Vegetationsfreie Flächen mit Flachwassertümpeln sind typische Lebensräume natürlicher Flussauen. Durch Hochwasser entstehen sie jedes Jahr an anderen Stellen. Gelbbauchunke, Kreuz- und Wechselkröte sind Pionierarten, die sich nur in solchen dynamischen Lebensräumen fortpflanzen können und sie mit fortschreitender Vegetationsentwicklung wieder verlassen. Durch den Ausbau der Flüsse sind die natürlichen Habitate dieser Arten fast vollständig verloren gegangen.
Abb. 2: Gelbbauchunke. (Fotos: Thomas Reich)
Als Ersatzlebensraum dienen heute noch vielfach Kies- und Tongruben. Sobald der Abbau beendet ist, verschwinden mit den Rohbodengewässern auch die daran angepassten Arten und können nur noch mit "musealem" Naturschutz auf Kleinflächen erhalten werden. Neben den Abbaugebieten sind militärische Übungsplätze ein zweites wichtiges Refugium für die Arten früher Pionierstadien. Panzerketten leisten ebenso gründliche Arbeit bei der Zerstörung der Vegetation wie die Bagger beim Abbau von Kies oder Ton. Auch in Baugebieten sind die genannten Arten immer wieder zu beobachten. Insgesamt jedoch leiden die Rohbodenpioniere unter einem schwindenden Angebot an Lebensräumen und stehen deshalb in den Roten Listen.
Im kleinen Maßstab sind diese Habitate auch in Fahrspuren im Wald vorhanden (Abb. 1, 3 und 4). Hier entstehen ebenfalls flache Pfützen auf Rohbodenflächen und somit Lebensräume für Pionierarten, vor allem für die Gelbbauchunke (Abb. 2). Einige weitere Amphibienarten wie Feuersalamander, Grasfrosch, Berg- und Fadenmolch sind ebenfalls oft schon im ersten Jahr des Entstehens dort anzutreffen. Plattbauchlibellen und Ringelnattern, Rückenschwimmer und Wasserkäfer gehören regelmäßig zu den ersten Gästen in den neu entstandenen Biotopen. Während die ökologische Bedeutung der großflächigen "Schmuddelecken" wie Kiesgruben und Truppenübungsplätzen vom Naturschutz schon lange anerkannt wird, gelten zerfahrene Rückegassen zumeist ausschließlich als Symbol für eine rücksichtslose Forstwirtschaft – ihre Funktion als Lebensraum wird nicht gesehen.
Gelbbauchunke braucht frische Kleingewässer
Die Gelbbauchunke gehört zu den streng geschützten Arten. Sie steht als "stark gefährdet" in den Roten Listen und ist in der FFH-Richtlinie aufgeführt. Baden-Württemberg liegt im Verbreitungszentrum dieser Art und hat deswegen für ihre Erhaltung eine besonders große Verantwortung.
Die Fortpflanzung der Gelbbauchunke erstreckt sich über das ganze Frühjahr und den Sommer (April-August). In dieser Zeit gibt es mehrere Laichperioden, die vom Wasserstand in den Pfützen und damit von Regenfällen abhängig sind. Es besteht dabei keine ausgeprägte Bindung der Tiere an ein Gewässer. Bei ausreichender Luft- und Bodenfeuchte wandern die Unken, um neu entstandene, vegetationsfreie Pfützen und Kleingewässer zu besiedeln. Hier laichen sie in kleinen Ballen mit circa 20 Eiern pro Saison insgesamt bis zu 300 Eier ab. Für die Entwicklung der Eier und Larven spielt die Temperatur eine wichtige Rolle, daher werden besonnte Pfützen bevorzugt, die sich schnell erwärmen. Allerdings droht ständig auch das Austrocknen des Gewässers.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Fressfeinde von Laich und Kaulquappen. Nur Pioniergewässer sind ohne Feinddruck auf die geringe Nachkommenschaft. Im zweiten Jahr befinden sich auch in Kleinstgewässern meist schon Libellenlarven, die sich von den wenigen Kaulquappen ernähren. Die Entwicklung vom Ei bis zur Metamorphose dauert abhängig von der Temperatur zwischen ein und zwei Monaten. Durch diese Strategie, zu wandern und immer wieder an verschiedenen Stellen zu laichen, versucht die Gelbbauchunke, das Risiko für ihren Nachwuchs zu streuen. Fahrspuren sind im ersten Jahr ein Pioniergewässer ohne Vegetation und Prädatoren und werden deshalb gerne von den Unken zur Reproduktion genutzt. Das unkalkulierbare Auftreten an alljährlich wechselnden Standorten haben sie mit den Hochwassertümpeln gemeinsam und stellt für die Tiere kein Hindernis dar.
Abb. 5: Amphibientümpel neben der Rückegasse – Pflege durch Befahrung.
In Wäldern mit "weichen" Böden wie im Keuper wird durch Rücksichtnahme auf die Witterung und den Einsatz bodenschonender Maschinen versucht, die Fahrspurbildung möglichst zu verhindern. Das funktioniert aber nie auf der ganzen Fläche – es kommt immer wieder vor, dass bei der Holzbringung die ungewollten Pfützen und Verdrückungen entstehen. Solche Spuren werden so rasch wie möglich beseitigt, um Konflikte mit der Öffentlichkeit zu vermeiden. Dies geschieht oft im ungünstigsten Moment, wenn nach der Holzerntesaison im Sommer der Boden abgetrocknet ist. Mittlerweile haben aber die Gelbbauchunken die übrig gebliebenen Pfützen längst entdeckt. Das Vorkommen einer geschützten Art wird so mitten in der Fortpflanzung zerstört – die Fahrspuren haben sich als tödliche Falle erwiesen. Bei der gut gemeinten Reparatur der Befahrungsschäden kommt der Förster mit dem Artenschutz in Konflikt. Durch die systematische Beseitigung aus ästhetischen Gründen entzieht man der Gelbbauchunke eines der letzten Vermehrungshabitate, welches noch unabhängig vom aktiven Naturschutz regelmäßig entsteht.
Dieses Dilemma kann man vermeiden, wenn nur die vom Weg aus sichtbaren Verdrückungen an viel begangenen Strecken eingeebnet und die weiter im Waldesinneren befindlichen Fahrspuren belassen werden. Die Arbeiten sollten bis Mitte März beendet sein oder erst ab Oktober durchgeführt werden, außerhalb der Fortpflanzungszeit der Amphibien. Wird die Reparatur der Gasse zum Erhalt ihrer Befahrbarkeit für erforderlich gehalten, kann man viel für den Artenschutz bewirken, wenn man die Sanierung ein bis zwei Jahre aufschiebt. Danach haben die Pfützen durch Bewuchs, Verlandung und Fressfeinde ihre Eignung für Pionierarten ohnehin größtenteils verloren. Dennoch sollten die Arbeiten im Herbst und nicht im Sommer durchgeführt werden.
Um die Entstehung von Fahrspuren schon im Vorfeld zu verhindern und wetterunabhängiger Holz rücken zu können, werden Rückegassen vielfach mit Grobschotter oder steinigem Erdaushub befestigt. Das ist aus betrieblichen Gründen oft, aber nicht immer notwendig – man sollte auch die damit verbundene Veränderung des Lebensraumes im Auge behalten. Ein sinnvoller Kompromiss könnte sein, den Grobschotter nur auf einzelnen langen Hauptgassen einzusetzen. In der freien Landschaft gibt es kaum noch unbefestigte Feldwege. Da die landwirtschaftlich genutzten Fahrwege in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger ausgebaut wurden, ist die Gelbbauchunke aus diesem Bereich verschwunden. Im Wald sollte man die gleichen Fehler nicht wiederholen.
Kleingewässer an geeigneten Orten anlegen
In bekannten Vorkommen kann man die Gelbbauchunke durch eine gezielte Befahrung von Rückegassen fördern. Ältere Fahrspuren werden durch die erneute Befahrung wieder in den Rohbodenzustand zurückversetzt (Abb. 4). Vorausgesetzt es kann gegenüber der Öffentlichkeit vertreten werden, ist dies eine sehr einfache und effektive Artenschutzmaßnahme. Die Rückeschlepper sind den ganzen Winter ohnehin im Revier unterwegs und eine halbe Stunde Biotoppflege im Vorbeifahren kostet praktisch nichts. Wenn das alle ein bis zwei Jahre gemacht wird, lässt sich rasch eine deutliche Zunahme des Bestandes beobachten – "Unken züchten" ist sehr einfach und kostengünstig.
Besonders wichtig im Zusammenhang mit dem Belassen von Fahrspuren ist eine offensive Öffentlichkeitsarbeit. Nur wenn den Gemeinderäten von waldbesitzenden Gemeinden und den Waldbesuchern der Zusammenhang zwischen Fahrspuren und Artenschutz erklärt wird, kann ein gewisses Verständnis dafür erreicht werden. In dieser Hinsicht sollten auch die Bodenschutzkonzepte der Forstverwaltungen und die Vorgaben durch die Zertifizierungen flexibler gestaltet werden.
Zur Optimierung kann man neben den Gassen zusätzlich noch kleine Tümpel baggern lassen (Abb. 5 und 8). Mit einem Anbaubagger am Rückeschlepper kommt man überall hin und ein Wasserloch ist schnell gegraben, das kostet ca. 50 €/Tümpel. Für wenig Geld lassen sich die Wälder ökologisch deutlich aufwerten. Gerade in diesen Kleingewässern sind dann auch andere Amphibienarten wie Grasfrosch, Feuersalamander und Molche zahlreich anzutreffen. Der Wald bietet ihnen zumeist einen optimalen Landlebensraum, in dem nur die Laichgewässer fehlen. In Baden-Württemberg werden diese Maßnahmen für ausgewählte Arten aktuell durch das Amphibienschutzprogramm Impulse für die Vielfalt der EnBW mit 90% bezuschusst und kosten somit den Waldbesitzer fast gar nichts mehr.
Oft sieht man die Gelbbauchunken auch in wassergefüllten Gräben entlang der Fahrwege. Wenn der Graben repariert wird, können an den Doleneinläufen und -ausläufen kleine Tümpel angelegt werden, die sich bei jedem Regen wieder füllen und der Gelbbauchunke gute Laichmöglichkeiten bieten (Abb. 9).
Für die Kleingewässer wird vor allem in Bezug auf die Gelbbauchunke eine volle Besonnung zur raschen Erwärmung als wichtig beschrieben. Die Tümpel müssen aber nicht radikal freigestellt werden, sonst trocknen sie zu schnell aus. Die Belichtung durch die Rückegasse oder einen benachbarten Waldweg reicht völlig aus. Das ist durch eine Kontrolle der erfolgreichen Reproduktion der Tiere bis zur Metamorphose leicht zu überprüfen. Während der Unkennachwuchs im Freiland nach ein paar heißen Tagen regelmäßig vertrocknet, halten die Waldtümpel im Halbschatten oft das nötige Wasser den ganzen Sommer über.
Wie "natürlich" ist Artenschutz durch Maschinen?
Bleibt die Frage, was dieser Artenschutz durch Maschineneinsatz eigentlich noch mit "Natur" zu tun hat. Kommen diese Pioniere überhaupt natürlicherweise im Wald außerhalb der Flussauen vor und wieso soll man sie künstlich fördern? Auf natürliche Weise entstehen Kleingewässer manchmal hinter umgestürzten Wurzeltellern und in Wildsuhlen, von denen es früher durch eine andere Großwilddichte vielleicht deutlich mehr gegeben hat. Auch dort gab es vermutlich immer Gelbbauchunken. Zu einem großflächigen Lebensraumverlust kam es auf jeden Fall durch die Zerstörung der Flußauen. An Rohböden angepasste Arten leben natürlicherweise in Mitteleuropa und die Vorkommen der Gelbbauchunke in Süddeutschland sind für den Erhalt der Art sehr wichtig. Vor diesem Hintergrund kann man die Fahrspuren im Wald als ein artenerhaltendes Element in der Kulturlandschaft sehen, das man zumindest nicht zwanghaft beseitigen sollte. Die deformierte Rückegasse ist vor allem ein optisches Problem, ohne sie wären die Wälder zwar schöner beziehungsweise "ordentlicher" aber definitiv artenärmer.