In "Normaljahren" liegen die natürlichen Absterberaten bei Waldbäumen in unseren Breiten im Mittel bei circa 0,2 %. Etzold et al. (2006) berichten von Absterberaten in Schweizer Waldbeständen in "Normaljahren", abhängig von der Altersphase der Bäume, zwischen 0,2 und 1,9 %.
Dieser Beitrag befasst sich mit den abgestorbenen Bäumen in Bayern aus den WZE-Aufnahmen der letzten sieben Jahre. Während dieser Zeit herrschten 2015, 2018 und 2019 extreme Hitze und Trockenheit in vielen Teilen Bayerns. Besonders betroffen waren die Regionen Mittel- und Unterfranken mit durchschnittlich nur 135 mm Niederschlag im Juni, Juli und August und einem Negativrekord von 110 mm im Jahr 2018.
Daten der Waldzustandserhebung
2006 wurde in Bayern das Inventurnetz der Waldzustandserhebung (WZE) auf das Traktnetz der Bundeswaldinventur (BWI, 4 x 4 km-Raster) und der Bodenzustandserhebung (BZE, 8 x 8 km-Raster) verlegt. Jeder Trakt besteht aus einem Quadrat mit 150 m Seitenlänge. Die Probebäume der BWI werden an jeder Ecke mittels Winkelzählprobe ermittelt. Im Rahmen der jährlich stattfindenden WZE wird jeder vierte Trakt (16 x 16 km-Raster) aus dem BWI-Netz aufgenommen, ergänzt mit zusätzlichen Verdichtungspunkten (8 x 8 km-Raster) für die selteneren Baumarten Tanne und Eiche. Um die Auswirkungen des Trockensommers 2015 langfristig besser quantifizieren zu können, wurden ab 2016 in den besonders betroffenen Wuchsgebieten WG 4 "Fränkische Platte", WG 5 "Keuper" und WG 6 "Jura" einschließlich der mittelfränkischen Kieferngebiete sowie in den Bayerischen Alpen zusätzliche Inventurpunkte aus dem 8 x 8 km-Raster in die Aufnahme integriert. Daraus ergibt sich eine jährliche Stichprobe von circa 12.000 Bäumen.
Unter diesen Voraussetzungen wurde für die Betrachtung der Mortalität ein Zeitraum ab 2014 gewählt. Regionen (Wuchsgebiete) und Baumarten mit zu geringen Stichprobengrößen gingen nicht in die Auswertung ein. Damit ein Baum in die Berechnung der Mortalitätsrate einfließt, musste er mindestens in einem Jahr als "lebendig" aufgenommen und später aus natürlichen Gründen gestorben sein. Auf diese Weise ließen sich Todeszeitpunkt und -ursache auf ein Jahr eingrenzen. Da die Aufnahmen jedes Jahr im Sommer stattfinden, kann oftmals der Grund für das Verschwinden eines Baumes nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden. Aus diesem Grund beziehen sich die hier vorgestellten Absterberaten nur auf Bäume, denen ein natürlicher Tod nachgewiesen werden konnte.
Mortalitätsraten
Bei herrschenden Bäumen wird bis zum Erreichen der Umtriebszeit eine geringe Mortalität erwartet. Natürliche Ereignisse wie Stürme und Borkenkäferbefall können größere Waldflächen auf einmal zerstören, dennoch kommt es selten vor, dass ein Trakt komplett ausfällt. Die häufigste Todesursache "Borkenkäfer" ist meist Folge einer Schwächung der Fichten auf Grund von Trockenheit. Die hier berechneten Mortalitätsraten sind weitestgehend auf die Umweltbedingungen zurückzuführen und weisen die Folgen der Extremjahre 2015, 2018 und 2019 nach.
Ergebnisse aus den Wuchsgebieten
Die Mortalitätsraten wurden nach dem Verfahren von Kaplan & Meier (1958) dargestellt und vergleichen Überlebenszeiten der Baumarten Fichte, Buche und Kiefer (Abbildung 3). Mit dem Blick auf die letzten sieben Jahre wird hier nur ein kurzer Abschnitt aus dem Leben der Bäume betrachtet. Eine Kaplan-Meier-Kurve wird in "Stufenform" dargestellt und beginnt bei einer Überlebensrate von 1 (100 %). Die Höhe der Stufen in den Folgejahren spiegelt die Mortalität in einem Jahr wider.
Buche
Ein Blick auf Abbildung 4 zeigt die Überlebenskurve der Buche im Wuchsgebiet 2 (Spessart/Odenwald). Hier ist für das Wuchsgebiet eine ausreichend große Stichprobe an Buchen vorhanden, um für die Betrachtung der Mortalität in Frage zu kommen. Der sehr gerade Verlauf der Überlebenskurve fällt auf. Lediglich 2015 wurde das Absterben einer Buche im Wuchsgebiet 2 bei der WZE beobachtet. Insgesamt weist die Buche die niedrigsten Mortalitätsraten unter den drei Baumarten auf. Im Wuchsgebiet 15 (Alpen) ist die Sterberate von Buche und Fichte beinahe identisch und auf einem relativ hohen Niveau (Abbildung 4). Dies liegt an den härteren Lebensbedingungen und einer damit verbundenen erhöhten Dynamik in den extremeren Lagen der Alpen. Für Buchen insbesondere in den Wuchsgebieten 4 und 5, an denen 2020 und 2021 vermehrt Absterbeerscheinungen in der Praxis beobachtet wurden, ließ sich mit Hilfe der Stichprobe der WZE keine gesicherte Aussage in Hinblick auf eine gesteigerte Mortalität ermitteln.
Fichte
Die Fichte ist die am schwersten betroffene Baumart. Besonders in den Wuchsgebieten 5 (Fränkischer Keuper und Albvorland) und 8 (Frankenwald, Fichtelgebirge und Steinwald) sind große Sprünge (2019: circa 9 %!) in den Stufen zu sehen (Abbildung 5). Die Auswertung wies in den ersten Extremjahren (2015 und 2018) relativ wenige abgestorbene Fichten nach. Dies lässt sich, zumindest teilweise, auf den Aufnahmezeitraum Juli bis Anfang August zurückführen. Die Nadel-/Blattverluste aller Bäume werden zum aktuellen Aufnahmezeitpunkt eingestuft. Stirbt ein Baum kurz nach der Aufnahme, wird der Tod erst im Folgejahr festgestellt. Deshalb kann der Todeszeitpunkt um ein Jahr schwanken. Dazu kann der Absterbeprozess andauern, da Bäume, die nur noch wenig lebendes Feinreisig besitzen, nicht als tot gelten. Ein zum Absterben führendes Ereignis liegt daher meistens weiter in der Vergangenheit und kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Die höchsten Mortalitätsraten der Fichte treten nach den Trockenjahren in dem Zeitraum von 2018–2019 auf und flachen 2020–2021 wieder leicht ab.
Kiefer
Eine spannende Frage ist: Wie hat sich die Kiefer in dieser Zeit geschlagen? Die Erhöhung der WZE-Stichprobe gibt Einblicke in die Wuchsgebiete 6 (Frankenalb und Oberpfälzer Jura) und 9 (Oberpfälzer Becken- und Hügelland) (Abbildung 6). Im Wuchsgebiet 9 verläuft die Kurve sehr flach, in den Wuchsgebieten 5 und 6 liegt sie zwischen Fichte und Buche. Die Sorge, die Kiefer könnte in großem Maße absterben, bestätigt diese Darstellung nicht. Dennoch liegen die jährlichen Mortalitätsraten der Kiefer zwischen 1 und 2 %. Demnach würde bei einer normalen Umtriebszeit von 140 Jahren keine Kiefer die Hiebsreife erreichen. Im Rahmen der WZE lässt sich die tatsächliche Mortalitätsrate der Kiefer nicht genau ermitteln. Oftmals findet der Aufnahmetrupp an einem Kiefernpunkt nur noch Stöcke vor, da Waldbesitzer die vereinzelt absterbenden Kiefern entnehmen und das Bild einer Durchforstung gleicht. In diesem Fall wird ein Baum als "genutzt" eingestuft und kann nicht der natürlichen Mortalität zugezählt werden (diese Problematik tritt auch bei der Buche auf). Im Gegensatz dazu ist in den meisten Fällen eine Windwurffläche und bei der Fichte ein Käferloch auch noch nach der Aufarbeitung nachzuvollziehen und wird als solches bei der Aufnahme verschlüsselt.
Zusammenfassung
Die Trockenjahre 2015, 2018 und 2019 hinterließen ihre Spuren im Wald. Besonders die Fichte hat unter der Trockenheit gelitten und in vielen Wuchsgebieten mit einer erhöhten Mortalität reagiert. Die Kiefer als weiteres "Sorgenkind" weist in Mittel- und Unterfranken auch bei vorsichtiger Betrachtung Mortalitätsraten auf einem hohen Niveau auf. Für die beiden Nadelbaumarten zeigt sich auch im Hinblick auf die Mortalität ein (Nord-)West-Süd-Ost-Gefälle. Überdurchschnittliche jährliche Absterberaten, die mit bis zu 9 % bei Fichte weit über bisher bekannten Werten lagen, finden sich in fränkischen Trockenregionen, dagegen sind in den besser niederschlagsversorgten südöstlichen Teilen Bayerns die Mortalitätsraten allenfalls nur gering infolge der Extremjahre für beiden Baumarten angestiegen. Die Buche zeigt auf den WZE-Trakten in den Wuchsgebieten mit ausreichenden Stichprobengrößen unmittelbar nach den Exremjahren keine verstärkten Ausfallerscheinungen. Die Gründe für die Mortalität im Rahmen der WZE-Aufnahmen können nicht immer eindeutig ermittelt werden. Dies erschwert die Interpretation der Ergebnisse.