Raufußhühner, allen voran das Auerhuhn (Tetrao urogallus), zählen zu den gut untersuchten Tierarten. Schutzmaßnahmen um diese Artengruppe werden jedoch immer wieder kontrovers diskutiert. Ein Grund hierfür mag sein, dass in den letzten Jahrzehnten zu Recht die Verantwortung für die zentraleuropäischen Laubwälder, allen voran die Buchen-Lebensraumtypen mit ihren charakteristischen Arten, in den naturschutzfachlichen Fokus gerückt wurde. Der Schutz der eigentlich boreo-montan verbreiteten "Nadelwald"-Vögel hat damit eventuell etwas an Attraktivität verloren, zumal sie nicht selten mit devastierenden, naturfernen Nutzungsformen in Verbindung gebracht werden. Fakt ist jedoch, dass in Bayern auf nicht geringer Fläche natürliche Raufußhuhn-Lebensräume vorhanden sind. Der Erhalt dieser "natürlichen" Lebensräume, aber auch wertvoller menschgemachter Habitate, bedürfen eines angepassten Managements, um die Vielfalt in unserer Landschaft zu erhalten.

Abb. 1 und 2: Männliches und weibliches Auerhuhn. Das Auerhuhn ist Schirmart für großflächige, lichte und strukturreiche Nadelmischwälder (Fotos: PantherMedia / PetrSimon (l) / PantherMedia / taviphoto (r)).

Verbreitung und Bestände in Bayern

Mit Ausnahme der kleinen, inzwischen durch Auswilderung gestützten, Birkhuhn- Population in der Rhön und sporadischen Einzelsichtungen in Mittel- und Unterfranken, beschränken sich die Raufußhuhnnachweise in Bayern inzwischen alle auf die ostbayerischen Mittelgebirge und den Alpenraum (siehe Tab. 1). Die noch in den 70er-Jahren dokumentierten Populationen im Flach- und Hügelland sind damit binnen 40 Jahren so gut wie erloschen. Neben dem Verlust großflächiger Weidelandschaften seit den 60er-Jahren dürfte im Wald vor allem die Abkehr von bodenzehrenden Nutzungsformen, die Förderung des standortheimischen Laubholzes und allem voran die hohen Stickstoffeinträge eine zentrale Rolle hierfür spielen. Unter den lichten Kronen der ehemals übernutzten, mattwüchsigen Kiefernforste Frankens und der Oberpfalz hat sich inzwischen auf großer Fläche eine hüfthohe, dichte Krautvegetation eingestellt.

In den Alpen und den Mittelgebirgen sind hingegen noch großflächigere Lebensräume vorhanden. Die natürliche "Verinselung" der Habitate aufgrund der Höhenzonierung und Geländetopographie verlangen auch dort einen sensiblen Umgang mit den Habitaten.

Lebensräume in den Alpen

Um den potenziell natürlichen Lebensraum der Raufußhühner im bayerischen Alpenraum (Wuchsgebiet 15) erstmals großflächig darzustellen, wurden die Waldtypen des Waldinformationssystems Nordalpen (WINALP) ausgewertet. Für das Auerhuhn wurden zum Beispiel die Standorte ausgewählt, die natürliche Hochlagen-Fichtenwälder, beerstrauchreiche Tannenwälder, Lärchen- und Zirbenwälder oder die nadelholzbetonteren obersten Lagen der Bergmischwälder potenziell beherbergen. Ebenso wurden besonders wertvolle azonale Lebensräume wie Moorwälder, Schneeheide-Kiefernwälder oder kaltluftführende, nadelbaumbestandene Blockwälder berücksichtigt. Diese Kulisse ergibt den potenziell natürlichen Lebensraum für das Auerhuhn im bayerischen Alpenraum und umfasst rund 81.000 ha (siehe Abb. 3 und Tab. 1). Im Vergleich zu rund 125.000 ha Birkhuhn-Lebensraum oder gar 355.000 ha Haselhuhn-Lebensraum ist damit der natürliche Lebensraum des Auerhuhns verhältnismäßig kleinflächig ausgeprägt.

Dies wird auch bereits deutlich, wenn man den potenziell natürlichen Flächen-Anteil an Waldgesellschaften mit Fichte als Hauptbaumart betrachtet: in Bayern wird dieser auf ca. 5 % der Waldfläche geschätzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Lebensräume der Vögel im Laufe der Jahrhunderte deutlich verändert wurden. Rund 40 % der potenziellen Auerhuhn-Lebensräume im Alpenraum sind zum Beispiel gar nicht mehr mit Wald bestockt. Diese Aspekte müssen bei der späteren Maßnahmenplanung berücksichtigt werden.

Lebensraumansprüche der Vögel

Das Auerhuhn gilt als Leitart boreo-montaner Wälder. Als Taigawaldbewohner ist es an eher lichte, großflächige und damit störungsarme Nadelmischwälder mit geringer Produktivität angepasst. Wegen der vielfältigen Anforderungen an sein Habitat, der Störungsempfindlichkeit und der großen Raumansprüche wird es auch als "Schirmart" für die Artengemeinschaft boreo-montaner Wälder verstanden. Zu dieser Artengemeinschaft zählen z. B. Dreizehenspecht, Ringdrossel, Zitronenzeisig, Sperlings- und Raufußkauz.

Ähnliches gilt für das Birkhuhn, das jedoch im Gegensatz zum Auerhuhn zusätzlich sehr offene Bereiche für die Balz benötigt. Boreale Waldlandschaften, in die großflächige Moore oder auch Seen, die zugefroren offene Balzarenen gewährleisten, eingebettet sind, beherbergen deshalb sowohl Auer- als auch Birkhühner. Das Haselhuhn hingegen meidet offene und damit deckungsfreie Bereiche und ist ein klassischer Waldinnenbewohner.

Alle Arten benötigen eine lockere, gut durchdringbare Krautschicht – vorzugsweise aus Beersträuchern wie Heidel-, Preisel- oder Rauschbeere. Zu dichte und dunkle Wälder werden gemieden. Hohe Anteile von Pioniergehölzen wie Birken, Weiden oder Erlen sind sowohl als Strukturgeber als auch als Knospennahrung von großer Bedeutung. Diese starke Strukturbindung macht die Vögel zu guten Zeigerarten. Bei der Schirmarten-Diskussion ist jedoch zu beachten, dass alle drei "Waldhühner" auch Ersatz-Lebensräume aus Menschenhand besiedeln können. Am Auerhuhn wird dies am ehesten deutlich: es bewohnt auch lichte Fichtenforste in Bergmischwaldlagen, denen es zum Beispiel an Strukturen der Alters- und Zerfallsphasen mangelt. Die Vögel sind also nicht unbedingt immer "Naturnähezeiger".

Für die Formulierung von naturschutzfachlichen Zielen in Wäldern ist deshalb eine Zusammenschau der Habitatansprüche der jeweils charakteristischen Leit-und Schlüsselarten notwendig. Der idealisierte Auerhuhn- oder Birkhuhn-gerechte Wald auf ganzer Fläche kann deshalb nie das Ziel waldnaturschutzfachlicher Bemühungen sein.

Zielkonflikte vermeiden und Prioritäten setzen

Erfolgreicher und naturschutzfachlich sinnvoller Raufußhuhnschutz bedarf einer klaren Zielformulierung und Prioritätensetzung. Nur so können naturschutzfachliche Belange in die Landnutzung integriert und möglichen Zielkonflikten vorgebeugt werden. Die Zusammenschau aus Standort (Klima, Boden, Exposition), potenziell natürlicher und tatsächlich vorhandener Vegetationsdecke und den darin vorhandenen Strukturen (z. B. Totholz- und Biotopbaumanteile, Lücken, Sukzessionsflächen, kurzrasige vielfältige Krautschicht) ist entscheidend für die Einschätzung der "naturschutzfachlichen Wertigkeit" einer Fläche.

Folgende Prioritätensetzung wird deshalb vorgeschlagen:

  1. Natürliche Lebensräume schützen und pflegen: Standortsangepasste, natürliche Lebensräume mit ihren charakteristischen Artgemeinschaften sollen erhalten werden.
  2. Ersatzlebensräume mit vitalen Raufußhuhn- Vorkommen in der Kulturlandschaft erhalten: In Bereichen, in denen eine bestimmte Bewirtschaftungsform zu wertvollen Raufußhuhn-Lebensräumen mit reproduzierenden Populationen geführt hat, soll die bestehende Bewirtschaftungsform fortgeführt werden.
  3. Ersatzlebensräume mit verwaisten Raufußhuhn-Vorkommen: Hier sind die Schutzbemühungen nur dann fortzuführen, wenn keine anderen naturschutzfachlichen Ziele dem entgegenstehen.

Erfahrungen aus den Natura-2000-Vogelschutzgebieten

Einen gangbaren Weg für erfolgreichen Waldnaturschutz zeigen die Erfahrungen aus der Natura-2000-Managementplanung in den bayerischen Vogelschutzgebieten. Auf rund 550.000 ha werden in 84 Vogelschutzgebieten (Special Protection Areas = SPA) seit 2006 Managementpläne erstellt. Die Schutzgüter, durchschnittlich 20 Vogelarten je SPA, sind in der Bayerischen Natura-2000-Verordnung für alle Gebiete festgelegt. Durch die Festlegung werden die regional charakteristischen Arten und ihre Lebensräume klar benannt und damit bereits eine erste naturschutzfachliche Priorisierung vorgenommen.

Für das Auerhuhn zum Beispiel nehmen in den Alpen die abgegrenzten Vorranggebiete durchschnittlich 12 % der Gebietskulissen ein. Sie lassen bezüglich des Standortpotenzials und der Waldstruktur auch längerfristig günstige Habitatstrukturen für das Auerhuhn erwarten. Diese Vorranggebiete sind noch in eine zusätzliche Maßnahmenkulisse eingebettet, die meist auch für andere Schutzgüter von Bedeutung ist.

Günstiger Erhaltungszustand: Ziel des Natura-2000-Gebietsmanagements ist der Erhalt oder die Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes der jeweiligen Schutzgüter. Es geht also vorrangig um den Erhalt der Populationen und ihrer Lebensräume im jeweiligen Gebiet. Um den Erhaltungszustand einer Art zu ermitteln, wird nicht nur der "Zustand der Population" bewertet, sondern auch die "Habitatqualität" und mögliche "Beeinträchtigungen". Die Bewertungsschwellen sind in Kartieranleitungen für die Arten vorgegeben. Dadurch wird die Herleitung des jeweiligen Erhaltungszustandes der Art im Gebiet für die beratenden Behörden und Grundstückseigentümer nachvollziehbar.

Raufußhuhngerechter Waldbau

Die Natura-2000-Inventuren in den Alpen-SPAs haben ergeben, dass es grundsätzlich nicht an lichten, älteren, nadelbaumdominierten Wald-Beständen mangelt. Problematisch ist allerdings der Zustand der Krautschicht. Die Deckungsgrade der Beersträucher sind in den nördlichen Kalkalpen natürlicherweise gering und betragen gerade 5 bis 6 %. Aufgrund der nach wie vor hohen atmosphärischen Stickstoffeinträge, eines sich ändernden Klimas und zukünftig höherer Anteile von Laubbäumen ist in den Gebirgslagen vielerorts zudem mit einer deutlichen Veränderung der Humusform und damit der Bodenvegetation zu Ungunsten der Beersträucher zu rechnen. Eine zu dichte Krautschicht und zunehmende Vergrasung ist vor allem für die Entwicklung der Jungvögel ungünstig.

Das zentrale Problem der Raufußhuhn-freundlichen Waldbewirtschaftung in Bayern ist demnach also nicht ein Mangel lichter Wälder, sondern der Erhalt lichter Wälder mit lockerer und damit v. a. für die Jungvögel gut durchdringbarer Krautschicht. Die Bewirtschaftung von großflächig altholzreichen Wäldern, die nur kleinflächig und in langen Zeiträumen verjüngt werden, stellt einen gangbaren Weg dar. Ebenso sind Waldstrukturen, die durch einen kleinflächigen Wechsel von dichten und lichten Phasen in Trupp- und Gruppengröße zustande kommen, Erfolg versprechend. Sie imitieren z. B. die natürlichen Rottenstrukturen in Hochlagen-Fichten-Wäldern, die meist einer Verjüngung auf Totholz (Rannenverjüngung) geschuldet sind. In den dichten Baumtrupps wird die Bodenvegetation ausgedunkelt, während an den Rändern dieser Rotten viel Licht den Boden erreicht und in den lichter überschirmten Teilen ein Übergangsbereich entsteht.

Bereits in jüngeren Bestandsteilen können Femel-, Loch- und Schlitzhiebe bzw. eine Gruppendurchforstung wertvolle Strukturen für die Hühner generieren. Die zur bodenschonenden Holzbringung angelegten Schneisen der Seiltrassen oder Rückegassen können ebenfalls mit Blick auf lichte Waldstrukturen förderlich sein. Kahl- oder Saumschläge hingegen schaffen nur kurzzeitig bewohnbare Lebensräume für die Tiere und sollten in größerem Umfang vermieden werden.

In Zeiten des Klimawandels ist mit Störereignissen, wie Windwürfen oder Borkenkäferkalamitäten, verstärkt zu rechnen. Erfahrungen aus dem Bayerischen Wald zeigten jedoch, dass selbst große Kahlflächen weiterhin von den Raufußhühnern besiedelt werden, wenn stärkeres, mit Verjüngung durchstandenes Totholz in der Fläche verbleibt.

Beweidung

Für das Birkhuhn, aber auch für das Auerhuhn können durch extensive Beweidung kurzrasige und lückige Waldstrukturen entstehen. Eine extensive Beweidungsform, die ein Aufkommen von lebensraumtypischen Neben- und Pionierbaumarten, vor allem der verbiss-empfindlichen Laubbäume, nicht gänzlich unterbindet, kann somit sehr förderlich für die Hühnervögel sein. Problematisch sind jedoch zu intensive Beweidungs- bzw. Schwendungskonzepte oder gar die Forderung nach hohen Wildbeständen. Dadurch ist die natürliche Verjüngungsdynamik und damit die charakteristische Artenvielfalt in den geschützten Lebensraumtypen gefährdet. Gerade Baumarten wie der Bergahorn, Laubholz-Pioniere oder die Tanne sind Träger der Artenvielfalt im Bergwald und spielen auch eine wichtige Rolle als Nahrungspflanzen für die Raufußhühner. Sie müssen dringend erhalten und gefördert werden.

Fazit

Die Lebensraumansprüche der Raufußhühner sind gut untersucht. Deshalb können mithilfe dieser attraktiven Arten-Gruppe struktur- und artenreiche Lebensräume in den bayerischen Mittelgebirgen und Alpen erhalten werden. Erfahrungen aus den Natura-2000-Vogelschutzgebieten zeigen einen Weg auf, um mögliche Zielkonflikte zwischen verschiedenen Schutzgütern rechtzeitig auszuräumen und Erhaltungsmaßnahmen in die Landnutzung zu integrieren.

Da gerade die Übergangsbereiche zwischen Wald und Offenland zentrale Lebensräume für die Raufußhühner darstellen, ist eine behördenabgestimmte Beratung der Grundstückseigentümer bzw. Bewirtschafter Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung.