Bergwälder haben eine große Bedeutung für diverse Ökosystem-Dienstleistungen. Dazu zählen die Speicherung von CO2, die Bereitstellung von Wasser und Holz oder der Schutz vor Naturgefahren wie beispielsweise Steinschlag und Lawinen. Darüber hinaus bieten die Bergwälder der Bayerischen Alpen zahlreichen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten einen wertvollen Lebensraum. Veränderte klimatische Bedingungen stellen das Ökosystem Bergwald allerdings vor große Herausforderungen. Die Bergwälder im Alpenraum sind von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen. In den Ostalpen stieg die Temperatur in den letzten 100 Jahren um knapp 2 °C an. Im Vergleich dazu waren es global nur circa 0,8 °C.
Auch die Prognosen für die kommenden 50 Jahre sagen für die Alpen eine doppelt so hohe Erwärmung voraus wie für das angrenzende Tiefland. Diese Veränderungen lassen massive Auswirkungen auf die Ökosysteme und Lebensgemeinschaften der Bergwälder erwarten. Da unterschiedliche Arten nicht in derselben Weise und Geschwindigkeit auf klimatische Veränderungen reagieren, werden sich die Artengemeinschaften unserer Bergwälder aller Voraussicht nach wandeln und möglicherweise völlig neu organisieren. Vor diesem Hintergrund ist es notwendiger denn je, die Auswirkungen einer Temperaturerhöhung auf die Arten und Artengemeinschaften zu untersuchen, um Prognosen über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Artenzusammensetzung der Bergwälder ableiten zu können.
Projekt Höhengradient
Im Rahmen des Projekts »Auswirkungen des Klimawandels auf Diversität und Struktur von Gebirgswäldern im Bayerischen Alpenraum« wurden im Werdenfelser Land zwei Höhengradienten eingerichtet, die jeweils von der montanen bis in die subalpine Stufe reichen.
Ein Höhengradient befindet sich im Naturwaldreservat Jakelberg und der darüber befindlichen Naturwaldflächen; er repräsentiert die südexponierten und damit wärmebegünstigten Lagen. Der zweite Gradient umfasst die überwiegend nordexponierten Hänge der Reservate Schrofen und Wettersteinwald sowie dazwischenliegende Naturwaldflächen.
Entlang des Sonnseiten-Gradienten wurden zwischen 850 und 1.640 m ü. NHN insgesamt 20 Probeflächen eingerichtet. Auf den Schattseiten befinden sich 28 Probeflächen mit einer Höhenerstreckung von 900 bis 1.800 m ü. NHN. Auf diesen insgesamt 48 Flächen erfolgt eine Kartierung der Waldstruktur (lebender Bestand, Totholz, Verjüngung), der Bodenvegetation, der Vögel sowie der Arthropoden. Um Informationen zum Mikroklima zu erhalten, wurden auf jeder Versuchsfläche zudem zwei Temperaturlogger platziert. Eine Kamerafalle am Probepunkt erfasst das Vorkommen weiterer Tierarten (z. B. Rauhfußhühner, Säugetiere). Die Kartierungen entlang der Höhengradienten sollen insbesondere dazu genutzt werden, die Anpassungen verschiedener Arten und Artengruppen bzw. Lebensgemeinschaften an künftige Klimabedingungen zu prognostizieren.
Strukturen ändern sich mit der Höhe
Die Aufnahme der Waldstrukturen auf den Probeflächen fand zum überwiegenden Teil im Jahr 2021 statt, 2022 folgt dann die Erfassung der Biodiversität. Insofern sind erste Aussagen möglich, wie sich die Waldstrukturen entlang der zwei Höhengradienten verändern. Erwartungsgemäß variiert die Baumartenzusammensetzung auf den Versuchsflächen über die Höhenstufen. Auf den steilen Südhängen des Naturwaldreservats Jakelberg werden die unteren Lagen (bis circa 1.000 m ü. NHN) durch Fichte, Buche, Tanne und Bergahorn geprägt. Zwischen 1.000 und 1.500 m ü. NHN treten Tanne und Bergahorn als Mischbaumarten zurück, sie werden auf den dort vergleichsweise flachgründigen, trocken-warmen Standorten häufig durch die Kiefer ersetzt. Auf den höchstgelegenen Flächen des Gradienten dominiert schließlich die Fichte (Abbildung 3). Aus vegetationskundlicher Sicht sind die Probeflächen entsprechend dem mäßig frischen bis mäßig trockenen Carbonat-Bergmischwald (Aposerido-Fagetum; tiefe und mittlere Lagen) bzw. dem tiefsubalpinen Carbonat-Fichtenwald (Adenostylo-Piceetum; Hochlagen) zuzuordnen.
Die eher nordexponierten Hänge des Schattseiten-Gradienten (Naturwaldreservate Schrofen und Wettersteinwald) sind über weite Strecken durch einen mäßig frischen Bergmischwald aus Fichte, Tanne, Buche und Bergahorn gekennzeichnet, wobei mit zunehmender Höhenlage die Anteile der Fichte vor allem zu Lasten der Tanne zunehmen. Ab circa 1.400 m ü. NHN lösen tiefsubalpine Carbonat-Fichtenwälder die Bergmischwälder ab. Diese gehen ab 1.600 m ü. NHN in einen Zirbenwald (Vaccinio-Pinetum cembrae) mit Zirbe als Haupt- und Fichte als Nebenbaumart über (Abbildung 3). Die für diesen Waldtypus eigentlich typische Lärche fehlt in diesem Gebiet weitestgehend.
Die Baumartendiversität in den untersuchten Naturwaldreservaten nimmt mit zunehmender Höhe ab (Abbildung 4). Dieser Zusammenhang gilt gleichermaßen für den Sonn- wie für den Schattseiten-Gradienten und spiegelt den Übergang von den baumartenreicheren Bergmischwäldern zu den baumartenärmeren subalpinen Nadelwäldern wider. Hierfür wurde ein Diversitätsindex berechnet, der nicht nur die Baumart, sondern auch den Brusthöhendurchmesser (BHD) berücksichtigt. Er gibt die Anzahl an Kombinationen aus Baumart und BHD wieder und ist somit ein kombiniertes Maß für die Arten- und Strukturvielfalt des lebenden Baumbestands.
Unterschiede wurden hingegen bei der Totholzmenge und der Grundfläche des lebenden Bestandes beobachtet. Während die beiden Parameter auf den Südhängen keine Änderung über die Höhe zeigten, war auf den Schattseiten jeweils eine Abnahme mit zunehmender Höhe zu verzeichnen. Hierbei ist zu beachten, dass die Werte zwischen 800 und 1.600 m ü. NHN relativ gleichmäßig gestreut sind und erst ab 1.600 m ü. NHN stark abnehmen. Der Rückgang von Totholzmenge und Bestandesgrundfläche auf den Schattseiten resultiert vor allem aus dem dortigen Vorkommen der hochsubalpinen Lärchen-Zirbenwälder, die ab 1.600 m ü. NHN die totholz- und grundflächenreicheren Fichtenhochlagenwälder ablösen.
Unterschiede zwischen Sonn- und Schattseiten
Dass es Unterschiede in der Waldstruktur zwischen Nord- und Südhang gibt, geht zum einen aus der Baumartenzusammensetzung der Versuchsflächen (siehe oben) hervor. So sind die wärmebegünstigten Sonnseiten vor allem in den mittleren Lagen durch das Vorkommen der Waldkiefer gekennzeichnet, während für die Hochlagen der Schattseiten das Auftreten Zirben-geprägter Bestände charakteristisch ist. Zum anderen unterschied sich das Angebot an stehendem und liegendem Totholz zwischen den zwei Gradienten signifikant, wobei die trockeneren und wärmebegünstigten Südhänge im Schnitt deutlich höhere Totholzmengen aufwiesen (Abbildung 5). Als Grund hierfür wird unter anderem eine höhere Baummortalität (z.B. durch Borkenkäferbefall) auf diesen Standorten, die zu phasenweiser Trockenheit neigen, angenommen. Baumartenvielfalt, Grundfläche des lebenden Bestandes sowie Stammzahlen weisen hingegen kaum Unterschiede zwischen Sonn- und Schattseiten auf.
Wie geht es weiter?
Das Projektjahr 2022 wird insbesondere dazu genutzt, die Artenzusammensetzung und -vielfalt auf den Probeflächen zu untersuchen. Für die Erfassung der Gliederfüßer (Arthropoden) kommen Kreuzfensterfallen (Fang flugaktiver Arten; Abbildung 6) sowie Bodenfallen zur Anwendung, wobei die Fangperiode von etwa Anfang Mai bis Mitte August dauert. Die Bestimmung der Fänge erfolgt überwiegend über eine automatische Gensequenzierung der gewonnenen Sammelproben.
Die Vogelarten werden auf ein Hektar großen Rasterfeldern mittels kombinierter Punkt-Stopp-Revierkartierung erfasst, die 48 Probeflächenmittelpunkte stellen das Zentrum des jeweiligen Rasterfelds dar. Dabei werden alle optischen und akustischen Artnachweise möglichst punktgenau dokumentiert. Diese Kartierung fand in drei Durchgängen zwischen Anfang Mai und Ende Juni statt.
Die Kartierung der Waldbodenpflanzen erfolgt einmalig während der Vegetationszeit in Anlehnung an das Standardverfahren von Braun-Blanquet auf 314 m² großen Probekreisen. Erfasst werden alle Gefäßpflanzen und bodenbewohnenden Moose mit ihren jeweiligen Deckungsgraden sowie die Höhe und Gesamtdeckung der verschiedenen Vegetationsschichten.
Die Arterfassungen entlang der zwei Höhengradienten bilden die Grundlage, um den Einfluss der sich mit der Höhe ändernden Temperaturen bzw. Waldstrukturen auf das Vorkommen einzelner Arten zu untersuchen. Diese Zusammenhänge ermöglichen eine Voraussage klimawandelbedingter Änderungen in der Artenzusammensetzung. Naturwaldreservate bieten hierfür optimale Voraussetzungen, da die Bewirtschaftung als weiterer Einflussfaktor ausgeschlossen ist. Darüber hinaus dienen die Probeflächen künftig als Monitoringflächen für eine langfristige Beobachtung von Biodiversitätsveränderungen in der Bergwaldstufe der Bayerischen Alpen.
Zusammenfassung
Im Rahmen des Projekts werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Struktur und Artenzusammensetzung der Bergwälder im Bayerischen Alpenraum untersucht. Dazu wurden zwei Höhengradienten (montan bis [hoch]subalpin) in drei Naturwaldreservaten eingerichtet, entlang derer man 2021 zunächst die Waldstruktur erfasste. Erste Datenauswertungen zeigen Änderungen der Baumartenzusammensetzung und -diversität sowie der horizontalen Bestandesstruktur. Zudem ergaben sich Unterschiede zwischen den Nord- und Südhängen. 2022 wird die Artenzusammensetzung ausgewählter Indikatorgruppen ermittelt, um Beziehungen zwischen dem Vorkommen der Arten und ausgewählten Umwelt- und Strukturparametern abzuleiten. Die Erkenntnisse ermöglichen die Voraussage klimawandelbedingter Änderungen in der Artenzusammensetzung.
Das Projekt klifW007 »Auswirkungen des Klimawandels auf Diversität und Struktur von Gebirgswäldern im Bayerischen Alpenraum« (Laufzeit: 01.04.2021 - 31.03.2024) wird vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert.