Die in den aktuellen Untersuchungen ausgewerteten Daten betreffen die Naturwaldzellen (NWZ), über die noch keine bestandesgeschichtlichen Daten vorliegen. Für 58 NWZ hat die damalige Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung (LÖLF) NRW zwischen 1975 und 1990 erste Erhebungen zur Waldgeschichte in fünf Heften ihrer Schriftenreihe veröffentlicht.1  Nun wurden für 17 weitere Gebiete wald-/forstgeschichtliche Daten erhoben. 


1 LÖLF NRW (Hg.), 1975-1990: Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen: Teil I bis Teil V. LÖLF NRW, Düsseldorf.

 

 

Quellen und Literatur

Die Wald- und Forstgeschichte kann auf mannigfaltiges Material zurückgreifen. Allein die verfügbaren gedruckten und archivalischen Quellen besitzen mit teils detaillierten Angaben über biotische und abiotische Einflüsse auf den Wald einen hohen Informationswert. Zudem wurden viele dieser Quellen periodisch verfasst. Das erlaubt die Rekonstruktion der Bestandsgeschichte von Waldgebieten über größere Zeiträume hinweg.

Für die Erfassung der historischen Basisdaten der Naturwaldzellen wurden folgende Quellen und Unterlagen ausgewertet: 

  • verfügbare historische Forsteinrichtungsunterlagen inklusive der zugehörigen Karten,
  • historische topographische Kartenwerke, wie die Kartenaufnahme der Rheinlande 1:25.000 (Tranchot/v. Müffling), die Preußische Kartenaufnahme 1:25.000 – Uraufnahme (1836-1850), die Karte des Fürstenthums Lippe 1:25.000 (1881-1883) und die Preußische Kartenaufnahme 1:25.000 – Neuaufnahme (1877-1912);
  • historische Luftbilder und Luftbildpläne der 1920er- bis 1960er-Jahre aus den Beständen des Landesarchivs NRW, des Geoportals Ruhr und der Forstlichen Dokumentationsstelle im Zentrum für Wald und Holzwirtschaft (FoDoS);
  • Geobasisdaten der Vermessungs- und Katasterverwaltung NRW;
  • Geodatensätze von Wald und Holz NRW;
  • aktuelle forstliche Betriebsunterlagen;
  • ergänzend weitere archivalische Quellen (v.a. historische Waldbeschreibungen);
  • vereinzelte Angaben aus der Literatur.

Da gut die Hälfte der untersuchten NWZ außerhalb des Staatswaldes liegen, ist die historische Überlieferung dort lückenhaft bzw. die Quellen weiter gestreut. Daher konnten aufgrund der begrenzten Auftragsressourcen zunächst nur vereinzelt Unterlagen aus Kommunal- und Privatarchiven herangezogen werden.
 

Aufbau der Untersuchung

Aus Erkenntnissen bisheriger Untersuchungen wurden als Grundlage für die Erhebungen bestimmte Zeitscheiben definiert. Die Auswahl fiel auf Material:

  • vor 1800 (sofern ohne größeren Aufwand zu beschaffen),
  • aus den historischen Forsteinrichtungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts,
  • aus dem Zeitraum um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, 
  • der 1950er-/1960er-Jahre.

Dieser Zuschnitt stellt den Idealfall dar. Insbesondere bei den NWZ, die auf privatem bzw. kommunalem Grund liegen, weist die Überlieferung meist Lücken auf bzw. reicht häufig nicht so weit zurück.  

Die Ergebnisse der Erhebungen werden durch einen einführenden Textteil zur Waldbesitzgeschichte und einer Schilderung der eigentlichen Bestandesgeschichte (Angaben über den Bodenzustand sowie die Beschaffenheit des Holzbestandes) dargestellt. Ergänzt werden diese Angaben je nach Quellenlage durch allgemeine Schilderungen der Waldverhältnisse aus der zeitgenössischen Literatur oder aus unveröffentlichtem Material. Dies betrifft insbesondere Naturwaldzellen, über deren Flächen keine abteilungsscharfen Beschreibungen vorliegen oder aber die Betriebswerke selbst fehlen. 
 
Den schriftlichen Ausführungen folgen einige Kartenteile: Ausschnitte aus den historischen topographischen Karten – jeweils mit dem hinterlegten Layer der Naturwaldzellen –, den historischen Forsteinrichtungskarten (sofern verfügbar) sowie in seltenen Fällen auch anderen historischen Karten. 

Der Aufbau der Untersuchung ist offen angelegt, sodass weitere historische bzw. auch sonstige Angaben, Untersuchungsergebnisse etc. für jede NWZ jederzeit ergänzt werden können. Die erhobenen Daten stellen keine Auswertung oder Interpretation der jeweiligen Waldgeschichte dar. 
 

Beispiele

Historische Waldbeschreibungen enthalten nicht nur Informationen über den ehemaligen Waldbestand, sondern manchmal auch über die Nutzungshistorie, große Naturereignisse oder sogar Provenienzen angebauter Baumarten. Wie das Beispiel aus dem Hochwald – Teile davon gehören heute zur Naturwaldzelle Hochwald II – im ehemaligen Forstamt Xanten dokumentiert, war dieser Wald offenbar nicht wie seinerzeit oft üblich mit umfangreichen Weiderechten belastet. Der Hinweis auf hohe Anteile an „Eichen-Büchen-Birken-Unterholtz“ deutet auf nicht geringe Niederwaldflächen hin.

Der Hochwald im Jahr 1781

„§ 36. Das Nachtigallsche Revier
[...] bestehet aus dem Hohen Walde, groß [...] 1090 Morgen 234 R[uthen].  [...]
Es bestehet dieses Revier größtentheils aus Eichen-Buchen-Birken-Unterholtz, so zur Hälfte in gutem Wachsthum stehet, besonders wo es noch durch Oberholtz vor den Frühjahrsreifen beschützet wird. Auch sind noch ohngefähr 300 bis 400 Stück starke Bäume vorhanden, mehrentheils Eichen, von 80 bis 100 Jahren, die zum Theil zu Bauholtz taugen, zum Theil aber nur zu Brenn Holtz; 
überhaupt hat sich dieser Wald in den bisherigen Schonungsjahren an Unterholtz desgleichen auch an jungen erwachsenen Oberholtz sehr verbeßert, da solcher nicht mit großen Viehtriften beschweret gewesen, auch nicht so viel von Holtzdiebereyen zu leiden und nur allein die Frühjahrs Fröste zu überwinden gehabt hat; indeßen dieser Wald auch noch jährlich zum Monrebergschen Forst-Etat das meiste beyträgt. 
Der Wuchs des Holtzes ist zur Hälfte schlecht, wie denn auch der Grund mehrentheils kalt und lehmigt, an einigen Orten auch sandig und steinig ist“.

(Aus einer Beschreibung von den Forsten des Herzogtums Kleve und Fürstentums Meurs aus dem Jahr 1781, in: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Kleve-Kammer, Nr. 2832; Abschrift in FoDoS, Nachlass Hesmer, Nr. 2)

Fehlen schriftliche Darstellungen, können oft ältere Forstbetriebskarten weiterhelfen (s. Abb. 4). Da aus den 1830er-Jahren keine Waldbeschreibung des Hochwaldes vorliegt, kann eine alte Wirtschaftskarte einige Informationsdefizite ausgleichen. Im vorliegenden Fall des Hochwaldes lässt besonders die Schlageinteilung im unteren Bereich der gewesteten Karte auf einen Niederwaldbetrieb schließen.

Manchmal gewähren die Quellen Einblicke in noch weiter zurückliegende Zeiten. Für den Brachter Wald (NWZ 63) beschreibt ein Schriftstück aus dem Jahre 1637 offensichtlich noch die Reste einer Waldlandschaft, die sogar durch entsprechende Maßnahmen noch "auff und in beßerm standt gebracht" werde sollte. Anscheinend war das Gebiet zu dieser Zeit noch mit Wald bestockt, bevor es später teils mit Heidemooren und Binnendünen überzogen wurde. 
Letztere werden heute oft als „ursprüngliche“ Vegetation angesehen, was aber nur bedingt richtig ist. Denn diese Landschaft war nichts anderes als ein aufgrund menschlicher Übernutzung (Plaggenentnahme, Waldweide, Brennholznutzung) v.a. im 17. und 18. Jahrhundert hinein entstandene Heide- und Sanddünenlandschaft. Sie ist dann im 19. und 20. Jahrhundert vorwiegend mit Kiefern aufgeforstet worden. Somit war der Brachter Wald in den letzten Jahrhunderten ein Wald, dann eine Heide und schließlich wieder ein Wald.
 

Am 9. September 1637 schrieb der Jülicher Herzog an den Grafen von Schaesberg wegen des Brachter Waldes im Amt Brüggen (am Niederrhein): 
"Nachdem Wir bey Unserm jetzigen anwesen alhier im augenschein befunden, daß der in Unserm hiesigen ambt gelegener Brachterwaldt gahr in Undergang gerathen, gleichwoll aber sich daß junge holtz zimblich wieder herfur thutt, so mit der Zeit wiederumb auffwachßen kan unnd dan so woll Unß und Unser Wildtbahn alß auch den jenigen, so darauff daß ius lignandi [Holzrecht] haben mögen, darahn gelegen, daß geruhrter Waldt, wiederumb auff und in beßerm standt gebracht werde, alß befehlen Wir euch, daß ihr darahn seyet und ernstlich verbiethen laßet, daß zu beßerer auffwachßung deß gehöltz kein Viehe oder Schaff in dießen Waldt auff etliche Jahr lange und biß er wiederumb in gutten wolstandt gebracht, getrieben werde." 

(Teils normalisiert nach den Regeln der heutigen Rechtschreibung. Quelle: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Jülich-Berg II AA 0031, Nr. 3295; Briefwechsel mit dem Grafen von Schaesberg; Abschrift in FoDoS, Nachlass Hesmer, Nr. 16)