Dieser Artikel ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie zur Eiche im Klimawandel.
- Teil 1: Wachstum
- Teil 2: Trockenheit und Anpassung
- Teil 3: Physiologische Prozesse
Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL erforschte von 2006 bis 2012 das Verhalten von jungen Eichen unter veränderten Umweltbedingungen. Ziel des breit angelegten Querco-Experimentes war es, die Auswirkungen von Trockenheit und erhöhter Lufttemperatur auf Mikroklima, Boden und Bäume zu untersuchen. Rund 770 junge Eichen wurden in Modellökosystemen während dreier Jahre beobachtet und vermessen.
Der erste Artikel beleuchtete die Auswirkungen der Klimabehandlungen auf das Wachstum der Jungeichen. Dabei zeigte sich, dass weniger die erhöhte Temperatur als vielmehr die Trockenheit ein Problem für die Pflanzen darstellte. In diesem zweiten Artikel geht es deshalb um die Auswirkungen der Trockenheit. Neben dem Boden als Wuchssubstrat und Wasserspeicher werden Resultate von Untersuchungen über Biomasseleistung, Wasserleitfunktion des Holzes, Blattmorphologie und Blattschäden vorgestellt.
Bodenwassergehalt ist entscheidend
Die pflanzenverfügbaren Wasserreserven im Boden bestimmen das Verhalten der Bäume während einer Trockenperiode. Die Modellökosystemanlage der WSL in Birmensdorf ist dafür eingerichtet, diese Problematik zu untersuchen. Neben dem 3 m hohen, offenen "Glashaus" besteht das Fundament einer sechseckigen Kammer nämlich aus einem 1,5 m tiefen Betonkompartiment, das in zwei unten verschlossene Halbschalen unterteilt ist (Abb. 2). Mithilfe verschiedener Mess-Apparaturen wird in diesen sogenannten Lysimetern der Bodenwasserhaushalt ermittelt. Die Jungeichen wurden in zwei Originalböden aus schweizerischen Eichenmischbeständen gepflanzt: ein kalkreicher Boden aus Brugg (pH 7) und ein saurer Boden aus Eiken (pH 4).
Abb. 2 - Modell einer Kammer (Glaswände offen für Kontrolle und Trockenheit oder teilweise geschlossen für Lufterwärmung) mit unterirdischem Lysimeter.
Sehr starke Trockenheit simuliert
Während den Vegetationsperioden 2007 bis 2009 bewässerten Sprinkleranlagen die Pflanzen. Bei natürlichem Regenfall wurden die Glasdächer über den Kammern automatisch geschlossen, sodass sich die Niederschlagsmenge für alle Behandlungen genau kontrollieren liess. In den Behandlungen Kontrolle und Lufterwärmung entsprach die künstliche Beregnung dem langjährigen Mittel der Niederschlagsmenge am Standort Birmensdorf (728 mm von April bis Oktober). Bei den Trockenbehandlungen verringerten die Wissenschaftler die Niederschlagsmenge im Jahre 2007 um 60%. In den Jahren 2008 und 2009 betrug das Niederschlagsdefizit 43%.
Um die Fähigkeit der Pflanzen zur Regeneration zu testen, simulierten die Forscher aufeinanderfolgende Trockenperioden unterschiedlicher Länge (Intensität). Dauer und Zeitpunkt der Trockenperioden modifizierten sie von Jahr zu Jahr (Abb. 3). Im Gegensatz zu dem eher moderaten Anstieg der Lufttemperatur (tagsüber während der Vegetationszeit 1 bis 2 °C.) erwiesen sich die künstlich herbeigeführten Trockenperioden als sehr stark. Sie liegen im oberen Bereich der Klimaszenarien, welche für 2085 einen Rückgang der Niederschlagsmenge um 21–28% vorhersagen. Ein deutlicher Rückgang der Biomassebildung bei Trieben, Blattmasse und Wurzeln, wie er im ersten Artikel beschrieben wurde, erstaunt daher nicht.
Abb. 3 - Bodenwassergehalt im sauren Boden (pH 4) aus Eiken (AG) in 62 cm Tiefe. Rötlich hinterlegt die simulierten Trockenperioden. In Funktion von Niederschlagsmenge, Verdunstung und Pflanzenwachstum schwankt der Bodenwasserhaushalt.
Schnell erholt nach Trockenheit
Das Querco-Experiment zeigt aber auch, dass sich die Eichen nach den Trockenperioden relativ schnell erholen. Als Messgrösse diente die Evapotranspiration, das heisst die Wassermenge, welche über den Boden, aber vor allem über die Vegetation verdunstet. Im Juli und August 2008 wurde die Beregnung in den Trockenbehandlungen für mehrere Wochen eingestellt, was dazu führte, dass die Evapotranspiration auf nahezu null zurückging. Nach dem Abschluss der Trockenperiode stieg diese innerhalb von elf Tagen wieder auf das Niveau der normal bewässerten Pflanzen (Abb. 4). Eine identische Entwicklung beobachteten die Wissenschaftler im Sommer 2009. Auch die Tatsache, dass während des drei Jahre dauernden Experimentes keine einzige Pflanze eingegangen ist, kann als Indiz für die ausgeprägte Trockentoleranz der Eichen gelten.
Abb. 4 - Evapotranspiration 2008 und 2009 für alle Eichen. Die blauen Sektoren bezeichnen die Zeiten, in denen alle Kammern (auch diejenigen mit simulierter Trockenheit) bewässert wurden. Die Eichen in den Trockenbehandlungen (bräunliche Linien) erholen sich bei wieder einsetzender Wasserversorgung relativ schnell und erreichen in kurzer Zeit das Niveau der normal bewässerten Pflanzen (rote Pfeile).
Blätter bleiben funktionsfähig
Das gute "Funktionieren" der Blätter ist für zahlreiche biologische Prozesse in der Pflanze unerlässlich: Photosynthese, Kohlenstoff-Fixierung, Nährstoff- und Wassertransport sind einige Beispiele dafür. Das Aufrechterhalten dieser Vitalfunktionen ist gerade bei Klima- und Umweltänderungen wesentlich für das Überleben des Baumes.
Zur Beurteilung der Blattentwicklung erhoben die Forschenden während dreier Jahre zahlreiche morphologische Merkmale: Blattlänge, Blattbreite, Blattstiellänge, Blattmasse, Buchtennerven und Blattlappen sowie die Behaarung auf der Blattunterseite. Bei allen Arten konnte bei erhöhter Temperatur zumindest als Trend eine Zunahme der Blattlänge, des Verhältnisses von Länge zu Breite, der Stiellänge, aber auch der Anzahl Lappen und Buchtennerven festgestellt werden. Die Trockenbehandlung führte hingegen zu einer Abnahme der genannten Merkmale. Bei der kombinierten Behandlung (erhöhte Temperatur und Trockenheit) kompensierten sich die beobachteten Veränderungen.
Die Variabilität in der Ausprägung von Merkmalen wird mit dem Begriff der Plastizität umschrieben (siehe Kasten). Die Resultate der Blattuntersuchungen zeigen, dass die Plastizität bei der Eiche besonders gross ist. Das ist ein weiterer Hinweis auf ein gutes Anpassungspotenzial an Trockenheit. Dies gilt ganz besonders bei physiologisch wichtigen Merkmalen wie z.B. der Anzahl Buchtennerven (Wasserversorgung des Blattes) oder auch der Blattgrösse. Die gemessene Plastizität war bei den verschiedenen Klimabehandlungen immer grösser als bei der Kontrolle. Diesen Unterschied stellten die Wissenschaftler bei allen Individuen, Provenienzen, Arten und auch auf Gattungsebene fest.
Trockenschäden an Blättern (Verfärbungen und Nekrosen) entdeckten die Forscher erstmals Ende August 2008 an 14 Jungbäumen der Stiel- und Traubeneiche. Im 2009 entwickelten sich die Blattschäden dann schon Ende Juni, fortschreitend bis Anfang Juli, selbst nach dem Wiedereinschalten der Bewässerung. Die Schäden bestanden zu dieser Zeit bei 2% der trockengestressten Bäume aus Chlorosen (gelbliche Blattverfärbung als Zeichen einer verfrühten Blattalterung) und bei 12% aus Blattrandnekrosen (abgestorbene Blattbereiche). Die Blattnerven waren nicht betroffen. Die Konzentration der Schäden auf den Blattrand zeigt eine schlechte Wasserversorgung im marginalen Bereich des Blattes an und ist ein klarer Hinweis auf die allgemeine Wasserknappheit. Während der zweiten Trockenperiode im August (Abb. 4) schnellte der Anteil der Bäume mit Blattschäden dann schlagartig in die Höhe (57% der trockengestressten Bäume). Gewisse Triebe verdorrten jetzt als Ganzes.
Was ist Plastizität?
Das Überleben von standortsgebundenen, langlebigen Organismen wie Bäumen hängt weitgehend davon ab, ob es diesen gelingt, sich an die ständigen Umweltveränderungen anzupassen. Dabei gibt es grundsätzlich zwei mögliche Strategien:
a) Die Anpassung genetischer Strukturen von einer Baumgeneration zur andern; in diesem Fall spricht man von Evolution.
b) Die direkte Anpassung von physiologischen Reaktionen und/oder des Erscheinungsbildes; hier spricht man dann von phänotypischer Plastizität.
Verfügt eine Pflanze, eine Provenienz oder eine Art über eine hohe Plastizität, bedeutet dies, dass viele verschiedene Reaktionen möglich sind und damit ein grosses Anpassungspotenzial vorhanden ist. Dieses Potenzial kann relativ schnell ausgenutzt werden.
Abb. 6 - Jahrringbildung. Die untersuchten Stammquerschnitte bei Stieleiche zeigen, dass die unterschiedlichen Behandlungen zu einer Anpassung der verschiedenen Zelltypen in Bezug auf Grösse und Vorkommen führen. Damit stellt die Eiche auch bei Trockenheit das Funktionieren des Wasserleitsystems sicher. 1 = Kontrolle; 2 = Lufterwärmung, 3 = Trockenheit, 4 = Lufterwärmung und Trockenheit.
Anpassungsfähige Wasserleitung
Das Holz hat neben der Statik des Baumes auch den Nährstoff- und Wassertransport sicherzustellen. 2009 wurden deshalb bei drei willkürlich ausgewählten Herkünften der Stiel-, Trauben- und Flaumeiche von 36 Bäumen Holzproben entnommen und mikroskopisch analysiert. Wie in Abbildung 6 dargestellt, vermindert Trockenheit die Holzproduktion stark. Dies zeigte sich bei der Jahrringbreite, welche sowohl bei Trockenheit als auch bei der Kombination aus Trockenheit und erhöhter Lufttemperatur deutlich reduziert war. Dabei fiel die Reduktion bei der Stieleiche (66%) etwas stärker aus als bei Trauben- und Flaumeiche (61% resp. 60%). Auch die alleinige Lufterwärmung führte zu einem leicht veränderten Wuchsverhalten. Während die Stiel- und Traubeneiche ein Plus von 19% bzw. 1% aufwiesen, ging das Dickenwachstum der Flaumeiche um 10% zurück.
Richtig spannend erwies sich aber die Auswirkung der Trockenheit auf die Bildung der verschiedenen Zelltypen. Grösse und Anzahl der wasserleitenden Gefässzellen war im Vergleich zur Kontrollbehandlung nämlich deutlich reduziert. Weiter wurden kleinere Faserzellen gebildet und die Anzahl stärkehaltiger Holzzellen (Parenchymgewebe) erhöht. Diese Veränderungen entsprechen sehr genau den Erwartungen der Pflanzenphysiologen in Bezug auf das Verhalten bei Trockenheit.
Trockenresistente Pflanzen und insbesondere Bäume verfügen nämlich über ein widerstandsfähiges Wasserleitgewebe, das auch bei grossem Saugdruck – wie er bei Trockenheit entsteht – nicht kollabiert und damit ein Abreissen der Wassersäule im Baum verhindert (Kavitation). Unter anderem spielt dabei die Grösse der Gefässe eine Rolle: je kleiner, desto besser. Sollte die Wassersäule trotzdem einmal reissen, wird dank den Stärkeeinlagerungen im Parenchymgewebe die nötige Energie zu deren Wiederherstellung freigesetzt. Interessanterweise wurden die grossen Wasserleitgefässe im Frühjahr (Frühholz) angelegt, also noch bevor sich die Trockenheit 2009 bemerkbar machen konnte. Die Anpassung ihrer Grösse ist vermutlich auf eine reduzierte Verfügbarkeit von Assimilaten nach den Trockenperioden im Vorjahr und einer veränderten Ausschüttung von Wuchshormonen durch die Knospen zurückzuführen.
Die Stieleiche wies im Querco-Experiment bei normaler Wasserversorgung breitere und zahlreichere Leitgefässe auf als die beiden anderen Eichenarten. Dieses leistungsfähige Wasserleitsystem erlaubte bei guter Wasserversorgung ein vergleichsweise stärkeres Wachstum (siehe Artikel 1). Bei Trockenheit vermochte die Stieleiche die Dimension ihrer Gefässe auf das Niveau von Trauben- und Flaumeiche zu reduzieren. Diese hohe Plastizität mag das Vorkommen der Stieleiche an verschiedenartigen Standorten erklären. Auf trockenen Standorten bzw. bei grosser Trockenheit verfügt die Stieleiche aber über eine geringere Photosyntheseleistung (Näheres im dritten Artikel), sodass sie früher als Trauben- und Flaumeiche an ihre physiologische Grenze kommt. Diese Resultate und Interpretationen bestätigen praktische Erfahrungen über die ökologischen Eigenschaften der drei Eichenarten im Erwachsenenalter.
Der Bodentyp prägt das Wachstum
Pflanzen brauchen für die Photosynthese und die Biomassebildung Wasser. Bei normaler Bewässerung beobachteten die Wissenschaftler im Querco-Experiment auf dem sauren Boden aus Eiken (AG) aufgrund besserer Nährstoffversorgung ein ungleich grösseres Wachstum als auf dem kalkreichen Boden (Abb. 7). Bei Trockenheit näherten sich die Werte an. Letzteres ist allerdings mit der extremen Trockenbehandlung zu erklären, bei der die biologische Aktivität der Eichen – unabhängig vom jeweiligen Bodentyp – fast vollständig zum Erliegen kam (Abb. 4). Während also der Bodentyp bei normaler Bewässerung die Wuchsreaktion der Jungeichen mitbestimmt, scheinen Temperatur und Trockenheit die bodenspezifische Reaktion nur wenig zu modifizieren. In der Tabelle 1 sind die wichtigsten Feststellungen in Bezug auf Boden und Wachstum zusammengefasst.
Abb. 7 - Evapotranspiration und Trockengewicht der gebildeten Biomasse (ober- und unterirdisch!) in den Jahren 2008 und 2009. Bei normaler Bewässerung produzieren die Eichen (alle Arten) auf dem sauren Boden deutlich mehr Biomasse. Bei Trockenheit konnte kein Unterschied mehr festgestellt werden.
Folgerungen
Alle untersuchten Eichenarten und Herkünfte haben die starken Trockenperioden relativ gut überstanden (keine Ausfälle) und zeigten eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit. Die grosse Plastizität erlaubte eine schnelle Anpassung an die veränderten Umweltbedingungen, was sich etwa in der Ausprägung der blattmorphologischen Merkmale oder des Wasserleitgewebes des Holzes zeigte. Die Resultate des Querco-Experiments bestätigen einige der bekannten ökologischen Eigenschaften der drei untersuchten Eichenarten. Die Stieleiche scheint dabei generell weniger trockentolerant zu sein als Trauben- und Flaumeiche. Als wuchskräftige Eiche reagiert sie aber sehr flexibel auf Umweltänderungen und ist daher in der Lage, verschiedenste Standorte zu besiedeln.
Merkblatt
Die heimischen Eichenarten erweitern im Zusammenhang mit dem Klimawandel den waldbaulichen Spielraum und werden mit einer stärkeren Präsenz als heute zur Bereicherung des Schweizer Waldes beitragen. Die Forschungsanstalt WSL hat dazu ein Merkblatt für die Praxis zusammengestellt:
Die Eiche im Klimawandel. Zukunftschancen einer Baumart. (PDF)
(TR)