Das Bannwaldmonitoring ist das wichtigste Instrument zur Beobachtung und Erforschung von natürlicher Waldentwicklung in Baden-Württemberg. Welche Ziele verfolgt die FVA mit dem Bannwaldmonitoring und wie ist es aufgebaut?
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Abb. 2: Mit Hilfe von Luftbildern können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FVA Waldstrukturen über große Flächen hinweg erkennen und zuordnen. (Foto: FVA/Kuß)
Wie entwickeln sich Gebiete, die dem Prozessschutz unterliegen? Diese Frage soll unter anderem das Bannwaldmonitoring beantworten: In langfristig angelegten Zeitreihen werden Daten in Bannwäldern und Biosphärengebiets-Kernzonen in Baden-Württemberg erhoben und ausgewertet. Die Ergebnisse aus dem Bannwaldmonitoring sind von besonderem Interesse, weil sie die natürliche Waldentwicklung ohne den Einfluss der menschlichen Bewirtschaftung abbilden können. Mit Hilfe dieser Informationen gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FVA unterschiedlichen Fragestellungen nach.
Ein aktuelles Beispiel für Forschungsansätze im Bereich Naturwaldforschung ist das Thema Artvorkommen und Waldstrukturen. Wie hängen diese beiden Faktoren zusammen? Welchen Einfluss hat Prozessschutz auf die Biodiversität? Welche Arten können als Indikatoren für natürliche Waldstrukturen fungieren? Die Erkenntnisse aus der Bannwaldforschung dienen dem besseren Verständnis und dem Schutz der Biodiversität in Wäldern.
Ein weiterer Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung in Bannwäldern ist an der FVA die Methodenentwicklung im Bereich der Luftbildinterpretation. Terrestrische Daten aus dem Bannwaldmonitoring können als Kalibrierungs- und Validierungsgrundlage dienen, um Ergebnisse der Luftbildinterpretation zu testen und zu optimieren. Auf diese Weise werden neue Methoden entwickelt, mit denen automatisiert und großflächig Informationen über Struktur und Zusammensetzung der Wälder in Baden-Württemberg gesammelt werden können. Das sind zum Beispiel Werkzeuge zur Erkennung von Lücken oder Totholz mit Hilfe von Stereo-Luftbildern (Abb. 2).
Die Informationen aus dem Bannwaldmonitoring dienen nicht nur der Naturwaldforschung in Baden-Württemberg. Im Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Bundesländern werden Fragestellungen bundesländer-übergreifend untersucht, beispielsweise wie sich Waldgesellschaften in Abhängigkeit von sich ändernden klimatischen Bedingungen entwickeln. Langfristig können daraus Anpassungsstrategien für den Klimawandel abgeleitet werden.
Die Liste der Anwendungsgebiete für Informationen aus dem Bannwaldmonitoring ließe sich beliebig fortführen. Eine besondere Herausforderung hierbei besteht in der Langfristigkeit der Forschungsaufgabe: Die Anforderungen an das Bannwaldmonitoring heute unterscheiden sich wesentlich von früheren Herangehensweisen und die Zukunft bringt sicher wieder neue Fragestellungen und Themenschwerpunkte mit sich.
Wie funktioniert das Bannwaldmonitoring?
Abb. 3: Ein dauerhaft vermarkter Stichprobenpunkt im Gelände. (Foto: FVA/Ballenthin)
Abb. 4: Ein leuchtender Punkt im Grünen – Ein Mitarbeiter der FVA beim Aufsuchen von Stichprobenpunkten (Foto: FVA/Ballenthin)
Die aktuelle Monitoring-Methode wird seit 1993 angewandt. Die Ansprüche an das Monitoring-Programm sind hoch: Es muss vergleichbare Daten über einen langen Zeitraum liefern, gleichzeitig aber den sich wandelnden Fragestellungen gerecht werden. Dies erfordert eine ständige Anpassung der Aufnahmemethodik, die auch neue Technologien integriert, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Datenkonsistenz: eine Herausforderung!
Der grundlegende Aufbau der Aufnahmemethode bleibt immer gleich: In den Untersuchungsgebieten wird zunächst ein gleichmäßiges Raster von Stichprobenpunkten angelegt. Jeder Stichprobenpunkt umfasst eine Fläche von 0,1 Hektar auf der Ebene, das heißt am Hang wird der Kreisradius der Stichprobenpunkte entsprechend vergrößert. Die einzelnen Stichprobenpunkte werden dauerhaft markiert (Abb. 3), sodass sie auch nach Jahrzehnten mit Hilfe des Stammverteilungsplanes und einem im Boden versenkten Magneten wieder auffindbar sind (Abb. 4). Damit ist gewährleistet, dass die Datenerhebungen in einem Gebiet immer an denselben Punkten vorgenommen werden und vergleichbar sind. Soweit möglich werden seit 2013 auch die einzelnen stehenden Bäume identifiziert und entsprechend ihrer Nummer den Individuen der Voraufnahme zugeordnet. So können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Werdegang einzelner Bäume nachvollziehen und Daten wie Mortalität und Zuwachs exakter berechnen.
An den Stichprobenpunkten werden Informationen zu der Aufnahmefläche, zu stehenden und liegenden Bäumen sowie zum Jungwuchs gesammelt. Die Aufnahmeteams ermitteln die Hangneigung und besondere Geländestrukturen sowie Informationen zur vertikalen und horizontalen Bestandesstruktur. Alle stehenden Bäume auf der Stichprobenfläche werden eingemessen, sodass nach der Datenerhebung möglichst exakte Koordinaten für die einzelnen Bäume zur Verfügung stehen. Die Aufnahmeteams differenzieren stehende Bäume nach Baumart und Vitalität und sammeln wichtige Hinweise zu besonderen Habitatstrukturen wie zum Beispiel das Vorkommen von Höhlen. Zusätzlich ermitteln sie Lage und Volumen von liegenden Bäumen, meistens handelt es sich dabei um abgestorbenes und umgefallenes Holz. Auf sogenannten Satellitenkreisen von 1,78 m Durchmesser innerhalb der Stichprobenfläche geben die Aufnahmeteams Anzahl, Höhe, Deckung und Verbiss aller vorkommenden Baum- und Straucharten mit einem Brusthöhendurchmesser von weniger als sieben Zentimetern an. Für die gesamte Stichprobenfläche werden Schätzwerte für das Vorkommen von Jungwuchs angegeben. Auf diese Weise entsteht ein sehr detailliertes Bild von dem vorkommenden Baum- und Strauchbestand und seiner räumlichen Lage auf den Stichprobenflächen.
In einer aktuellen Überarbeitung der Aufnahmemethode haben Mitarbeitende der FVA Attributklassen durch kontinuierliche Werte ersetzt, die statistisch besser ausgewertet werden können. Außerdem sind Attribute entfallen, die in den Auswertungen nicht verwendet wurden und eine geringe Aussagekraft haben. Hinzugefügt wurde die Möglichkeit, besondere Geländemerkmale wie Felsen oder Gewässer zu nennen. Im Ergebnis ist die Aufnahmemethode übersichtlicher geworden; sie bildet jetzt die Anforderungen an die Auswertungsmöglichkeiten besser ab.
Was sind Ziele für die Zukunft?
Bei den Auswertungen von Daten aus dem Bannwaldmonitoring gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FVA konkreten Fragestellungen nach und nehmen dafür häufig mehrere vergleichbare Gebiete in den Blick. Die Verwendung der Daten verschiebt sich immer mehr von einer einzelgebietsbezogenen Betrachtung hin zu überregionalen Auswertungen. Für diesen Zweck werden neue Auswerteroutinen entwickelt und angewendet.
Gleichsam rücken neue Attribute in den Fokus, die bisher in der Aufnahmemethode nicht berücksichtigt werden konnten. Diese Entwicklung soll fortgeführt werden zum Beispiel mit zusätzlichen Informationen zur Krautvegetation.
Derzeit gibt es 143 ausgewiesene Bannwälder und Kernzonen in Baden-Württemberg, in 82 davon wird ein Waldstrukturmonitoring durchgeführt (Stand 31.12.2015). Neue Prozessschutzgebiete werden in naher Zukunft ausgewiesen, auch um nationale und internationale Zielsetzungen zu erreichen. Bei der Neuausweisung von Bannwäldern sollen zum einen repräsentative Gebiete in Bezug auf die Naturräume, vorkommenden Waldgesellschaften und Höhenstufen ausgewählt werden. Zum anderen sollen potenzielle Prozessschutzflächen ein hohes naturschutzrelevantes Potenzial aufweisen, hierbei werden Bestandesalter, Naturnähe der Baumartenzusammensetzung, strukturelle Aspekte, Artenvorkommen sowie Habitattradition bewertet. Die räumliche Vernetzung bestehender Gebiete ist ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Neuausweisung von Prozessschutzgebieten. Die Suchkulisse für neue Bannwälder wird derzeit mit Hilfe mathematischer Algorithmen hergeleitet. Ziel ist eine Kombination von Flächen, mit denen alle beschriebenen Kriterien bestmöglich erfüllt sind.
Mit den Neuausweisungen wird die Zahl der potenziell zu untersuchenden Flächen weiter steigen. Das Bannwaldmonitoring auf allen bestehenden und zukünftigen Flächen zu implementieren, wäre sehr aufwendig und wenig ergebnisorientiert. Viele Flächen sind zu klein und die Randeinflüsse zu groß für eine sinnvolle Datenerhebung. Für intensive wissenschaftliche Datenerhebungen werden deshalb zukünftig prioritäre Gebiete bestimmt, die aufgrund ihrer Größe, Struktur und Geschichte besonders wertvolle Informationen liefern können. Diese Prozessschutzgebiete sollen einen Schwerpunkt für die wissenschaftliche Forschung bilden. Ergänzend zu dem regulären Bannwaldmonitoring finden hier in Zukunft auch faunistische Untersuchungen statt, um Datengrundlagen zu möglichen Zusammenhängen zwischen besonderen Waldstrukturen und dem Vorkommen gefährdeter Arten zu gewinnen.
Unabhängig von der Forschungsaufgabe dienen alle Bannwälder und Kernzonen dem Naturerleben und der Umweltbildung und erfüllen eine wesentliche Aufgabe als Lebens- und Rückzugsraum für bedrohte Arten. Mit der Forschung und insbesondere dem Bannwaldmonitoring gibt es die Möglichkeit, über Jahrzehnte hinweg größeres Wissen und ein besseres Verständnis darüber zu gewinnen, welche Prozesse in einem naturnahen Wald ablaufen und welchen Einfluss dies auf die Biodiversität im Wald haben kann.