Der 17. Oktober stand auch Ende letzten Jahres wieder unter dem Zeichen von Trittsteinbiotopen. Zum zweiten Mal schon machten die 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Projekts, das am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) angesiedelt ist, auf sich und ihr Anliegen aufmerksam. Kolleginnen, Kollegen und auch Erholungssuchende des Schönbrunner Schlossparks sollten die vielen Aspekte, Eindrücke und Vorhaben, die sich im Laufe des Jahres zum Thema Lebensraumvernetzung durch Trittsteinbiotope angesammelt haben, kennenlernen. Was kann man sich genau darunter vorstellen?
Besiedlung von neuen Lebensräumen
Die strukturelle Vernetzung von Lebensräumen ermöglicht es, Tieren, Pflanzen und Pilzen sich ungehindert innerhalb und zwischen Lebensräumen zu bewegen. „Durch die Zerschneidung der Lebensräume in kleinere Flächen, wie zum Beispiel durch den Bau von Autobahnen, Eisenbahnstrecken und Siedlungsräumen, wird diese Bewegung eingeschränkt bis verhindert. Die Fragmentierung ist eines der größten Probleme bei der Förderung von Biodiversität“, fasst die Projektleiterin Janine Oettel zusammen.
Hinzu kommt die Auswirkung des Klimawandels auf die Biodiversität. Es wird zu einer Verschiebung der Verbreitungsgebiete in höhere Lagen und nördlichere Breiten kommen, prognostizieren Klimaexpert:innen quer durch alle Disziplinen. Daher ist es für Individuen und Populationen eine entscheidende Frage, ob sie neue Lebensräume besiedeln können. Die Erhaltung und Vernetzung von Wald-Lebensräumen stellen dabei eine besonders wichtige Maßnahme dar. Trittsteinbiotope sind ein Baustein im Konzept der Lebensraumvernetzung. Die kleinen Flächen im Wald ermöglichen Populationen und Arten eine (zeitweise) Besiedlung oder auch Reproduktion. Viele Arten können die Trittsteinbiotope als Refugien oder zur Ausbreitung nutzen, darunter beispielsweise Säugetiere, Insekten, Moose und Flechten. Sie sind Ausgangspunkt oder Zwischenstation zur Vernetzung ansonsten isolierter Lebensräume und erleichtern die Ausbreitung von Arten mit einer begrenzten Reichweite.
Die Einrichtung und Außernutzungsstellung von Trittsteinbiotopen im Wald sind Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes. Darunter versteht man die freiwillige, vertraglich bindende Zusammenarbeit mit Bewirtschafter:innen aus Land- und Forstwirtschaft. Ziel ist es, Natur- und Kulturlandschaften sowie Ökosysteme zu erhalten und einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Die Motivationen dahinter sind häufig vom Naturschutz inspiriert. „Viele sind sehr an Natur interessiert und möchten diese schützen und erhalten. Das Projekt bietet ihnen die Möglichkeit, aktiv an Naturschutz teilzunehmen“, berichtet Janine Oettel. Dabei geht es weniger ums Geld, sondern sie sind vom Projekt begeistert und freuen sich über die Anerkennung für ihre besondere Waldfläche.
Gesunde Vielfalt
Bis Ende September 2023 hatten Waldbesitzende in ganz Österreich die Möglichkeit, Waldflächen in der Größe zwischen 0,5 bis 25 Hektar zu melden, um sie gegen Entgelt für 10 bzw. 20 Jahre außer Nutzung zu stellen und der Biodiversitätsforschung zugänglich zu machen. „Das Echo war enorm“, sagt Katharina Lapin, Leiterin des Instituts für Waldbiodiversität und Naturschutz. „Von den 843 Flächen, die eingereicht wurden, konnten wir bisher 446 begutachten und schließlich rund 200 Trittsteinbiotope einrichten“, resümiert sie.
Ein Team von Expert:innen bewertet dabei, ob sich eine gemeldete Fläche auf einem besonderen Standort befindet oder wertvolle Mikrohabitate aufweist. Seltene Arten sind ebenso wichtige Aspekte, um in das Programm aufgenommen zu werden. „Uns interessiert dabei vor allem, wie sich die Flächen und das Artenspektrum durch fehlende Bewirtschaftung entwickeln und ob die Flächen miteinander vernetzt sind, das heißt ihre Funktion als Trittsteinbiotop erfüllen“, sagt Janine Oettel. Es geht im Programm aber nicht nur um einzelne Arten, sondern um die Erhaltung des gesamten Ökosystems.
Denn auch für uns Menschen sind gesunde Lebensräume wie der Wald essenziell, da er sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirken kann. Eine vielfaltsfördernde Bewirtschaftung und eine Vernetzung von Lebensräumen sind daher auch für die Gesundheitswirkungen des Waldes auf den Menschen von wesentlicher Bedeutung. Was Janine Oettel an diesem Projekt am meisten fasziniert? „Die Vielfalt der österreichischen Wälder und dass es eigentlich in fast ganz Österreich, abseits der mir bis dahin bekannten Wege, vereinzelt sehr spannende und teils naturnahe Waldstücke gibt, die an eine Parallelwelt erinnern”, erzählt sie.
Abb. 2: Der Smaragdgrüne Regenwurm (Allolobophora smaragdina) zählt zu den besonderen Funden in den Trittsteinbiotopen. Foto: BFW
Im Wald unterwegs
Schwerpunkte von den Projekten ConnectPLUS und ConnectforBio liegen auf der Identifizierung und Bedeutung von Arten und besonderen Standorten. Auch die Suche nach Flächen mit Habitatbäumen und -baumgruppen sind von großer Wichtigkeit. Flächen mit einem hohen Anteil an Totholz, Flächen nach einem Borkenkäferbefall und Auwald-Flächen mit Eschen sind ebenso im Fokus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. „Zugang sehr steil und abschüssig. Auf der einen Seite die Felswand und auf der anderen Seite ging es ein paar hundert Meter runter. Dazu Dauerregen und matschiger, rutschiger Boden. Zu den hintersten Plots dauerte es im alpinen Gelände ca. eine Stunde. Diese konnten zum Teil nicht aufgenommen werden, da sie zu steil waren. Auch zum Bestimmen machte es uns die vielfältige Vegetation nicht einfach”, erzählt Projektmitarbeiterin Nele über eine Erhebung in Vorarlberg.
Digitale und analoge Vielfalt
Ein Bestimmungsfächer zur Erkennung von Gräsern soll es künftig Studierenden, Fachkräften und Waldbesitzenden erleichtern, Arten zu identifizieren und somit den Grad der Vielfalt in der Krautschicht zu messen (Projekt: ConnectBurgenland). Derzeit arbeitet das Team auch an dem Buch „Habitat Connectivity of Forest Ecosystem”, das bis Ende 2024 in deutscher und englischer Sprache erscheinen wird. Auch wurde eine Reihe an Wildtierkameras platziert, um die verschiedenen Vögel, Säugetiere und Amphibien u.a. zu beobachten. Dieses Datenmaterial befindet sich momentan in Auswertung.
Flächenmeldungen / Flächeneinrichtungen (Stand 11/2023)
Burgenland 124/0 Kärnten 62/21 Niederösterreich 252/88 Oberösterreich 77/32 Salzburg 16/1 Steiermark 260/63 Tirol 41/9 Vorarlberg 11/4