Die Naturnähe der bayerischen Wälder ist das Ergebnis einer über Generationen gelebten verantwortungsvollen Wirtschaftsweise der rund 700.000 privaten und 5.500 körperschaftlichen und kommunalen Waldbesitzer in Bayern. Diese bekennen sich ohne Wenn und Aber zu einer nachhaltigen Forstwirtschaft mit den gleichberechtigten Säulen von Ökonomie, Ökologie und Sozialem.
Als Grad für die Naturnähe wird vielfach der Totholzanteil angesehen. Die Ergebnisse der Zweiten Bundeswaldinventur (BWI 2) untermauern auch hierbei das große Verantwortungsbewusstsein der bayerischen Waldbesitzer für ihre Wälder. Mit 8,2 Festmetern pro Hektar bzw. gesamt rund 11,4 Millionen Festmeter weist der Privatwald dabei erhebliche Vorräte an Totholz auf und leistet somit freiwillig einen unverzichtbaren Beitrag für den Erhalt von zahlreichen Tieren, Pflanzen und Pilzen.
Immer wieder wird die Meinung vertreten, Totholz gäbe es im Privatwald nicht, Privatwälder seien "aufgeräumt". Die Ergebnisse der BWI 2 zeigen ein anderes Bild. Durchschnittlich 13 Festmeter Totholz pro Hektar (Fm/ha) wurden in den Wäldern Bayerns registriert. Auch wenn man den Anteil der Wurzelstöcke abzieht, liegt dieser immerhin noch bei 8,8 Fm/ha. In kommunalen Wäldern lag der Anteil bei durchschnittlich ca. 10 Fm/ha, in privaten Wäldern bei rund 8 Fm/ha. Für manch einen war dieser Wert unerwartet hoch.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass im Privatwald keine Totholzmengen aus Nationalparken oder Naturwaldreservaten zu Buche schlagen können, da diese Gebiete fast nur Staatswald betreffen. Auch darf nicht vergessen werden, dass die privaten und kommunalen Waldbesitzer gesetzlich verpflichtet sind, ihre Wälder sachgemäß bzw. vorbildlich zu bewirtschaften und vor Schäden zu bewahren. Hierzu gehört z. B. auch die Entnahme von Käferholz aus Gründen des Waldschutzes. Ebenso sind die regional-strukturellen Unterschiede zu berücksichtigen. Der Kommunalwald weist beispielsweise von allen Besitzarten die höchsten Vorräte an Eichentotholz auf.
Privatwald garantiert Vielfalt
Der Totholzanteil pro Hektar ist eine statistische Größe. Er spiegelt nur bedingt die Unterschiedlichkeit und Vielseitigkeit der bayerischen Wälder wider. Die kleinteilige Besitzstruktur ist ein Garant für die Vielfalt in unseren Wäldern. Die durchschnittliche Waldbesitzgröße im Privatwald liegt bei knapp 2 ha. Die große Zahl an Kleinwaldbesitzern bedingt auch eine große Bandbreite in der Bewirtschaftung. Sicherlich finden wir auch den "aufgeräumten" Wald. Für seinen Besitzer ist ein toter Baum ein Graus und ein Synonym für Ungepflegtheit. Aber gleichzeitig gibt es auch Eigentümer, die ihre Wälder sehr extensiv bis gar nicht bewirtschaften. Hier findet sich vielleicht nicht nur ein toter Baum, sondern eine ganze Totholzinsel. Wieder andere bewirtschaften ihren Wald sehr unregelmäßig im aussetzenden Betrieb. Totholz ist da für Jahrzehnte vorhanden. Gerade diese Bandbreite bei der Bewirtschaftung garantiert einen kontinuierlichen Totholzanteil im Privatwald. Im übrigen gibt es auch im Ur- bzw. Naturwald Phasen, in denen kein oder nur geringe Mengen an Totholz vorkommen.
Freiwillige Kooperationen fördern
Eine verbindliche Vorgabe für Mindestmengen an Totholz mit einer starren Differenzierung nach Baumarten und Durchmesserklassen, wie sie immer wieder gefordert wird, wäre aus berufsständischer Sicht kontraproduktiv und würde der Dynamik der Waldentwicklung nicht gerecht. Das Bayerische Waldgesetz war im Vergleich mit den Waldgesetzen der anderen Bundesländer über Jahrzehnte hinweg das liberalste Waldgesetz in Deutschland. Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur zeigen, dass ein liberales Waldgesetz große Vorteile mit sich bringt. Bayern nimmt bezüglich einer nachhaltigen, möglichst naturnahen Forstwirtschaft im Bundesvergleich eine Spitzenposition ein. Dies ist beim Totholz nicht anders.
Die meisten Waldbesitzer stehen dem Thema Totholz grundsätzlich offen gegenüber, wie auch die Bereitschaft zur Zertifizierung ihrer Waldflächen dokumentiert. In Bayern sind 74 % der Waldfläche nach den Kriterien von PEFC zertifiziert. Damit verpflichten sich Waldbesitzer freiwillig, Totholz und Höhlenbäume in angemessenem Umfang zu belassen. Auch hier werden keine genauen Mengenvorgaben gemacht, sondern bewusst Spielraum belassen. Aus einer freiwilligen Verpflichtung darf aber kein Zwang werden.
Wald nutzen und Wald schützen sind somit keine Gegensätze, sondern vielmehr untrennbar miteinander verbunden. Der Bayerische Waldbesitzerverband und der Bayerische Bauernverband fordern deshalb die politisch Verantwortlichen auf, konsequent auf das eigenverantwortliche Handeln der Waldbesitzer zu setzen. Bei der Umsetzung von Naturschutzzielen ist freiwilligen Kooperationen, z.B. im Rahmen von Vertragsnaturschutzprogrammen, Vorrang vor Ordnungsrecht und der damit verbundenen Bürokratie einzuräumen. Im Hinblick auf den Erhalt von Totholz hat Bayern mit dem Ausgleich für den Nutzungsverzicht von Bäumen mit dem Vertragsnaturschutzprogramm Wald einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Die finanzielle Förderung muss gerade bei speziellen Wünschen nach zusätzlichen Totholzmengen ausgeweitet werden. Hier gilt es, diejenigen in die Pflicht zu nehmen, die höhere Totholzanteile nachfragen und fordern. Die aktuellen Fördergelder für Totholz decken die tatsächlichen Kosten nicht annähernd ab.
Totholz bedeutet auch Gefahr
Allerdings kann die Förderung keinen Ausgleich für die hohen Belastungen der Waldbesitzer bei der Verkehrssicherung darstellen, zu der der Waldbesitzer gesetzlich verpflichtet ist. Es bedarf dringend klarer rechtlicher Lösungen zur Beschränkung des Haftungsrisikos. Der Freistaat Bayern darf gerade hier die Waldbesitzer nicht alleine lassen. Es ist unseren Waldbesitzern nicht zuzumuten, dass sie einerseits Totholz erhalten sollen, andererseits aber für Schäden durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume die finanziellen Folgen übernehmen müssen. Solange der Waldbesitzer die Verantwortung für die Verkehrssicherung tragen muss, kann der Erhalt von Totholz nur im Ermessen des Eigentümers liegen. Der hohe Aufwand, der beispielsweise zur Sicherung der Wanderwege im Nationalpark Bayerischer Wald betrieben wird, zeigt nur zu deutlich, welche Brisanz in den Haftungsfragen und der Verkehrssicherung steckt.
Neben dem nicht in Frage zu stellenden ökologischen Aspekt von Totholz muss aber auch beachtet werden, dass Totholz ein Risikofaktor im Wald ist. Totholz kann die Waldarbeit gefährlicher machen. Gerade bei der motormanuellen Holzernte kommt es aufgrund von Totholz immer wieder zu schweren und sogar tödlichen Unfällen. Die land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sehen dabei einen Zusammenhang zwischen erhöhten Totholzanteilen und hieraus bedingten Unfällen.
Gerade diese Brisanz hat in der Schweiz in den Kantonen Basel Land und Basel Stadt dazu geführt, eine sogenannte Totholz-Charta zu verfassen. Diese Charta mit dem Titel "Totholz gehört zum Wald, es bedeutet Leben. Es darf Leben nicht gefährden." soll allen Beteiligten als Richtschnur bei der zukünftigen Umsetzung der Forderung nach Totholz im Wald dienen. Totholz stellt einen natürlichen Bestandteil in der Wuchsdynamik unserer Wälder dar. Es bietet Lebensraum für viele, oft selten gewordene Pflanzen und Tierarten. Deshalb muss es immer im Ermessen des einzelnen Waldbesitzers liegen, ob und wie viel Totholz in seinem Wald vorhanden sein soll. Diese pragmatische Regelung war in der Vergangenheit erfolgreich und zeigt auch den erfolgversprechendsten Weg für die Zukunft auf. Dass die privaten und kommunalen Waldbesitzer in Bayern ihre Wälder nicht nur sachgemäß und vorbildlich, sondern auch verantwortungsvoll bewirtschaften, zeigen die Ergebnisse der BWI 2. Bauen wir auch in Zukunft auf das Verantwortungsbewusstsein unserer Waldbesitzerfamilien, Städte und Gemeinden.