Methodisch erfolgte die Untersuchung durch Wiederholungsaufnahmen auf exakt wiederauffindbaren Dauerflächen. So wurden in den 1980er und frühen 1990er Jahren im Naturwaldreservat Wettersteinwald teils sehr umfangreiche Vegetationserhebungen (Waldbestand, Bodenvegetation) sowie Vogelkartierungen durchgeführt. Entsprechend existieren hier historische floristische und faunistische Dokumentationen, die den Bereich von der tief- bis in die hochsubalpine Stufe abdecken und für Wiederholungsaufnahmen herangezogen werden können. Das Reservat Wettersteinwald eignet sich hierfür besonders gut, da bei der Erstinventarisierung dieses Reservats ein festes und dauerhaftes Probeflächenraster (100 x 100 m) eingerichtet wurde. Dort wurden die Erfassungen der Waldstrukturen und Artengruppen eingehängt. Die Mittelpunkte dieser Gitterfelder wurden seinerzeit dauerhaft markiert, wodurch eine gute Wiederauffindbarkeit der ursprünglichen Aufnahmestandorte auch nach mehreren Jahrzehnten gewährleistet ist. Tatsächlich war es möglich, im Jahr 2021 einen Großteil der Inventurpunkte im Gelände erfolgreich wiederzufinden. So konnten an 21 Rasterpunkten erneute Erhebungen zur Waldstruktur, an 48 Rasterpunkten Wiederholungsaufnahmen zu den Vögeln sowie an 17 Rasterpunkten erneute Aufnahmen der Waldbodenvegetation durchgeführt werden. Im Folgenden werden die Veränderungen der Waldstrukturen über die Zeit dargestellt und diskutiert.

Das Naturwaldreservat Wettersteinwald

Das Naturwaldreservat Wettersteinwald befindet sich südöstlich von Garmisch-Partenkirchen im Wettersteingebirge und stellt mit einer Höhenerstreckung von 1.390 bis 1.850 m ü. NN das höchstgelegene Naturwaldreservat in Bayern dar. Es gliedert sich in zwei Bereiche, die durch die felsigen Abbrüche des Kämikopfs voneinander getrennt werden. Im unteren sehr schattigen sowie frischeren Bereich dominiert die Fichte die Waldbestände. Die führende Waldgesellschaft auf den dort vorkommenden, oberflächlich entkalkten Mischlehmen ist der tiefsubalpine basenreiche Silikat-Fichtenwald (Homogyno alpinae-Piceetum adenostyletosum alliariae). Dagegen sind im oberen Bereich die Waldbestände zu hohen Anteilen mit Zirbelkiefern und Latschen bestockt. Diese stellen ein reliktisches Vorkommen der Waldgesellschaft des Carbonat-Lärchen-Zirbenwaldes (Vaccinio-Pinetum cembrae) dar. Sie stehen in enger Verzahnung mit Latschenfeldern, Magerrasen und Weiden (Almflächen), Schuttfluren sowie Felspartien.

Dass das Untersuchungsgebiet von den Auswirkungen des Klimawandels bereits stark betroffen ist, wird augenscheinlich, wenn man die Temperaturentwicklung auf der nahegelegenen Zugspitze betrachtet. Dort wurde seit den 1980er Jahren ein deutlicher Anstieg der Jahresmitteltemperatur um fast zwei Grad gemessen (Abbildung 2). Auch die Prognosen für die kommenden 50 Jahre sagen für die Alpen eine doppelt so hohe Erwärmung wie für das angrenzende Tiefland voraus, weshalb mit massiven Auswirkungen auf die Ökosysteme und Lebensgemeinschaften der Bergwälder zu rechnen ist. Das Naturwaldreservat Wettersteinwald mit seinen historischen floristischen und faunistischen Dokumentationen stellt insofern ein gut geeignetes Untersuchungsobjekt dar, um die Folgen des Klimawandels für unsere Hochlagenwälder beobachten und analysieren zu können.

Aufnahme der Waldstrukturen

Die Waldstrukturaufnahmen im Wettersteinwald wurden erstmals im Jahr 1986 gemäß der Methodenstandards für Naturwaldreservate in Bayern durchgeführt. Dabei fand an 21 Gitterfeldpunkten eine Erfassung des lebenden Bestandes ab Derbholzgrenze und eine Inventarisierung des stehenden und liegenden Totholzes unter Berücksichtigung von Zersetzungstyp, Zersetzungsgrad und Baumart statt. Der Probekreisradius betrug jeweils 15 Meter, was einer Flächengröße von ca. 700 m² entspricht. Die Wiederholung der waldkundlichen Aufnahmen erfolgte im Jahr 2021, wobei die Methodik der Erstaufnahme möglichst exakt beibehalten wurde, um eine gute Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Die subalpinen Fichtenwälder werden dabei durch elf, die Carbonat-Lärchen-Zirbenwälder durch zehn Rasterpunkte repräsentiert. Zusätzlich wurde 2021 an jedem Aufnahmepunkt die Zusammensetzung der Waldverjüngung erfasst.

Veränderungen der Waldstrukturen

Bezüglich der Stammzahlen waren im subalpinen Fichtenwald kaum Änderungen im Vergleichszeitraum zu erkennen. Dies gilt sowohl für die Gesamtstammzahl (durchschnittlich 329 Stück/ha in den Altaufnahmen vs. 340 Stück/ha in den Wiederholungsaufnahmen) als auch für die Stammzahl der einzelnen Baumarten (Abbildung 3). Neue Einwüchse in den Derbholzbereich hielten sich mit den Abgängen aus dem Altbestand weitestgehend die Waage.

Etwas anders stellt sich die Situation im Lärchen-Zirbenwald dar. Hier stieg die Gesamt-Stammzahl von durchschnittlich 95 auf 149 Stück/ha deutlich an, wobei dieser Anstieg vor allem in der signifikanten Stammzahlzunahme der Fichte begründet liegt. Während in den Altaufnahmen im Mittel nur ca. 14 Fichten je Hektar vorkamen, sind es heute über 70 Individuen je Hektar. Ungefähr die Hälfte aller aktuell erfassten Fichten-Individuen weist dabei noch einen Brusthöhendurchmesser von weniger als 20 Zentimetern auf. Einwüchse in den Derbholzbestand spielten hier also eine deutlich größere Rolle als in den subalpinen Fichtenwäldern.

Betrachtet man die Bestandesgrundflächen, kann für beide Waldtypen ein Anstieg verzeichnet werden (Abbildung 3). So stieg die Grundfläche im subalpinen Fichtenwald im Vergleichszeitraum von durchschnittlich 35,2 m²/ha auf heute 45,9 m²/ha an, wobei diese Zunahme hauptsächlich auf einen Grundflächenanstieg bei der Fichte zurückzuführen ist. Da sich – wie oben dargestellt – die Stammzahlen der Fichte innerhalb der subalpinen Fichtenwaldstufe kaum verändert haben, ist der Anstieg vornehmlich auf die Durchmesserzunahme der Bäume über der Derbholzgrenze zurückzuführen. Auch im Lärchen-Zirbenwald konnte im Rahmen der aktuellen Aufnahmen mit 14,3 m²/ha eine wesentlich höhere Bestandesgrundfläche als in den Altaufnahmen (7,0 m²/ha) ermittelt werden. Auch hier entfällt der größte Anteil des Grundflächenzuwachses auf die Fichte, die ihre Grundfläche signifikant von durchschnittlich 0,2 auf 3,9 m²/ha erhöhte. Im Unterschied zu den subalpinen Fichtenwäldern spielen hier neben dem Durchmesserzuwachs der vorhandenen Bäume aber auch die zahlreichen, neu in den Baumbestand eingewachsenen Individuen eine ursächliche Rolle.

Beim Vergleich der grundflächengewichteten Baumartenanteile lässt sich bei den subalpinen Fichtenwäldern nahezu kein Unterschied zwischen den beiden Aufnahmezeitpunkten feststellen (Abbildung 4 oben). Die Baumartenzusammensetzung hat sich hier über den Vergleichszeitraum nahezu nicht verändert.

Anders sieht es bei den hochsubalpinen Carbonat-Lärchen-Zirbenwäldern aus: Hier nahm der Anteil der Fichte seit 1986 von damals drei auf heute 27 % deutlich zu, während der Anteil der Zirbe im Gegenzug von 93 auf 71 % zurückging. Neben der Zirbe, die in den 1980er Jahren die Baumschicht alleinig dominierte, nimmt heute auch die Fichte nennenswerte Anteile in den Beständen ein (Abbildung 4 unten).

Unterschiede zwischen den beiden Waldgesellschaften lassen sich auch erkennen, wenn man die Entwicklung der Totholzmengen betrachtet. So nahmen diese im subalpinen Fichtenwald im Mittel zu (An­stieg von 50 auf 68 m³). Allerdings unterschieden sich die einzelnen Probeflächen hinsichtlich ihrer Totholzdynamik zum Teil deutlich: die gemessenen Veränderungen der Totholzvorräte seit 1986 reichten von -32 bis +100 m³ je Hektar.

Dagegen lagen die Totholzvorräte im Lärchen-Zirbenwald insgesamt auf einem deutlich niedrigeren Niveau und wiesen auch eine gegenläufige Entwicklungstendenz auf. Hier war eine Abnahme von durchschnittlich ca. 13 m³/ha auf heute drei m³/ha zu verzeichnen (Abbildung 3).

Was steckt dahinter?

Die aufgezeigten Entwicklungen in der subalpinen Fichtenwaldstufe dürften bislang wohl weitestgehend auf die natürliche Waldentwicklung seit der Ausweisung des Reservats im Jahr 1978 zurückzuführen sein. So kommt es nach Einstellung der forstlichen Nutzung vielerorts zu einem Anstieg der Grundfläche bzw. des Volumens der Waldbestände sowie zu einer Zunahme der Totholzvorräte (z. B. Endres & Förster 2009, Thom & Seidl 2022). Dabei kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die markante Temperaturerhöhung seit Beginn der 1980er Jahre derartige Prozesse unter Umständen beschleunigt. Deutliche und flächige klimawandelbedingte Änderungen der Waldstruktur, wie beispielsweise durch Trockenheit oder durch häufiger auftretende Sturmereignisse ausgelöste Kalamitäten, sind in den Fichtenbeständen des Naturwaldreservats bislang nicht zu beobachten. Die auf einzelnen Probeflächen nachgewiesene deutliche Zunahme der Totholzvorräte um bis zu 100 m³ pro Hektar deutet aber darauf hin, dass Störungen durch v. a. Borkenkäfer und Windwurf – zumindest punktuell – durchaus auch heute schon eine Rolle spielen. Eine künftige Ausweitung derartiger Ereignisse, verbunden mit dann deutlicheren Änderungen der Waldstrukturen, erscheint daher eher wahrscheinlich.

Markanter als in der subalpinen Fichtenwaldstufe fielen die Veränderungen in den hochsubalpinen Lärchen-Zirbenbeständen aus. Die deutliche Zunahme der Fichte in der Baumschicht deutet dort auf einen sukzessiven Wandel der Baumartenzusammensetzung hin. Die Ursachen für diesen Prozess sind dabei sicher nicht auf einen einzigen Wirkfaktor zurückzuführen, sondern stellen vielmehr das Ergebnis mehrerer miteinander verknüpfter Einzelfaktoren dar. Eine Ursache für die Entwicklung dürfte die deutliche Temperaturzunahme in der Region darstellen. Da die sehr langsam wachsende Zirbe erst ab Jahresmitteltemperaturen unter +3 °C gegenüber der schnellerwüchsigen Fichte konkurrenzfähig wird, könnte eine Erwärmung mittel- bis langfristig zu einer Verschiebung des Konkurrenzgleichgewichts zu Gunsten der Fichte bzw. zu Lasten der Zirbe führen. Die Erwärmung während der letzten Dekaden dürfte das Wachstum sowie die Vitalität der Fichte in den oberen Bereichen ihres Vorkommens bereits merklich begünstigt haben, so dass die in der Verjüngung überall vorhandenen Fichten selbst in den höchsten Lagen des Naturwaldreservats nun in die Baumschicht einwachsen konnten. Zudem liegt hinsichtlich der Häufigkeiten von Wetterlagen eine Tendenz zu mehr SW-Lagen und weniger NO-Lagen vor, was gleichbedeutend mit einer abnehmenden Kontinentalität des Klimas in den Nordalpen ist. Dieser Effekt dürfte die Konkurrenzkraft der Zirbe, die an eher kontinentale Bedingungen angepasst ist, zusätzlich schwächen.

Das zunehmende Einwachsen der Fichte in die Baumschicht könnte aber auch auf Änderungen anthropogener Bewirtschaftungsweisen zurückzuführen sein. So sind die Lärchen-Zirbenbestände im Wettersteingebirge stark nutzungsgeprägt und in der Vergangenheit durch Auflichtung (sowohl durch den Menschen als auch durch Weidetiere) gezielt offengehalten worden. Eine Einstellung dieser menschlichen Aktivitäten bzw. die Reduktion ihrer Intensität könnte in den letzten Jahrzehnten die Etablierung der Fichte ebenfalls begünstigt haben. Gleiches gilt für eine Änderung des Wildtiermanagements, das seit Anfang der 1980er Jahre durch erhöhte Abschüsse von Gams- und Rotwild und die Errichtung eines Wintergatters gekennzeichnet ist, wodurch die Regeneration der Waldbäume (v. a. von wuchskräftigen Arten wie Fichte, Buche oder Bergahorn) in der Region insgesamt profitiert hat.

Durch die zunehmende Etablierung der Fichte (oder anderer schattenspendender Baumarten wie Bergahorn) in den lichten und offenen Hochlagenbeständen dürfte die natürliche Verjüngung der Zirbe künftig allerdings eher erschwert werden, da sich deren Jungwuchs durch ein vergleichsweise hohes Lichtbedürfnis auszeichnet. Je ungünstiger die Belichtungsbedingungen für die jungen Zirben werden, umso mehr werden sie im zwischenartlichen Wettbewerb schattentoleranteren Baumarten wie der Fichte unterliegen. Eine Sukzession hin zu eher fichtendominierten Beständen könnte dadurch weiter verstärkt werden. Dass die Bedingungen für eine natürliche Verjüngung der Zirbelkiefer aktuell offensichtlich bereits ungünstig sind, zeigt die Baumartenzusammensetzung innerhalb der Verjüngungsschicht. Dort konnte im Lärchen-Zirbenwald im Jahr 2021 keine einzige Zirbe nachgewiesen werden, während der Anteil der Fichte bei fast 30 % lag (Abbildung 4 unten).

Der Totholzvorrat ist in den Zirbenbeständen, trotz mehr als vier Jahrzehnten natürlicher Waldentwicklung, vergleichsweise gering. Nach Welzmüller & Ewald (2017) liegt die Ursache hierfür darin begründet, dass die natürliche Entwicklung der Bestände durch frühere anthropogene Nutzungen lange Zeit gestört wurde und sich im langlebigen, störungsarmen Zirbenwald Totholz ohnehin nur sehr langsam anreichert.

Zusammenfassung

Durch eine Wiederholung von waldkundlichen Aufnahmen aus den 1980er Jahren konnten Änderungen der Bestandesstrukturen in den subalpinen Nadelwaldbeständen des Naturwaldreservats Wettersteinwald aufgezeigt werden. In den tiefsubalpinen Fichten­wäldern ergaben sich nur relativ geringe Veränderungen. Diese Wälder scheinen also gegenüber den stattgefundenen Temperaturerhöhungen (noch?) relativ stabil zu sein.

Dagegen waren in den hochsubalpinen Carbonat-Lärchen-Zirbenbeständen die Änderungen wesentlich deutlicher ausgeprägt. Hier konnte v. a. eine markante Zunahme des Fichtenanteils innerhalb der Baumschicht beobachtet werden. Neben anderen Ursachen dürfte dies insbesondere mit der deutlichen Temperaturerhöhung in der Region während der letzten Jahrzehnte in Zusammenhang stehen. Setzt sich diese Entwicklung weiter fort, könnte hier die Zirbe zunehmend von der Fichte aus ihrem angestammten Areal verdrängt werden. Da aufgrund der Orografie des Wettersteingebirges ein Ausweichen in höhere Lagen kaum möglich ist, könnten die Vorkommen der Zirbe in diesem Gebiet langfristig deutlich zurückgehen. 

Das Projekt “Auswirkungen des Klimawandels auf Diversität und Struktur von Gebirgswäldern im Bayerischen Alpenraum” wird vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus finanziert (Laufzeit: 01.04.2021–31.12.2024).