätigkeiten des Menschen und der Öffnung der Landschaft entstand ein idealer neuer Lebensraum für den eigentlichen Steppenbewohner. Als Kulturfolger breitete sich der Feldhase in Europa erfolgreich aus, mancherorts mit Dichten von bis zu 160 oder mehr Hasen/100 ha. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Besätze jedoch rückläufig.
Rückgangsursachen
Eine umfassenden Literaturrecherche, welche 77 Veröffentlichungen aus zwölf europäischen Ländern vergleicht, lässt den Schluss zu, dass die Hauptursache für den Rückgang des Feldhasen in der Intensivierung der Landwirtschaft zu sehen ist. Der Bezug zwischen den Rückgangsursachen und den Folgen der Intensivierung wurde jedoch bis heute nur teilweise aufgedeckt.
Allgemein wird die Dichte einer Feldhasenpopulation von mehreren Faktoren wie etwa Klima, Standort, Krankheiten, Feinden und menschlichen Einflüssen (Landwirtschaft, Straßenverkehr und Jagd) sowie deren Wechselwirkungen bestimmt. Ein länger anhaltender starker Rückgang müsste allerdings durch eine verringerte Fruchtbarkeit und/oder erhöhte Sterblichkeit hervorgerufen werden.
Verringerte Fruchtbarkeit
Untersuchungen von Gebärmutternarben als Indikator der Fruchtbarkeit von Häsinnen stellten keinen Unterschied in der Geburtenrate zwischen Gebieten mit hohen und niedrigen Dichten fest. In Gebieten mit geringeren Dichten ist jedoch der Anteil der im Herbst erlegten Junghasen niedriger (Abbildung 2).
Der Grund für die unterschiedlichen Dichten scheint daher also eher eine erhöhte Sterblichkeit der Junghasen als eine verringerte Fruchtbarkeit der Häsinnen zu sein.
Verringerte Überlebensrate
Die Überlebensrate der Jungtiere steuert entscheidend die Populationsdichte der Feldhasen. Analysen von Mageninhalten zeigen, dass Hasen bei der Nahrungsaufnahme stark auf Pflanzen mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Rohprotein selektieren. Diese energiereiche Nahrung spielt bei der Versorgung und Entwicklung der Junghasen eine entscheidende Rolle. Häsinnen, denen Nahrung mit einem hohen Fettgehalt zur Verfügung steht, können nicht nur mehr Milch pro Jungtier produzieren, sondern auch energiereichere Milch.
Basierend auf der Reproduktions-Strategie, bei welcher die Junghasen ungeschützt vor Umweltbedingungen nahezu das ganze Jahr über frei abgesetzt werden, ist eine hohe Energiezufuhr durch die Milch für das Durchkommen entscheidend.
Moderne intensiv bewirtschaftete Agrarlandschaften weisen jedoch vielerorts eine reduzierte Pflanzenvielfalt auf, welche eine nahrungsbedingte Veränderung der Laktationsleistung und eine daraus resultierende verringerte Überlebensrate der Junghasen begünstigen.
Intensivierung der Landwirtschaft
Eine Veränderung der Lebensraumbedingungen durch die Intensivierung der Landwirtschaft scheint der sog. "Superfaktor" für den Rückgang des Feldhasen zu sein. Aber was sind die genauen Ursachen, die entscheidend dazu beigetragen haben?
Ein Meilenstein bezüglich der Veränderungen der Kulturlandschaft ist die Erfindung des Kunstdüngers durch das Haber-Bosch-Verfahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die zuvor notwendige Dreifelderwirtschaft, bei welcher ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen brach lag, verschwand und mit ihr viele extensive Strukturen.
Die in den 1960er Jahren folgende Flurbereinigung verringerte abermals den verbleibenden Anteil. Gerade nicht bewirtschaftete Flächen wie Hecken, Ackerrandstreifen und besonders Brachen stellen für den Feldhasen bevorzugte Lebensräume dar. Diese bieten Deckung, energiereiche Äsung und wertvollen Rückzugsraum, wodurch zum Beispiel Verluste durch landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmaßnahmen verringert werden können.
Darüber hinaus wird der Effekt von Witterungsbedingungen und Beutegreifern durch den Verlust von Deckung und Äsung verstärkt. Wie wichtig diese Strukturen sind, unterstreicht eine niederösterreichische Untersuchung, bei welcher die Feldhasendichte positiv mit dem Brachflächenanteil zusammenhängt (Abbildung 4a). Auch die Überlebensrate von Junghasen wird positiv von dem Brachflächenanteil beeinflusst (Abbildung 4b).
Weitere Begleiterscheinungen der Intensivierung sind die Vergrößerung von Bewirtschaftungseinheiten, eine schnellere Bearbeitung und monotone Fruchtfolgen. So kann angenommen werden, dass Ernteprozesse in einer modernen Agrarlandschaft zu einer Lebensraumveränderung innerhalb einer kurzen Zeit führen und dadurch die Raumnutzung von Feldhasen merklich beeinflussen. Verbleibende geeignete Lebensräume sind häufig weit voneinander entfernt, was zu einem erhöhten Energieaufwand führen kann. Untersuchungen zeigen, dass die Getreideernte zu einer signifikanten Vergrößerung der wöchentlichen Streifgebiete führt. Die verbliebenen und damit bevorzugt genutzten Habitate dienen darüber hinaus möglicherweise als Anziehungspunkt für eine Vielzahl von Feldhasen mit dem potenziellen Risiko von sozialem Stress und einem erhöhten Prädationsrisiko.
Bedeuten Erntevorgänge Stress?
Um zu überprüfen, ob und gegebenenfalls welchen Einfluss Erntevorgänge auf die Gesundheit von Feldhasen haben, wurden in einer weiteren Studie die Glukokortikoid-Metaboliten im Kot (fGCM) gemessen. Diese Metaboliten ermöglichen eine Bewertung des Stressniveaus der Feldhasen. Ausgewertet wurde dabei auch unter anderem, ob das Vorhandensein von durch die Ernte unbeeinflussten Habitaten, wie zum Beispiel Brachen, einen möglichen negativen Effekt abschwächen.
Mit einem zunehmenden Anteil an Stoppelfeldern im Streifgebiet wurden höhere fGCM-Konzentrationen bei den Hasen gefunden (Abbildung 6). Eine allgemeine Erhöhung der fGCM-Konzentrationen durch die Wintergetreideernte im Untersuchungsgebiet blieb jedoch aus. Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass Erntevorgänge in einer klein strukturierten Landschaft wie dem Untersuchungsgebiet mit vielen extensiven Strukturen wie Brachen und Hecken keinen Stress bei Feldhasen erzeugen.
Jedoch kann durch diese Studie nicht ausgeschlossen werden, dass bei größeren Bewirtschaftungseinheiten und einem geringeren Anteil an extensiven Strukturen die Ernte zu einer Erhöhung des Stressniveaus führen kann. Hierfür wären weitergehende Studien notwendig.
Zusammenfassung
Die durch den Menschen über Jahrhunderte in Europa geschaffenen vielfältigen und strukturreichen Kulturlandschaften boten dem Feldhasen über lange Zeit sehr günstige Lebensbedingungen. Die Populationsdichten lagen sogar deutlich über denen seines ürsprünglichen Verbreitungsgebietes, den Grassteppen Eurasiens. Durch den intensiven Wandel der Kulturlandschaften während der letzten Jahrzehnte haben sich allerdings auch die Lebensraumbedingungen für den Feldhasen grundlegend verändert und sind nach den bisherigen Erkenntnissen als der Hauptfaktor für den Rückgang der Populationen anzusehen. Neben dem Verlust zentraler Habitatstrukturen tragen insbesondere auch Veränderungen in der Bewirtschaftungsweise und -intensität ganz entscheidend zu dem Rückgang bei. Inwieweit die verschiedenen, bisher ergriffenen Agrarumweltmaßnahmen der letzten Jahre zu einer Erholung der Feldhasenbestände beitragen können, sollte entsprechend wissenschaftlich begleitet werden.
Fördermöglichkeiten in Bayern
In den letzten Jahren wurden in Bayern zur Förderung der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft verschiedene Maßnahmen ergriffen. Hier wäre zum Beispiel das Projekt zur Wildlebensraumberatung, bei welchem gemeinsam mit Landwirten und Jägern Lebensraumverbesserungen zur Erhöhung der Strukturvielfalt umgesetzt werden, zu erwähnen. Als wichtige Werkzeuge sind Agrarumweltmaßnahmen in Form des Bayerischen Kulturlandschaftsprogrammes (KULAP), das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) und das Greening zu nennen. Das Engagement von Landwirten, Jägern, Imkern und Naturschützern kann so gefördert werden und trägen dazu bei, dass sich die Bestände von wichtigen Tierarten der Feldflur lokal erholen. Für den Erfolg bezüglich des Feldhasen wird es aber entscheidend darauf ankommen, dass die besondere Lebensweise und die speziellen Lebensraumansprüche der Feldhasen dabei entsprechend berücksichtigt werden.