Im Muotatal unterhalb des Pragelpasses wächst ein besonderer Fichtenwald. Der etwa 450 Hektaren grosse Bödmerenwald gilt als grösster echter Fichtenurwald der Alpen beziehungsweise Westeuropas. Er war forstwirtschaftlich kaum genutzt worden, weil das Gebiet lange sehr schlecht erschlossen war, und ist auch heute noch wegen seines zerklüfteten Untergrundes nur schwer begehbar.
Anfang der siebziger Jahre erkannten Fachleute seinen Wert, es entstand ein erstes Waldreservat, das einige Jahre später auf 70 Hektaren erweitert wurde und seither durch die Stiftung "Urwaldreservat Bödmeren" betreut wird. Im Rahmen der Diskussion um eine - inzwischen abgelehnte - Vergrösserung des Schutzgebietes lancierte die Stiftung ein vor kurzem abgeschlossenes Projekt, welches einerseits die Frage klären sollte, ob es sich beim Bödmerenwald tatsächlich um einen echten Urwald handelt, und andererseits aufzeigen sollte, wo sich dessen ursprünglichste Bereiche befinden.
Eine Frage der Definition
Bei solchen Fragen stelle sich immer das Problem der Definition von "Urwald", sagt der Projektleiter Tobias Liechti vom ehemaligen Forstingenieurbüro Burger und Stocker in Lenzburg. Mit dem Urwaldbegriff grundsätzlich nicht vereinbar sei eine Holznutzung. Schwieriger sei es jedoch mit dem Einfluss von Hirten, Jägern oder auch Landwirten, die gelegentlich einzelne Bäume nutzten, erklärt Liechti. So liessen manche Fachleute solche Einwirkungen zu, solange sie nicht die Struktur und den Lebenslauf des Waldes veränderten.
Eine strengere Definition von "Urwald" hätte zur Folge, dass in Europa vermutlich kein einziger Wald als Urwald bezeichnet werden dürfte. Für die Beurteilung der Ursprünglichkeit eines Waldes ist es deshalb insgesamt zweckmässiger, anstelle einer strengen Definition, die sämtliche Nutzungen ausschliesst, verschiedene für Urwälder charakteristische Merkmale heranzuziehen.
Ein oft verwendetes Kriterium sei die Menge abgestorbenen Holzes, sagt Liechti. Doch die alleinige Berücksichtigung dieses sogenannten Totholzes könne auch zu falschen Schlüssen führen. Werde nämlich ein Wald forstwirtschaftlich nicht mehr genutzt, so könne die Totholzmenge rasch zunehmen. Besonders wertvolle Hinweise auf urwaldähnliche Verhältnisse liefern laut Liechti bestimmte Flechten, Käfer und Pilze, die wenig mobil und auf ein kontinuierliches Angebot an Totholz oder alten Bäumen angewiesen sind.
Im Bödmerenwald fanden die Forscher über 40 Flechtenarten, die zum Teil ausschliesslich oder überwiegend in alten, weitgehend ungestörten Wäldern vorkommen. Ein Beispiel dafür ist das sehr seltene Engelhaar (Usnea longissima). Ähnliches gilt auch für höhere Pilze. Über 300 Arten wurden im Bödmerenwald nachgewiesen, 9 davon zum ersten Mal in der Schweiz. 17 der gefundenen Pilzarten gelten als Zeigerarten für alte und natürliche Wälder.
Seit 7000 Jahren bewaldet
Im Rahmen des Projektes wurden auch der Waldaufbau, die Altersstruktur der Bäume sowie die Vegetationsgeschichte des Bödmerenwaldes untersucht. Seit der Besiedlung durch die Fichte vor etwa 7000 Jahren war das Gebiet stets bewaldet. Inventuren zeigen, dass der Vorrat an Holz im letzten Jahrhundert leicht anstieg. In einem Urwald sollte dieser über eine grössere Fläche eigentlich konstant bleiben. In den urwaldähnlichen Teilen ist der Holzzuwachs vermutlich auch gering, während sich der Zuwachs in den Randgebieten durch die Einstellung der Holznutzung erklären lässt. Auch könnten bessere klimatische Verhältnisse das Baumwachstum gefördert haben.
Ein Urwald zeichnet sich weiter durch alte Bäume, ein hohes Durchschnittsalter sowie unterschiedlich alte Bäume auf kleinem Raum aus. Dies sei bei mehreren Stichproben im Bödmerenwald der Fall, sagt Liechti. Doch auch hier müsse man vorsichtig sein, weil natürliche Störungen wie Stürme und Feuer oder spezifische Standortfaktoren auch in einem Urwald vorübergehend zu relativ homogenen Verhältnissen führen könnten.
Unter Karst versteht man Landformen, die vorwiegend durch Lösungs- und Kohlensäureverwitterung entstanden sind. Typischerweise bilden sich Karstlandschaften auf anstehendem Kalkstein bei humidem Klima.
Quelle: Wikipedia
Fasst man die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen auf einer Karte zusammen, so ergibt sich ein nahezu unberührter Kernbereich von 150 Hektaren. Das halb so grosse Urwaldreservat liegt innerhalb dieses Bereichs. Im östlichen Teil des Reservates gibt es jedoch einige Hinweise auf Nutzungen im 20. Jahrhundert, während sich nicht geschützte Teile des Waldes in einem ursprünglicheren Zustand befinden. Der Kernbereich ist umgeben von einem 200 Hektaren umfassenden Randbereich, der vereinzelt genutzt wurde, aber ebenfalls noch sehr ursprünglich ist.
(TR)