Ob Durchgängigkeitsmaßnahmen im wasserrechtlichen Sinn dem Gewässerausbau oder der Gewässerunterhaltung zugeordnet werden, wirkt sich auf die Planungskosten aus. Um unnötige Planungskosten zu vermeiden sollen ‑ in enger Abstimmung mit der Wasserwirtschaft ‑ möglichst viele Durchgängigkeitsmaßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung durchgeführt werden.

Praktisch bedeutete das, dass kein wasserrechtliches Verfahren erforderlich wird. Werden Durchgängigkeitsmaßnahmen als Maßnahmen der Gewässerunterhaltung anerkannt, was rechtlich in vielen Fällen möglich erscheint, sind alleine durch den Wegfall der Genehmigungsplanung Kosteneinsparungen von mehreren Prozent der Bausumme zu realisieren.

In diesem Beitrag werden Kriterien zur Unterscheidung von Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung vorgestellt. Sie werden beispielhaft auf verschiedene Durchgängigkeits- und Gewässerentwicklungsmaßnahmen sowie Änderungen von Anlagen an Fließgewässern im Wald, wie Kreuzungsbauwerke für Forstwege, angewandt. Die Ausführungen hierzu erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wurden keiner juristischen Überprüfung unterzogen. Der Beitrag folgt bei der Unterscheidung von Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung im Wesentlichen den Darlegungen in JÜRGING & PATT (2005). Weitere Arbeitsmaterialien waren ein für Baden-Württemberg vorliegendes älteres Handbuch zu Rechtsgrundlagen der Gewässerunterhaltung (LfU 1996) sowie ein Ordner mit Fortbildungsunterlagen zum Unterschied zwischen Unterhaltung und Ausbau von Gewässern. Dieser Ordner kann bei der WBW-Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH bezogen werden (Ordner "Unterschied zwischen Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen an Gewässern", WBW 2008).

Kriterien zur Abgrenzung von Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung bei Maßnahmen an Gewässern und bei Änderungen von Anlagen in, an oder über Gewässern

Die folgenden Kriterien sollen dem Träger einer Maßnahme eine Einschätzung ermöglichen, ob für eine von ihm geplante Maßnahme voraussichtlich ein wasserrechtliches Verfahren erforderlich ist (Gewässerausbau). Die tatsächliche Entscheidung darüber trifft die zuständige Wasserbehörde.

Ein Gewässerausbau liegt nach § 67, Abs. 2 Satz 1 WHG (Stand 2018) vor, wenn es sich um die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer handelt (Anm.: Ufer ist die gesamte, bei bordvoller Wasserführung überströmte Eintiefung der Erdoberfläche, also auch der Geländestreifen zwischen der Uferlinie und der Böschungsoberkante, CZYCHOWSKI & REINHARDT 2003). Nach JÜRGING & PATT (2005) ist "der Begriff der Herstellung oder Beseitigung eines Gewässers noch leicht verständlich. Schwieriger ist hingegen der für die Praxis bedeutendere Begriff der "wesentlichen Umgestaltung" eines Gewässers. Problematisch ist hierbei die erforderliche Abgrenzung zwischen Maßnahmen der Gewässerunterhaltung und solchen des Gewässerausbaus".

Die Gewässerunterhaltung umfasst nach § 39 WHG (Stand 2018) die Pflege und Entwicklung der Gewässer. Damit umfasst die Gewässerunterhaltung auch Maßnahmen die über das dauerhafte Sichern und Erhalten des Gewässerzustands (Pflege) hinausgehen. Diese Entwicklungsmaßnahmen müssen nach ihrer Art und ihrem Umfang jedoch unterhalb des Gewässerausbaus liegen.

Gleichwohl der Zusammenstellung der Kriterien in Tabelle 1 ist die Abgrenzung der Wesentlichkeit einer Umgestaltungsmaßnahme eines Gewässers oder der Änderung einer Anlage nicht einfach. Letztendlich bleibt die Abgrenzung die Entscheidung des Einzelfalles. Dies ist auch bei Tabelle 2 (siehe unten) zu beachten, in der einige Durchgängigkeits- bzw. Gewässerentwicklungsmaßnahmen beispielhaft den Bereichen Gewässerausbau oder Gewässerunterhaltung zugeordnet wurden.

Tab. 1: Unterscheidung von Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung für Maßnahmen am Gewässer sowie für Änderungen von Anlagen in, über oder an einem Gewässer; soweit nicht anders zitiert nach JÜRGING & PATT (2005), WBW (2008).

Unterscheidung von Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung

Fallbeispiel Jakobsbrunnenbach

Am Jakobsbrunnenbach, einem Hügellandbach im Vorland der Schwäbischen Alb, der vollständig im Wald verläuft, wurden im Herbst 2005 vier Durchgängigkeitsmaßnahmen durchgeführt. Unmittelbar an der Einmündung in den Vorfluter wurde zur Beseitigung von hohen Sohlenstufen als erste Maßnahme eine Raue Rampe gebaut. Es handelte sich hierbei um eine Umgestaltungsmaßnahme mit Eingriffen in die Bachsohle und die Ufer. Bei der zweiten und dritten Maßnahme handelte es sich um Änderungen an bestehenden Anlagen im Gewässerbett und bei der vierten um den Rückbau einer Anlage. Die zweite, dritte und vierte Maßnahme betrafen Gewässerüberquerungen für Forstwege. Bei der zweiten Maßnahme wurde ein Betonrohr DN 300 durch eine Furt und bei der dritten ein Betonrohr DN 300 durch ein überdimensioniertes Rohr DN 1200, mit durchgängig angelegter Gewässersohle, ersetzt. Die vierte Maßnahme war ein Rückbau. Dazu wurde ein für die Gewässerquerung im Bachbett verlegtes Betonrohr DN 300 entfernt und das Bachbett anschließend naturnah gestaltet.

Zuständige Wasserbehörde für die Maßnahmen am Jakobsbrunnenbach ist eine Große Kreisstadt, die gleichzeitig auch Trägerin der Unterhaltungslast ist. Daraus ergab sich die Situation, dass die Anzeige der Maßnahmen sowie die Ausübung der behördlichen Kontrolle bei der Kreisstadt in einer Hand lagen. Das gesamte Verfahren wurde dadurch erheblich vereinfacht. Durch die Wasserbehörde wurde ein Ortstermin anberaumt, bei dem die Maßnahmen den am wasserrechtlichen Verfahren zu beteiligenden Behörden sowie Vertretern des Naturschutzes und der Fischerei vorgestellt wurden. Bereits vor Ort zeichnete sich ab, dass alle Beteiligten dazu tendierten, die Maßnahmen „der der Gewässerunterhaltung dienend" einzustufen. Die Wasserbehörde hat dann auch entsprechend entschieden und dies mit dem Wasserhaushaltsgesetz (nach aktueller Gesetzeslage 2018 § 39 Abs. 1 Satz 1 WHG) begründet, wonach die Unterhaltung die „Pflege und Entwicklung eines Gewässers“ umfasst. Die Entwicklung schließt Maßnahmen "zur Verbesserung des bestehenden Zustandes im Rahmen der Unterhaltung" ein und eröffnet damit gewisse Gestaltungsspielräume, für z.B. Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit, insbesondere der Sohle. Weiter wurde angeführt, dass es sich deshalb um keine Maßnahmen des Ausbaus handelt, da bei keiner der Maßnahmen eine wesentliche Umgestaltung eines Gewässers vorlag, die sich an bedeutsamen Veränderungen der Größen Wasserstand und Wasser- bzw. Hochwasserabfluss festmachen lässt. Außerdem waren weitere abzuwägende Belange, wie private Eigentumsrechte, nicht berührt, da die Kreisstadt an allen Maßnahmenorten auch Grundeigentümerin, d.h. Waldbesitzerin ist.

Fallbeispiel Schleif- und Krunkelbach

Am Schleif- und Krunkelbach, zwei Mittelgebirgsbächen am Feldberg im Hochschwarzwald, wurde im Frühjahr 2007 je eine Durchgängigkeitsmaßnahme durchgeführt. In beiden Fällen wurden bestehende Gewässerquerungen für Forstwege ökologisch verbessert, indem statt vorhandenen Betonrohren Rahmenbrücken eingebaut wurden.

Die zuständige Wasserbehörde betrachtete die geplanten Maßnahmen von vorneherein als Maßnahmen, die eine wesentliche Veränderung der Anlagen bewirken und deshalb nicht genehmigungsfrei durchgeführt werden könnten. Zur Erfüllung ihrer Kontrollfunktion reichte es der Wasserbehörde nicht, sich die Maßnahmen vor Ort und an Hand von Dokumenten zu anderen, ähnlichen Fallbeispielen erläutern zu lassen. Die Wasserbehörde verlangte einen förmlichen Antrag auf Genehmigung der geplanten Maßnahmen. Der Umfang der mit dem Antrag einzureichenden Unterlagen ergab sich aus einem von der Wasserbehörde ausgehändigten Verzeichnis:

  • Erläuterungsbericht, in dem das Vorhaben beschrieben wird (Notwendigkeit, technische Einzelheiten, untersuche Varianten, Eingriffe in Natur und Landschaft, Zeitpunkt der Bauausführung usw.)
  • Übersichtslageplan, Lagepläne in verschiedenen Maßstäben
  • Längs- und Querschnitte des Gewässers
  • Hydraulischer Nachweis
  • Bauwerkszeichnungen, Bauwerkspläne
  • Grundstücksverzeichnis, in dem die beanspruchten Grundstücke und die jeweiligen Eigentümer enthalten sind.

Bei der Bearbeitung der Unterlagen kam es mit der Wasserbehörde zu Diskussionen über den hydraulischen Nachweis für die geplanten Brücken. Durch den Träger der Maßnahmen wurde der Standpunkt vertreten, dass auf einen hydraulischen Nachweis verzichtet werden könne, da bestehende Anlagen durch Anlagen ersetzt würden, deren Durchflusskapazität weit größer sei. Dies würde sich alleine aus einem Vergleich des Bestandes mit den geplanten Brücken anhand von Bauwerkszeichnungen ergeben. Außerdem beträfen die Maßnahmen nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, sondern Waldwege in großen Waldgebieten, weit oberhalb von Siedlungen. Auch deshalb sei die Notwendigkeit einer strengen Beachtung von Mindestdurchflussmengen aus Gründen der Hochwassersicherheit und zum Schutz von An- und Unterliegern nicht zu erkennen. Die Untere Wasserbehörde schloß sich dieser Argumentation nicht an und bestand auf den hydraulischen Nachweis. Der Bescheid über die wasserrechtliche Erlaubnis der Maßnahmen hielt dann eine Überraschung bereit (s. Kasten).

Auszüge aus der wasserrechtlichen Entscheidung zum Fallbeispiel Schleif- und Krunkelbach

"... Sie haben mit Unterlagen vom 22.8.2006 den Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die Entfernung von Verrohrungen an Waldwegen und Ersetzen durch Wegbrücken als Rahmenbauwerke am Schleifbach und Krunkelbach gestellt.

Hierbei handelt es sich um Anlagen am Gewässer nach § 76 Wassergesetz für Baden-Württemberg. Diese Genehmigung kann erteilt werden, wenn bei Einhaltung der genannten Nebenbestimmungen von dem beabsichtigten Vorhaben eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit sowie erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für andere Grundstücke, Bauten oder sonstige Anlagen nicht zu erwarten sind.

Grundsätzlich wird dieses Vorhaben befürwortet, da sich durch die Beseitigung von bestehenden Verdolungen und dem Einbau von Wegbrücken in Rahmenkonstruktion der Gesamtzustand der betreffenden Gewässer verbessert. Die Durchgängigkeit und somit Durchwanderbarkeit für Kleinlebewesen wird wieder ermöglicht.

Wir stimmen dem Vorhaben darum zu. ... Standsicherheitsnachweise der Wegbrücken sind aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht zwingend erforderlich, da die Verkehrslasten nur für den Forstbetrieb von Bedeutung sind. Die beigefügte hydraulische Berechnung der Durchflussmenge der Brücken wurde nicht näher geprüft, da es inmitten des Waldes von untergeordneter Bedeutung ist, ob diese im Hochwasserfall überströmen oder nicht..."

Vergleicht man die Fallbeispiele Jakobsbrunnenbach und Schleif- und Krunkelbach hinsichtlich der Zuordnung der einzelnen Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung bzw. zum Gewässerausbau durch die jeweilige Wasserbehörde, wird zumindest einmal deutlich, wie fließend die Grenzen zwischen genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Maßnahmen sind. Betrachtet man die Durchgängigkeitsmaßnahme "überdimensioniertes Rohr" am Jakobsbrunnenbach und die Maßnahmen "Rahmenbrücke" am Schleif- und Krunkelbach, so sind sich diese Maßnahmen bezüglich Art und Umfang der Anlagenänderung so ähnlich (siehe Abbildungen), dass kaum nachzuvollziehen ist, weshalb die Maßnahme am Jakobsbrunnenbach im Zuge der Gewässerunterhaltung gestattet wurde, die am Schleif- und Krunkelbach aber als genehmigungspflichtig betrachtet wurde.

Abb. 3+4: Krunkelbach: Links vor und rechts nach der Maßnahme (Ansicht jeweils vom Unterlauf).

Empfehlung

Um möglichst viele Durchgängigkeits- bzw. Gewässerentwicklungsmaßnahmen an Fließgewässern im Wald im Rahmen der genehmigungsfreien Gewässerunterhaltung durchzuführen zu können, wird nach WBW (2008) folgendes Vorgehen empfohlen:

Es sind frühzeitig Abstimmungsgespräche zu führen, wobei anhand einfacher Skizzen oder Pläne das Vorhaben der Wasserbehörde, weiteren einzubeziehenden Fachbehörden und den Anliegern erläutert wird. Anregungen und Änderungen sollen offen aufgenommen und berücksichtigt werden. Wird beim Abstimmungsgespräch festgestellt, dass sich durch die geplante Maßnahme Wasserstand und Wasserabfluss nicht wesentlich verändern und in fremde Rechte nicht ohne Einverständnis eingegriffen wird, sollte in vielen Fällen auf ein Wasserrechtsverfahren verzichtet werden können. Der große Vorteil gegenüber einem förmlichen Wasserrechtsverfahren besteht bei diesem Vorgehen darin, dass der Aufwand für alle Betroffenen auf ein Minimum reduziert wird, ohne auf eine gegenseitige Anhörung zu verzichten.

Tab. 2: Zuordnung von Durchgängigkeits- bzw. Gewässerentwicklungsmaßnahmen für Fließgewässer im Wald zum Gewässerausbau oder zur Gewässerunterhaltung.

Literatur

    • CZYCHOWSKI, R., REINHARDT, M. (2007): Wasserhaushaltsgesetz. Kommentar. 9. Aufl. 1495 S., München
    • JÜRGING, P., PATT, H. (2005): Fließgewässer und Auenentwicklung, Grundlagen und Er-fahrungen. 523 S., Springer-Verlag, Berlin
    • LfU = Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (1996): Rechtsgrundlagen der Gewässerunterhaltung – Teil 1 Überblick. Handbuch Wasser 2, 39 S., Karlsruhe
    • WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung (2008): Unterschied zwischen Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen an Gewässern. Mit CD ROM. 35 Euro,
    • Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) vom 3. Dezember 2013. Abgerufen unter http://www.landesrecht-bw.de mit dem Stand: letzte berücksichtigte Änderung vom 28. November 2018 (GBl. S. 439, 446)
    • Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31. Juli 2009. Abgerufen unter www.gesetze-im-internet.de mit dem Stand. Letzte berücksichtigte Änderung vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2254)