Gleichzeitig entwickelten die am Forschungsprojekt “BioFeuchtHumus” beteiligten Akteure aus der Forstwirtschaft, dem Naturschutz und der Wissenschaft aus ihren Erkenntnissen heraus forstliche Handlungsempfehlungen. Diese sollen einen Beitrag zum Erhalt der Ökosystemleistungen von Feuchtwäldern und zur Anpassung dieser an den Klimawandel leisten.
1 Projekt BioFeuchtHumus
Feuchtwälder spielen eine große Rolle beim natürlichen Klimaschutz. Insbesondere der Waldboden ist hier hervorzuheben. Durch den Wassereinfluss laufen die Zersetzungsprozesse der Streu langsamer ab. So kommt es zur Anreicherung großer Mengen organischen Materials im Boden. In wechselfeuchten Wäldern kann die Kohlenstoffspeicherung im Boden deutlich über der Menge im lebenden Baumbestand liegen [1]. Des Weiteren erfüllen Feuchtwälder zahlreiche weitere Funktionen. Sie können eine wichtige Rolle beim Hochwasserschutz spielen und zeichnen sich oft durch eine besonders hohe Artenvielfalt aus [2]. Feuchtwälder sind an bestimmte Standortbedingungen gebunden und daher von Natur aus eher selten. Landnutzungsänderungen, intensive Nutzung und großflächige Entwässerungen haben ihr Vorkommen in der Vergangenheit weiter reduziert und ihren Zustand verschlechtert. Eine weitere Gefährdung geht von den aktuellen klimatischen Veränderungen aus. Durch ihre Bindung an Wasser gelten Feuchtwälder als besonders sensibel gegenüber Dürrephasen und höheren Temperaturen [3, 4].
Das Projekt “BioFeuchtHumus” (Humusformen als Indikatoren für die Zersetzergesellschaft in Zeiten des Klimawandels) hatte das Ziel, die Anpassung von Feuchtwäldern an den Klimawandel durch Handlungsempfehlungen für die Forstpraxis zu fördern. Bei dem Projekt handelte es sich um eine Kooperation zwischen der Universität Osnabrück, vertreten durch das Institut für Geographie, und dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen. Unterstützt wurde es zudem von der NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V. sowie dem Institut für Angewandte Bodenbiologie GmbH aus Hamburg. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen des Waldklimafonds durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. gefördert. Die Projektlaufzeit betrug drei Jahre (2021–2024).
Die im Projekt untersuchten Flächen liegen im Süden bzw. Südosten von Münster. Das Münsterland ist durch die vorletzte Kaltzeit in Europa und die damit verbundene Vergletscherung geprägt. Das lehmige Moränenmaterial ist im Untersuchungsgebiet die Ursache für die Bildung von Stauwasser [5]. Es entstehen Stauwasserböden (Pseudogleye) mit einem wasserleitenden Sw-Horizont und einem wasserstauenden Sd-Horizont (Abb. 1). Während die Böden im Sommer vollständig austrocknen können, ist der Wald im Winter und Frühjahr stellenweise überstaut (Abb. 2). Im Untersuchungsgebiet wurde der Wasserhaushalt untersucht, Bodenorganismen (Regenwürmer, Kleinringelwürmer) erfasst, Humusformen kartiert und Vegetationsaufnahmen durchgeführt [4, 6].
2 Wasserhaushalt
Die Verfügbarkeit von Wasser spielt in Feuchtwäldern eine entscheidende Rolle. Die Humusbildung und die Aktivität von Bodenorganismen hängen stark vom Wasserhaushalt ab. An den Bodenfeuchtemessstationen wurde die Bodenwasserspannung gemessen, die angibt, wie stark das Wasser im Boden gebunden ist und wie viel Kraft Pflanzen aufwenden müssen, um es aufzunehmen. Je trockener der Boden, desto höher die Bodenwasserspannung, was durch den pF-Wert beschrieben wird.
Die Wechselfeuchte der Standorte war in den letzten Jahren besonders stark ausgeprägt. Die geringen Niederschlagsmengen im Spätsommer und Herbst 2022 führten zu extrem trockenen Bodenverhältnissen (Abb. 3). Im Gegensatz dazu war der Boden bis Juni 2023 vollständig wassergesättigt. Im Sommer 2023 waren die Trockenphasen weniger stark und kürzer als im Vorjahr. Bereits ab Mitte Oktober 2023 waren die Böden erneut vollständig wassergesättigt. Auch 2024, einem vergleichsweise regenreichen Jahr, wurden kurze Trockenphasen von Phasen der kompletten Wassersättigung abgelöst [6].
Abb. 3: Jahresverläufe der Bodenwasserspannung (pF-Wert) für die drei untersuchten Bodentiefen 10, 20 und 30 cm und die Niederschläge im Bestand von Mai 2022 bis August 2024 an einem Messstandort im Untersuchungsgebiet im Süden von Münster. Die roten Kästen markieren die Trockenphasen, und die blauen Kästen zeigen komplette Wassersättigung (pF-Wert = 0) an. Grafik: Tina Frank
3 Bodenorganismen
Abb. 4: Regenwurm und Kleinringelwurm. Foto: Heinz-Christian Fründ [6]
Regenwürmer und Kleinringelwürmer erfüllen als Teil der Zersetzergesellschaft im Boden zahlreiche wichtige Funktionen (Abb. 4). Sie tragen zur Zersetzung der Laubstreu bei und können so Nährstoffe wieder pflanzenverfügbar machen. Vor allem Regenwürmer können durch die Durchmischung des Bodens und die Ausscheidung von Exkrementen, die sowohl mineralische als auch organische Bestandteile enthalten, zu einem ausgeprägten Krümelgefüge beitragen. Außerdem haben sie wesentlichen Einfluss auf die vorherrschende Humusform.
Es werden drei Lebensformtypen von Regenwürmern unterschieden. In den Untersuchungen dominierten kleine, in der organischen Auflage lebende (epigäische) Regenwurmarten. Im oberen Mineralboden lebende (endogäische) Arten kamen überwiegend auf Feuchtmull-, dagegen kaum auf Feuchtmoder-Standorten vor. Tiefgrabende (anecische) Arten wurden nicht gefunden.
Das Vorkommen von Regenwürmern ist entscheidend an den pH-Wert gebunden [7]. Endogäische Arten sind dabei weniger säuretolerant als epigäische. Die an Feuchtmoder gemessenen pH-Werte ≤ 4 liegen unterhalb des Toleranzbereichs tiefgrabender Regenwürmer [8, 9]. Das Fehlen dieser tiefgrabenden Regenwürmer ist einerseits durch ihre geringe Toleranz gegenüber sauren Bodenbedingungen und andererseits durch den Staunässeeinfluss zu erklären. An den Feuchtmull-Standorten konnten durchschnittlich mehr Arten pro Probepunkt sowie eine höhere Biomasse an Regenwürmern als an Feuchtmoderstandorten festgestellt werden [6].
Kleinringelwürmer sind kleiner als Regenwürmer und tragen dadurch weniger zur Zersetzung von organischem Material bei. Im Jahresverlauf ist eine starke zeitliche Dynamik zu erkennen, was auf ihre Abhängigkeit vom Wasserhaushalt zurückzuführen ist – ein typisches Merkmal für Feuchthumusformen. Im trockenen Herbst 2022 dominierten Frischezeiger, die sich überwiegend im oberen Mineralboden aufhielten (Abb. 5). Unter den Bedingungen vollständiger Wassersättigung hingegen verschwanden die Frischezeiger komplett, da diese Arten Vernässung meiden (April 2023) [7]. Nur in der Streu wurden feuchtezeigende Arten festgestellt. Im Herbst 2023, in dem ebenfalls Trockenphasen auftraten, jedoch weniger extrem als 2022, wurde die größte Anzahl an Kleinringelwürmern gefunden. Sowohl Frische- als auch Feuchtezeiger traten auf, wobei letztere eher in tieferen, feuchteren Bodenhorizonten vorkamen [6].
4 Humusformen
Im Rahmen des Projektes konnten Merkmale zur Klassifikation von aerohydromorphen Humusformen (Feuchthumusformen) definiert werden. Diese Humusformen unterscheiden sich von aeromorphen (terrestrischen) Humusformen durch den starken Einfluss von Wasser. An Feuchtmull-Standorten treten oft typische Färbungen bis in die organische Auflage (sogenannte Redoxmerkmale) auf. Bei hohen Wassergehalten (Reduktionsbedingungen) treten helle Farben im Mineralboden auf. Bei Trockenheit und damit verbundenen hohen Sauerstoffgehalten (Oxidationsbedingungen), ist eine Rostfärbung zu erkennen [10] (Abb. 1).
Abb. 6: Ausstich der Humusform Feucht F-Mull mit den charakteristischen Horizonten der organischen Auflage nach AG Boden [10]. O = Organische Auflage, w= wasserbeeinflusst, l = Streu, f = fragmentiert. Foto: Tina Frank [6]
Ein weiteres Anzeichen für den Wassereinfluss sind schwarze, „schmierige“ Blätter, die in der organischen Auflage paketartig gelagert sind. Feuchtmull-Standorte zeichnen sich außerdem durch ein krümeliges Gefüge im obersten Mineralbodenhorizont und ein häufiges Vorkommen von Regenwürmern aus. Der Wassereinfluss hemmt die Zersetzung des organischen Materials, was zu einer Anreicherung von organischem Kohlenstoff führt (Abb. 6).
Feuchtmoder-Standorte, die ebenfalls vom Wasser beeinflusst sind, unterscheiden sich vom Feuchtmull durch eine langsamere Zersetzung der Streu. Dies führt zu höheren Kohlenstoffvorräten in der organischen Auflage. Auch sind die Standorte durch saure pH-Werte und einem geringeren Stickstoffgehalt im Verhältnis zum Kohlenstoff (C/N-Verhältnis) im Vergleich zu Feuchtmull-Standorten, gekennzeichnet [6].
5 Vegetation
Die Standorte sind auf pflanzensoziologischer Ebene den Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwäldern zuzuordnen. Die für die Waldgesellschaft namengebenden Baumarten Stiel-Eiche (Quercus robur) und Hainbuche (Carpinus betulus) werden teilweise durch Rot-Buche (Fagus sylvatica), Hänge-Birke (Betula pendula) und Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior) ergänzt.
Auf den Untersuchungsflächen mit Feuchthumusformen wurden in der Krautschicht 76 Pflanzenarten gefunden. Darunter waren viele feuchte- bzw. nässeanzeigende Arten, wie Winkel-Segge (Carex remota), Gewöhnlicher Frauenfarn (Athyrium filix-femina), Berg-Ehrenpreis (Veronica montana) und Großes Hexenkraut (Circaea lutetiana) [11]. Auf den benachbarten Referenzflächen mit trockenen Humusformen wuchsen deutlich weniger feuchteanzeigende Arten. Dies zeigte sich auch in einem dort signifikant niedrigeren Zeigerwert für den Feuchtegrad.
Eine erste Abschätzung über das Vorkommen von Feuchthumus lässt sich somit bereits mithilfe der Vegetation vornehmen [12]. Auch Anschlag et al. [13] konnten bereits in anderen Waldgesellschaften einen Zusammenhang zwischen der Krautschicht und den dort auftretenden Humusformen (Oh-Mächtigkeit) zeigen. Die Unterscheidung einzelner Feuchthumusformen (z.B. Feuchtmull vs. Feuchtmoder) anhand der Vegetation war jedoch nicht ohne weiteres möglich.
6 Handlungsoptionen für die Forstpraxis
Im Rahmen des Projektes wurden anhand der Untersuchungsergebnisse sowie auf der Basis bestehenden Wissens Handlungsoptionen für die Forstpraxis erarbeitet. Diese sollen einen Beitrag zur Anpassung von Feuchtwäldern an den Klimawandel leisten. Folgende Empfehlungen zum Umgang mit Feuchtwäldern werden gegeben:
Waldstruktur
- Erhöhung des Anteils heimischer, standorttypischer Laubbaumarten
- Entfernung standortfremder Gehölze
- Schaffung kleiner Lücken und Erhaltung natürlich entstandener Lücken zur Erhöhung der Strukturvielfalt.
Wasserhaushalt und Bewirtschaftung
- Verschluss von Entwässerungsgräben und Drainagen, Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes
- Einstellung der forstlichen Bewirtschaftung in Kernflächen von besonders feuchten, schwer erreichbaren und ertragsschwachen Auen-, Bruch- oder Moorwäldern.
Bodenschutz und Bewirtschaftung
- Minimierung der Befahrung feuchter Bereiche (räumlich und zeitlich)
- Einsatz bodenschonender Verfahren und Techniken
- Falls möglich Einsatz alternativer Holzbringungstechniken, wie z. B. Seilkräne oder Rückepferde
- Maßnahmen zur Vorbeugung starker Bodenverdichtung bei der Befahrung von Rückgassen.
Humusformen
- Schutz der organischen Auflage der Böden bei Pflanzmaßnahmen, um Wasser, organischen Kohlenstoff und Nährstoffe im Oberboden zu halten und Erosion zu vermeiden
- Bei der Planung forstlicher Maßnahmen möglichst Berücksichtigung kleinräumiger Standortunterschiede, die anhand der Humusformen erkennbar sind, um kleinflächige, i. d. R. in Senken vorkommende Feucht- und Nassstandorte und damit die Biodiversität zu fördern
- Berücksichtigung der Humusformen und somit der Lebensraumfunktion des Bodens zur Bewertung des Zustandes von Waldökosystemen
- Stärkere Berücksichtigung der Humusformenansprache bei der Standortkartierung in der Forstausbildung.
Literaturhinweise
- [1] Klein-Raufhake, T., Schaper, J., Fornfeist, M., Hölzel, N. und U. Hamer (2024): Wirkung der Waldnutzung auf Bodenökologie und C-Speicherung. Natur in NRW 2: 14–18.
- [2] Müller-Kroehling, S. (2019): Sonderstandorte – Schatztruhen der Biodiversität. LWF aktuell 3: 13–16.
- [3] Ssymank, A., Röhling, M., Ellwanger, G. und S. Scheele (Hrsg.) (2024): Natura 2000 Waldlebensraumtypen im Klimawandel. Forschungsbedarfe und Möglichkeiten für Anpassungsstrategien, Management und Maßnahmen. Bonn (BfN-Schriften 681).
- [4] Fornfeist, M., Santora, L., Frank, T., Linnemann, B., Bergmann, M. und M. Elmer (2024): Feuchtwälder im Klimawandel – Projekt BioFeuchtHumus. AFZ-DerWald 15: 12–15.
- [5] Liedtke, H. (2007): Westfalen im Eiszeitalter. In: Heineberg, H. (Hrsg.): Westfalen Regional. Münster, S. 36–37.
- [6] Frank, T., Beylich, A., Graefe, U., Brauckmann, H.-J. und G. Broll (2024): Feuchtwälder im Klimawandel – Bodenökologische Prozesse. AFZ-DerWald 15: 16–20.
- [7] Graefe, U. and A. Beylich (2003): Critical values of soil acidification for annelid species and the decomposer community. Newsletter on Enchytraeidae 8: 51–55.
- [8] Ehrmann, O. (2015): Regenwürmer in den Böden Baden-Württembergs – Vorkommen, Gefährdung und Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg im Breisgau 105: 125–176.
- [9] Graefe, U. und R. M. Schmelz (1999): Indicator values, strategy types and life forms of terrestrial Enchytraeidae and other microannelids. Newsletter on Enchytraeidae 6: 59–67.
- [10] AG Boden (2024). Bodenkundliche Kartieranleitung., 6. Auflage. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Hannover.
- [11] Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V., Werner, W. und D. Paulissen (1991): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Göttingen (Scripta Geobotanica 18).
- [12] Linnemann, B., Santora, L., Frank, T., Wöllecke, J., Elmer, M., Fornfeist, M. und G. Broll (2023): Feuchthumusformen und Bodenvegetation in Waldökosystemen im Münsterland. Mitteilungen der DBG 121.
- [13] Anschlag, K., Tatti, D., Hellwig, N., Sartori, G., Gobat, J.-M. and G. Broll (2017): Vegetation-based bioindication of humus forms in coniferous mountain forests. J. Mt. Sci. 14: 662–673.