Aus dem englischen Original ins Deutsche übersetzt von Jacob Shea und Michael Wohlwend
Die Rolle von Mikrohabitaten an Bäumen
Wie ein Baum beschaffen ist, beeinflusst in hohem Maße, wie er die biologische Vielfalt in unseren Wäldern unterstützen kann. Sogenannte Habitatbäume – ob lebend oder tot – bieten ökologische und strukturelle Merkmale für eine Vielzahl von Waldorganismen, darunter Moose, Flechten, Insekten und Vögel. Diese nutzen die Mikrohabitate am Baum z. B. zur Nahrungssuche, zum Brüten oder als Schutzraum. Einige Arten sind hier sehr spezialisiert, sodass das Vorkommen von Mikrohabitaten für sie überlebensnotwendig ist.
Tatsächlich gelten baumbezogene Mikrohabitate als derart wichtig, dass Naturschützer und Waldbewirtschaftende genau darauf achten, welche und wie viele in einem Waldabschnitt vorhanden sind, und ob sich diese gegenseitig ergänzen. Solche Fragen bieten wichtige Einblicke, um ihre Bedeutung für die im Wald lebenden Organismen zu verstehen. In unbewirtschafteten Wäldern sind Habitatbäume und ihre Mikrohabitate oft in großer Zahl und Vielfalt vorhanden. Mitteleuropas lange Geschichte der kommerziellen Forstwirtschaft hat jedoch dazu geführt, dass die Struktur und Baumartenzusammensetzung vieler Wälder homogenisiert wurde, um den gesellschaftlichen Bedarf an Holz besser decken zu können. Dieser Prozess ging auf Kosten der Mikrohabitate und verringerte damit die Lebensraumqualität und die verfügbaren Ressourcen für die Artenvielfalt.
Der bewusste Schutz von Habitatbäumen und Totholz ist erklärtes Ziel im Landesforst und wird als Ergänzung zu den bestehenden Erhaltungsmaßnahmen angesehen – besonders für den Schutz bedrohter Waldarten. Während der Erhalt von Totholz vergleichsweise einfach ist, stellt die Auswahl von Habitatbäumen eine Herausforderung für die Praxis dar, da als „perfekt geeignet“ zu erkennende Bäume nur selten vorkommen. Mikrohabitate sind auch für Kenner im Wald leicht zu übersehen. Eine systematische Auswahl von Habitatbäumen auf Grundlage ihrer Mikrohabitate wird in Mitteleuropa erst seit relativ kurzer Zeit praktiziert.
Auf der Jagd nach Schwarzwald-Habitatbäumen
Auf 133 Untersuchungsflächen von jeweils 1 ha im Schwarzwald ermittelten die Forscher und Forscherinnen die Zusammensetzung von Mikrohabitaten in lebenden und abgestorbenen Bäumen. Mithilfe von statistischen Modellen konnten sie abschätzen, welche Bedingungen das Auftreten von Baum-Mikrohabitaten ermöglichen.
Die Methodik können Sie hier im kompletten Artikel nachlesen.
Abundanz und Reichtum von Mikrohabitaten verstehen
Die Ergebnisse waren verblüffend: Das Vorkommen, die Menge und die Zusammensetzung der Mikrohabitate waren je nach Baumart (z. B. lebende Fichte und abgestorbene Rotbuche) sehr unterschiedlich. Vor allem die Baumart und der Baumdurchmesser scheinen die Faktoren zu sein, welche die Vielfalt und die Häufigkeit von Mikrohabitaten am stärksten beeinflussen.
Der größte Reichtum und die größte Fülle an Mikrohabitaten wurde auf abgestorbenen Weißtannen gefunden, insbesondere auf solchen mit größeren Durchmessern. Die Mikrohabitate an Weißtannen zeigten dabei z. B. einen wichtigen Lebensraum für Spechte an. Obwohl abgestorbene Weißtannen und Fichten eine ähnliche Anzahl von Baum-Mikrohabitaten aufwiesen, unterscheidet sich hierbei deren Zusammensetzungen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Laubbaumarten eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung einzigartiger Mikrohabitate spielen, die zahlreiche waldbewohnende Arten benötigen.
Bei abgestorbenen Bäumen hingen die Fülle und der Reichtum der Mikrohabitate auch weitgehend von der Phase des Holzzerfalls ab. Bei denen, die bereits stärker verrottet waren, schien sich die Anzahl der Mikrohabitate mit dem Baumdurchmesser zu erhöhen. Die geringste Häufigkeit und Vielfalt an Mikrohabitaten wiesen verschiedene lebende Nadelholzarten auf, die im Untersuchungsgebiet häufig vorkamen – insbesondere die Waldkiefer, die europäische Lärche und die Douglasie.
Ein möglicher Grund dafür, warum Weißtannen viele Mikrohabitate beherbergen, könnte in ihren Holzeigenschaften und ihrer Physiologie liegen. Da tote Stämme der Weißtanne, vor allem in kühleren Lagen, langsam verrotten, könnten die Baumstümpfe lange überdauern und so über mehrere Lebens- und Verrottungsphasen hinweg Mikrohabitat entwickeln.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten stark darauf hin, dass abgestorbene Bäume allein keinen Ersatz für die Lebensräume und deren Funktionen darstellen, wie sie lebende Bäume mit ihren individuellen Mikrohabitaten bieten. Vielmehr scheinen abgestorbene Bäume lebende Habitatbäume in entscheidender Art zu ergänzen – vor allem, indem sie eine größere Diversität an Mikrohabitaten im gesamten Bestand bieten.
Diese Forschungsergebnisse könnten die Praktiken zum Schutz der Artenvielfalt in unseren Wäldern weiter verbessern. „Bisher wurden sowohl die Habitatbäume als auch ihre Mikrohabitate meist nur zahlenmäßig erfasst und nicht nach ihren Funktionen und ihrer Komplementarität“ sagt Dr. Spînu. „Unsere Studie zeigt, wie eine Kombination von Bäumen mit unterschiedlichen Eigenschaften – insbesondere Art, Lebend-Tot-Status, Zerfallsphase und Größe – reichhaltige und vielfältige Mikrohabitate in den Wäldern bereitstellen kann."
Die europäischen Wälder könnten sehr von einem leichten Umdenken bzw. einer kleinen Anpassung der Schutzmaßnahmen profitieren. Die Autoren stellen fest, dass sich die Bewirtschaftenden nicht nur darauf konzentrieren sollten, wie viele Bäume pro Hektar zu erhalten sind, sondern dass diese auch für Sicherung von Mikrohabitaten geeignet sind. Dies lässt sich am besten erreichen, wenn lebende und abgestorbene Bäume verschiedener Arten und Funktionen vorhanden sind. So wird ein breiteres Spektrum an komplementären Mikrohabitaten unterstützt und die Populationen waldbewohnender Arten gefördert.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
- Abgestorbene Weißtannen (Abies alba) wiesen die höchste Vielfalt und Anzahl an Baum-Mikrohabitate auf. Die Zusammensetzung ihrer Mikrohabitate unterschied sich jedoch von denen lebender Laubbäume. Daher sollten z. B. tote Tannen nicht einfach lebende Laubbäume als Habitatbäume ersetzen, da sie unterschiedliche Habitatfunktionen haben.
- Die Vielfalt abgestorbener Bäume unterschiedlicher Durchmesser und Höhen und Zerfallsphasen im Bestand ist für die Bereitstellung von Baum-Mikrohabitaten entscheidend.
- Die Abundanz, die Artenzahl und die Zusammensetzung der Mikrohabitate waren sehr unterschiedlich und hingen stark von der Art und dem Vitalitätsstatus des jeweiligen Baums ab.
- Optimale Erhaltungsstrategien sollten sich daher darauf konzentrieren, eine Mischung aus lebenden und abgestorbenen Bäumen zu erhalten, wobei der Schwerpunkt auf vielen sich ergänzenden Typen von Mikrohabitaten liegt.