Wo Fließgewässer und ihre Auen im Wald liegen, bilden sie ein eigenes, geschlossenes und sensibles Ökosystem von längszonaler, zusammenhängender Ausdehnung. Neben ihrer vielfältigen und vernetzenden Funktion im Naturhaushalt sind ihre Auen und angrenzenden Feuchtwälder auch Standort für forstlich interessante, Nutzholz liefernde Baumarten. Die Nutzung dieser meist ertragreichen Produktionsstandorte muss nicht zwangsweise im Widerspruch stehen mit der Empfindlichkeit der Standorte gegenüber Bewirtschaftung und der gleichzeitigen Erfüllung von Schutzfunktionen. Um Nutz- und Schutzfunktionen gerecht zu werden, ist eine angepasste Waldwirtschaft erforderlich, die das Fließgewässer in seiner Längenausdehnung als Bewirtschaftungseinheit betrachtet und auf standortsangepasste Aue- und Feuchtwaldgesellschaften eingeht.
Abb. 1: Aiternbach/ Südschwarzwald: linksseitig naturnaher Ahorn-Eschen-Bestand mit Bergulme, rechtsseitig naturferner Fichtenreinbestand im Baumholzalter.
Bei Beachtung einer Reihe von Bewirtschaftungs- und Pflegeleitlinien können und müssen stabile Wälder an Waldbächen wo Reste vorhanden sind erhalten, und, soweit sie sich nicht in optimalem Zustand befinden, durch ökologische Umbaumaßnahmen so entwickelt werden, dass beiden funktionalen Anforderungen Rechnung getragen wird.
Durch die Vorgabe der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union nach der "Wiederherstellung eines guten ökologischen Zustands" von Fließgewässern mit einem Einzugsgebiet größer 10 km2 sind die Waldbewirtschafter zum Handeln gefordert, insofern ihre bachbegleitenden Wälder nicht in einem naturnahen Zustand sind und entsprechende Forderungen in einem Maßnahmenplan stehen. Ihnen sind vielfach nicht hinreichend die ökologischen Zusammenhänge wie auch der gesetzliche Auftrag zu Erhaltung und Entwicklung von Wald am Fließgewässer bekannt.
Gerade in Mittelgebirgslagen, prädestiniert für den großflächigen Anbau von schnellwüchsigem Nadelholz, sind Fließgewässer oft bis an den Gewässerrand mit Reinbeständen oder hohen Mischungsanteilen von Fichten, in submontanen Lagen auch mit Douglasien, bestockt. Die Tanne ist hiervon ausgenommen, denn sie ist durchweg positiv zu beurteilen.
Im Folgenden werden Empfehlungen für den Waldumbau am Fließgewässer in Mittelgebirgslagen vorgestellt, die auf den Ergebnissen des angewandten Projekts "Erhaltung und Entwicklung naturnaher Fließgewässer im Wald im Rahmen der Waldwirtschaft" basieren (Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Projekt-Nr. 22388). Diese Empfehlungen richten sich in erster Linie an Waldbewirtschafter.
Rahmenbedingungen
Abb. 2: Vorgehensweise zur Entwicklung naturnaher Waldbestände am Fließgewässer.
Referenzraum für diese Empfehlungen sind montane und hochmontane Mittelgebirgslagen. Für sie sind die aus der vorliegenden Studie gewonnenen Ergebnisse verallgemeinerbar und nachfolgend zu Empfehlungen/ Handlungsanweisungen für Förster (Revierförster und Betriebsleiter), aber auch Forstunternehmer und Waldeigentümer als Hilfsmittel der Waldbewirtschaftung zusammengeführt. Aufbauend auf den Geländeuntersuchungen und den in die Praxis umgesetzten Maßnahmen werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie gewässerspezifisch vorgegangen werden kann, um vorhandene waldbauliche Defizite zu erkennen. Zudem wird beleuchtet, wie Entwicklungsmaßnahmen an das Fließgewässer angepasst und ohne größere Schäden für Flora und Fauna eingeleitet, gleichzeitig aber auch forstlich attraktive und nachhaltig nutzbare Bestände aufgebaut werden können.
Standortsfremde Wälder können sich am Fliegewässer unter der Voraussetzung von mehrhundertjährigen Zeiträumen wieder aus sich selber heraus zu naturnahen Beständen entwickeln. Um mittelfristig nicht angepasste Waldbestände in stabile, naturnahe bachgebleitende Wälder zu überführen ist es nicht ausreichend, sie der Eigendynamik zu überlassen. Vor Durchführung von Maßnahmen ist zu klären, welches der aktuelle Zustand an den zu behandelnden Fließgewässern ist und wie der Bestand zukünftig aussehen soll bzw. welches das waldbauliche Ziel ist, auf das hin entwickelt werden soll. Hierfür sind einige Zwischenschritte zu beachten (vgl. Abbildung 2). Ohne genaue Kenntnis des Standorts und der dort standortstypischen Waldgesellschaften sollten keine waldbaulichen Maßnahmen erfolgen. Hilfreich ist in jedem Fall der Abgleich mit Referenzwäldern, soweit in der Nähe vorhanden.
Gewässerspezifische Eigenheiten
Jedes Fließgewässer ist einmalig. Dies muss in der waldbaulichen Planung und in der Bewirtschaftung als oberste Leitlinie berücksichtigt werden. Dennoch lassen sich Fließgewässer nach Morphologie und natürlicher Pflanzengesellschaft innerhalb einheitlicher Naturräume typisieren. Entsprechend sollten sie auch typenspezifisch bewirtschaftet werden.
Gewässertypen im Mittelgebirge
In den Mittelgebirgslagen auf Grundgebirge finden sich in aller Regel im Oberlauf der Fließgewässer die V-förmig eingeschnittenen Kerbtäler, in denen durch das hohe Gefälle vor allem Abtragung stattfindet. Bachabwärts gehen sie dann in Kerbsohlentäler über, wo Abtrag und Auflandung gleichermaßen zu finden sind (vgl. Abbildung 3). In den Hochlagen der Mittelgebirge können darüber hinaus auch die U-förmigen Trogtäler mit breiten Schwemmlandtalsohlen auftreten. Sie sind glazialen Ursprungs. In Extremsteillagen können junge Fließgewässer auch ohne charakteristische Talform in kastenförmig in den Hang eingetieften Querschnittsprofilen zu Tal strömen.
Waldgesellschaften am Fließgewässer im Mittelgebirge
Die bedeutendsten Waldgesellschaften am Fließgewässer in Mittelgebirgslagen sind im Beitrag "Waldgesellschaften an Fließgewässern" als Übersichtstabelle und mit Steckbriefen zu den Waldgesellschaften zusammengestellt. Grundlegend unterschieden werden sie nach dem Wasserhaushalt bzw. der Überflutungshäufigkeit. Echte Auewälder werden gelegentlich bis häufig überflutet, Feuchtwälder sind überwiegend durch oberflächennah anstehendes Grundwasser gekennzeichnet. Schluchtwälder schließlich zählen auch hierzu, soweit sie in luft- und bodenfeuchten Tal-Einschnitten (meist Kerbtäler) Fließgewässer begleiten.
Im Umfeld und längs bewaldeter Mittelgebirgsbäche spielen Weidengebüsche mit wenigen Ausnahmen (z. B. Salix multinervis-Gebüsche = Gebüsche der Vielnervigen Weide) kaum eine Rolle. Gründe sind u.a. starke Beschattung bei naturnaher Bestockung, die für die lichtliebenden Weiden, die ja meist Píoniergehölze sind, keinen Raum lassen, außerdem die Nichtbesiedelbarkeit tief eingeschnittener Kerbtäler oder nur wenige im Sommer trocken fallende Flachpartien. Schließlich gibt es im Mittelgebirge genau zu dieser Zeit Hochwasserspitzen nach Starkregenereignissen (Juni/Juli), die die zarten Keimpflanzen wegschwemmen würden (Schwabe 1987).
Talform | Vegetationstyp | Ausprägung der Vegetation |
Kerbtal | Meist zonale Waldgesellschaften; | Keine Aue vorhanden:
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Kerbsohlental Muldental Trogtal | Meist azonale Waldgesellschaften | Aue vorhanden: Je nach Breite der Aue, Häufigkeit der Hochwasserereignisse und Höhenstufe unterschiedliche Waldgesellschaften wie
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Abb. 3: Charakteristische Talformen für Berg- und Hügellandgewässer. Tief eingeschnittenes Kerbtal ohne ausgeprägtes Gewässerufer (links), eingesenktes Sohlenkerbtal mit mäßig breitem Talboden (Mitte). Die breite Talsohle ermöglicht die Ausbildung einer Aue (rechts). Bei Muldentalgewässern ist die Talsohle weniger scharf gegen die Talhänge abgesetzt als bei Auetalgewässern (LAWA 2000).
Erfassung des Ist-Zustandes
Als Einstieg in waldbauliche Empfehlungen zur Bewirtschaftung fließgewässerbegleitender Wälder sollte zuerst der Ist-Zustand als Entscheidungshilfe für weitergehende Maßnahmen in Wäldern an Fließgewässern geklärt werden. Der nachfolgende Fragenkatalog in Tabelle 2 soll hierzu eine Hilfestellung bieten. In der Tabelle 3 werden die Wirkungen und Folgen und zu beachtende Besonderheiten aufgezeigt.
Kategorie | Fragestellung |
Natürliche Standortsfaktoren |
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Künstliche Standortsfaktoren | Beeinträchtigungen durch :
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Waldbauliche Situation Bezug: |
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Betriebliche Situation Waldeinteilung Erschließung / Holzernt |
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Ist-Soll Abgleich
Tab. 3: Erfassung des Ist-Zustands als Entscheidungshilfe für waldbauliche Maßnahmen (2).Die Diagramme können Sie als PDF herunterladen.
Aus den Parametern natürliche und künstliche Standortsfaktoren (vgl. Tabelle 2 und Tabelle 3) lassen sich Rückschlüsse auf die heutige potentiell natürliche Waldgesellschaft am Fließgewässer ziehen. Sie muss für jedes Fließgewässer gesondert ermittelt werden. Sie dient als Leitbild, um aktuell ungenügende Waldbestände in naturnahe fließgewässerbegleitende Aue- und Feuchtwälder zu entwickeln.
Da die Wasserrahmenrichtlinie indes nur den guten ökologischen Zustand fordert (Naturnähekategorie "naturnah") und nicht den sehr guten (Naturnähestufe "sehr gut"), muss das reale Entwicklungsziel nicht der vollständig der heutigen potentiell natürlichen Vegetation entsprechen. Je nach Waldgesellschaft wäre ein bis zu 15 %iger Anteil an standortsfremden Baumarten, in der Regel der Fichte, tolerierbar (vgl. Naturnähestufen der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg im Anhang). In FFH-Gebieten hingegen ist durch die FFH-Richtlinie mit 30 % der Anteil Fremdbaumarten sogar in doppelter Höhe zulässig.
Waldbauliche Empfehlungen
In den Tabellen 4.1 bis 4.3 sind die Empfehlungen und Hinweise zusammengetragen, die für den forstlichen Praktiker von Relevanz sind, um an Fließgewässern nachhaltig und standortsangepasst wirtschaften zu können und gleichzeitig aber auch den naturschutz- und wasserschutzrechtlichen Forderungen gerecht zu werden.
Bezugsraum |
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Planungshorizont |
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Alter |
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Baumartenmischung |
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Stufigkeit und Textur |
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Hiebsführung |
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Holzernte |
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Kraut- und Strauchschicht |
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Verjüngung |
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Pflanzmaterial und Pflanzung |
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Pflege |
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Verbiss |
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Altholz und Totholz |
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Offene Flächen |
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Neophyten |
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Nebeneffekte |
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