Waldbach und Quellsumpf: schützenswert und geschützt
Der Grubenlaufkäfer ist eine von knapp 30 in Mitteleuropa vorkommenden Großlaufkäfer-Arten der Gattung Carabus. Die mit etwa 32 Millimetern Größe sehr stattliche, unverkennbare Art ist nach ihrer grubenartig reliefierten Oberfläche benannt. Der seltene Käfer findet einen geeigneten Lebensraum in naturnahen Laubwäldern mit intakten und gut vernetzten Wasserläufen. Er ist daher ein guter Indikator für den günstigen Zustand dieser nassen Waldlebensräume. Diese stellen auch in den intensiv genutzten Naturräumen wie dem Tertiärhügelland häufig noch die letzten naturnah bis sehr naturnah bestockten Wälder dar, deren Nutzung wegen der übermäßigen Feuchtigkeit sehr aufwändig gewesen wäre und daher oft unterblieb oder allenfalls sehr extensiv stattfand. Durch ihren linearen Charakter durchziehen sie die Waldgebiete und stellen daher wichtige Vernetzungsadern in unseren Wäldern dar. Als Bewohner intakter Bachauwälder und Waldquellen ist der Grubenlaufkäfer eine Schirmart für zahlreiche Feuchtwald- und Bachbewohner, vom Alpenstrudelwurm über Bachflohkrebs und Feuersalamander bis zur Wasseramsel.
Intakte Waldbäche haben in unseren Wäldern neben dem Biotopverbund von Lebensräumen vieler Tiere und Pflanzen auch weitere wichtige Funktionen wie die Regulation des Wasserhaushaltes. Je naturnäher der Bach – etwa durch zahlreiche Bachschlingen und einen gewundenen Lauf mit strukturreichen Ufern und Buchten, Gumpen, Totholz am Ufer und ein raues Bachbett – desto langsamer fließt er und desto länger bleibt folglich das Wasser im Wald. Überschüssiges Wasser auch bei Starkregen in der Fläche zu halten ist ein wichtiger Baustein des vorsorgenden Hochwasserschutzes. Der Grubenlaufkäfer ist damit ein Indikator für wichtige gesellschaftliche Ziele über den Schutz der Biodiversität hinaus.
In den immer trockener werdenden Landschaften versiegen diese Adern jedoch zunehmend. Gleichzeitig spülen immer häufiger auftretende Starkniederschläge die Bachläufe in schlagartigen Erosionsereignissen teilweise stark aus und beseitigen dabei naturnahe Uferstrukturen und -vegetation. Daher ist die Einbettung der Waldbäche in stabile Laub- und Mischwälder besonders wichtig. Allerdings sind diese bachbegleitenden Wälder durch das Eschentriebsterben und andere eingeschleppte Baumkrankheiten zusätzlich gefährdet.
FFH-Monitoring und Berichtspflicht
Alle sechs Jahre führt die LWF turnusmäßige Erhebungen zu den EU-weit geschützten Waldarten und Lebensräumen durch. Ein echter Bayer unter diesen Arten ist der Grubenlaufkäfer, da er im Rest Deutschlands bis auf ein Vorkommen bereits vollständig ausgestorben ist. In Südbayern kommt er noch an etwa 100 Standorten vor. Daher hat Bayern eine ganz besondere Verantwortung für diese Art. Folgerichtig liegen von den bundesweit 63 Monitoring-Stichprobenpunkten nicht weniger als 62 in Bayern.
Im Frühjahr 2023 hat die LWF gemeinsam mit insgesamt 20 internen (Revierleiter, Fachstellen) und externen Mitwirkenden (örtliche Artenkenner und Naturschützer aus Naturschutzverbänden) die Aufnahmen für das Monitoring der FFH-Art Schwarzer Grubenlaufkäfer (Carabus variolosus nodulosus) durchgeführt. Die Mitwirkenden wurden hierfür an mehreren Terminen speziell geschult.
Der Grubenlaufkäfer wird beim Monitoring nach einem von der LWF entwickelten Verfahren mit standardisierten Lebend-Bodenfallen untersucht. Ferner werden an den Aufnahmepunkten umfassende Habitatparameter und Beeinträchtigungen aufgenommen.
Historische Verluste, derzeit stabile Verbreitung
Die bayerischen Nachweiszahlen für den Grubenlaufkäfer zeigen, dass die Verbreitung dieser gefährdeten Art derzeit stabil ist. Sie zeigt aktuell also vor allem keine Rückgänge an den Arealrändern. Im Verlauf des letzten Jahrhunderts waren an den Verbreitungsrändern einige Bereiche am nördlichen Arealrand, im Bereich des Isar-Inn-Hügellandes, des Randes der Schotterebene und des Altmoränenrandes stark ausgedünnt oder sogar ganz weggefallen. Die Ursachen hierfür dürften vielfältig sein, da diese Bereiche in stark nutzungsgeprägten Landschaften mit einem oft fragmentierten Waldkleid der Landschaft und stark ausgebauter Landschaftsentwässerung liegen. Auch der Klimawandel trug dort in den letzten Jahrzehnten zur weiteren Verschärfung der Situation bei.
Diese Faktoren beeinträchtigen auch die bestehenden Vorkommen. Nur knapp 2 % der Vorkommen sind in einem "hervorragenden Zustand" (Stufe "A"), 56 % im Zustand “gut” oder “B”. Bei 42 % der Vorkommen ist der Zustand jedoch gestört: Sei es durch geringe Größe, durch fehlende Puffer, durch einen schlechten Zustand des Bachlaufs bzw. der Quelle oder auch durch fehlendes Totholz als Winterquartier.
Drei Viertel der Vorkommen liegen in FFH-Gebieten. Der Erhaltungszustand ist hier auch etwas besser (Abbildung 3). Nur hier ist gelegentlich der “hervorragende” Zustand ("A") realisiert und die Anteile zwischen den Wertstufen “B” zu “C” liegen bei zwei Drittel zu einem Drittel. Außerhalb der FFH-Gebiete wird die Zustandsstufe “A” gar nicht erreicht und etwa zwei Drittel der Vorkommen sind in einem “ungünstigen” Zustand. Der FFH-Gebietsschutz wirkt also.
Vereinfacht gesprochen ergibt sich ein “hervorragender” Zustand nur, wenn alle drei Hauptparameter, also die (individuenstarke, gut vernetzte) Population, der Lebensraum (intakt und naturnah) und die (fehlenden) Beeinträchtigungen hervorragend oder zumindest günstig ausgeprägt sind. Die Gesamtstufe “B” ist meist dann realisiert, wenn zwar das Habitat noch als günstig angesprochen werden kann, aber geringe Populationszahlen oder sehr kleine, isolierte Vorkommen oder aber Beeinträchtigungen das Bild trüben. Die Gesamtstufe “C” ist entsprechend einer Kumulation dieser negativen Faktoren geschuldet.
Verbreitete Beeinträchtigungen
Die Beeinträchtigungen, die in den Monitoring-Plots festgestellt wurden (Mehrfachnennungen waren möglich) sind in Abbildung 4 in ihrer Häufigkeit verglichen. Eine ganze Reihe von Beeinträchtigungen tritt regelmäßig auf. Maßnahmen, die sich auf die Fläche entwässernd auswirken, wie Wasserableitungen oder -entnahmen bzw. Gräben sind bei etwa jedem sechsten Vorkommen relevant; ein sehr hoher Wert. In etwa einem Fünftel der Vorkommen wird die Anlage von Forst- und Rückewegen an ungeeigneter Stelle als Ursache genannt. Zweifellos kann unsensible forstliche Erschließung in der Vergangenheit zu veränderten Feuchtigkeitsverhältnissen in den quelligen Habitaten geführt haben. Daher ist die aktuelle Praxis unumgänglich, neue Erschließungs- und Feinerschließungsmaßnahmen in Wäldern unter Mitwirkung von Fachleuten und einer Berücksichtigung der Standortsverhältnisse und von Naturschutzbelangen zu planen.
Auch das Einbringen von Fremdmaterial, insbesondere wilde Müllbeseitigung, ist für die Lebensräume des Grubenlaufkäfers schädlich. Bei diesen Beeinträchtigungen, häufig punktuell unterhalb von mit dem Kraftfahrzeug gut erreichbaren Stellen, steht wohl der Entsorgungsaspekt im Vordergrund, manchmal auch die Absicht, die nassen Flächen "zu verfüllen". Beides ist selbstverständlich weder sinnvoll noch rechtlich zulässig. Auch Schlagabraum aus Hiebsmaßnahmen sollte nicht in Bächen landen.
Einträge von Dünger bzw. Nährstoffen aus der Feldflur spielen ebenfalls in einer Reihe von Flächen eine Rolle. Hier fehlten in der Vergangenheit und fehlen teilweise auch heute noch die entsprechenden Pufferstreifen zu den Gewässern, die seit wenigen Jahren auch in Bayern vorgeschrieben und derzeit in manchen Gebieten noch im Aufbau begriffen sind.
Schließlich wurden noch Sonderfälle erfasst, die mengenmäßig eigentlich keine Rolle spielen, aber aufgrund der Seltenheit der Lebensräume des Grubenlaufkäfers doch erhebliche Nachteile bewirken. So ist es in mehreren Gebieten mit Vorkommen der Art in der jüngeren Vergangenheit zu Havarien von Biogastanks gekommen, die sich in die Bäche ergossen und dort ein "Fischsterben" und damit auch ein Sterben der zahlreichen Wirbellosen unter den Gewässerbewohnern verursacht haben. Einwandige Biogastanks und einfache Kunststoff-Schieber an den Auslässen der Tanks sind ungeeignet, um die nötige Betriebssicherheit für den “Unterlieger” der Anlagen zu gewährleisten.
Auch die ungeregelte Anlage von Fischteichen in quelligen Bereichen oder in der Nähe von Quellbächen mit künstlicher Ableitung von Quellwasser zur Speisung des Teiches oder auch die Anlage von Bogenschieß-Parcours mit Befestigung der Zuwegungen gehören zu den ungewöhnlichen, aber doch für die Biodiversität sehr nachteiligen Einzelfällen.
Das Anpflanzen von Nadelbäumen in den Feuchtwäldern spielt dagegen heute keine nennenswerte Rolle mehr. Vielmehr werden viele der Bestände durch aktiven Waldumbau tendenziell naturnäher. Vielfach werden auch in den durch das Eschentriebsterben mehr oder weniger stark geschädigten Beständen geeignete heimische Feuchtwaldbaumarten wie die Flatterulme (Ulmus laevis) oder die Schwarzerle (Alnus glutinosa) als Ergänzungen und Ersatz für ausgefallene Exemplare gepflanzt.
Nur eine rechnerisch untergeordnete Rolle spielen lokal etablierte, zum Teil hohe Siedlungsdichten erreichende, nichtheimische Fraßfeinde wie der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus). Auch illegale Käfersammelei kann regional ein Problem vor allem für kleine und isolierte Populationen darstellen, ist jedoch im Rahmen des Monitorings natürlich nur begrenzt feststellbar. Hier ist vor allem Aufklärung wichtig: "Take nothing but pictures". Festgestellte, illegale Sammeleinrichtungen müssen fotografisch dokumentiert und zur Anzeige gebracht werden.
Mit ihrem Beratungs- und Förderangebot unterstützt die Bayerische Forstverwaltung die Waldbesitzer und informiert sie über diese bedeutsamen, naturnahen Waldstandorte. Die staatlichen Beratungsförster weisen auf deren Schutz und die Notwendigkeit der behutsamen Pflege und Bewirtschaftung hin.
Wie geht es weiter?
Die den vorgestellten Erhebungen und Ergebnissen zugrunde liegende Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1992 und gilt in allen 27 Mitgliedsstaaten einheitlich. Gemeinsam mit den durch die Vogelschutzrichtlinie geschützten Flächen bilden die FFH-Gebiete das “Europäische Netzwerk Natura 2000”, das als größtes Naturschutz-Flächennetz weltweit gilt. Die Ergebnisse des Monitorings werden an das Bundesamt für Naturschutz gegeben, von wo aus sie an die EU-Kommission in Brüssel übermittelt werden. Gemeinsam mit den Daten der anderen EU-Mitgliedsstaaten werden dann die bayerischen Erhebungen durch das European Topic Centre on Nature Proctection and Biodiversity (ETC-BD) in Paris ausgewertet. Auf diese Weise kann die EU abschätzen, wie sich das Europäische Naturerbe, in diesem Fall der Grubenlaufkäfer, entwickelt.
Zusammenfassung
Der Grubenlaufkäfer hat einen so deutlich auf Bayern konzentrierten Verbreitungsschwerpunkt wie keine andere der Anhang-Arten der FFH-Richtlinie außer jenen, die auf den Alpenraum beschränkt sind. Als Bewohner intakter Bachauwälder und Waldquellen ist er eine Schirmart für zahlreiche Feuchtwald- und Bachbewohner, vom Bachflohkrebs bis zum Feuersalamander. Durch den Klimawandel geraten diese durch Quellen, Hangnässe und Grundwasser geprägten Lebensräume zunehmend unter Druck. Maßnahmen zum Bestandesschutz sind der Erhalt naturnaher Waldbestockungen (trotz Eschentriebsterben) und die Vermeidung von Beeinträchtigungen sowie das Vorhalten ausreichender Totholzvorräte als Tagesversteck und Winterlager. Mit einem speziell erstellten Faltblatt und im Rahmen des Monitorings geschulter Multiplikatoren vor Ort unterstützt die LWF die Beratung der Förster und Waldbesitzer vor Ort, damit sie diese Feuchtlebensräume und ihre Bewohner bei einer behutsamen Pflege und Bewirtschaftung der Wälder berücksichtigen.