Klimaschutz beschreibt alle Maßnahmen des Menschen zur Minderung des anthropogenen Klimawandels. Dazu gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die Vermeidung/Verringerung von Treibhausgas-Emissionen (Quellen) oder die Erhöhung der Aufnahme von Kohlendioxid (Senken). Forst- und Holzwirtschaft bedienen beide Mechanismen: Zum einen kann der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen und in Wald und Holzprodukten als Kohlenstoff gespeichert werden. Zum anderen können durch die Verwendung von Holz statt anderer Materialien Treibhausgas-Emissionen reduziert werden.
Speicherung von Kohlenstoff
Im Wald gibt es drei Kohlenstoffspeicher: die lebende ober- und unterirdische Biomasse, das abgestorbene organische Material (Totholz inklusive Streuauflage) und den Waldboden (Abbildung 1). Der Motor ist dabei die lebende Biomasse, welche über die Fotosynthese Kohlendioxid (CO2) aufnimmt und als Kohlenstoff (C) bindet. Durch Absterben der lebenden Biomasse (Mortalität) werden die Speicher Totholz und Streuauflage sowie nachfolgend über die Humusbildung der Speicher Mineralboden beliefert. Durch mikrobielle Veratmung wird der organische Kohlenstoff in den Speichern Totholz, Streuauflage und Mineralboden wieder an die Atmosphäre freigegeben. Infolge der Nutzung der Wälder entsteht zusätzlich der Speicher der Holzprodukte, in dem der Kohlenstoff je nach entstandenen Holzprodukten verschieden lang gespeichert wird. Durch die energetische Nutzung der Holzprodukte, als Brennholz sofort oder erst am Ende der stofflichen Nutzung, wird der Kohlenstoff wieder freigesetzt.
Da nur die lebende Biomasse der Atmosphäre Kohlendioxid aktiv entzieht, sind die Speicher Totholz, Boden und Holzprodukte keine Senken, sondern verlängern lediglich die Kohlenstoffspeicherung. Ein Beitrag zum Klimaschutz ist gegeben, solange sich die Speicher in der Summe vergrößern, d. h. der Zugang (CO2-Aufnahme / senkrechter weißer Pfeil nach unten in Abbildung 1) muss größer sein als die Summe der Abgänge (CO2-Freisetzung / senkrechte graue Pfeile nach oben in Abbildung 1).
Die Änderungen der Speicher sind über Messungen und Modellierungen direkt quantifizierbar, wobei dies für die Speicher Biomasse und Totholz über Daten forstlicher Inventuren vergleichsweise einfach ist, während die Ermittlung der Änderungen des Waldboden- und des Holzproduktespeichers deutlich aufwändiger ist und größere Unsicherheiten aufweist.
Vermeidung von Treibhausgasemissionen
Der Effekt, dass mit der Verwendung von Holz als Brennstoff oder als Material Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Brennstoffen vermieden werden können (rechts in Abbildung 1), wird als potenzielle Energie- und Materialsubstitution bezeichnet. Im Unterschied zu der Kohlenstoffspeicherung erfasst die Substitution einen Klimaschutzbeitrag, der nicht direkt messbar ist, sondern nur über den Vergleich mit den ersetzten Produkten hergeleitet werden kann.
Bei der Wärmebereitstellung liegen die Treibhausgas-Emissionen von Holz (Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets) je Wärmeeinheit deutlich unter denen von Erdgas, Heizöl oder Kohle. Wenn die Treibhausgas-Emissionen des Wärme-Mix, also die anteilsgewogenen Emissionen aller eingesetzten Energieträger, bekannt sind, kann für die genutzten Brennholzmengen die Differenz und damit die insgesamt vermiedenen Treibhausgas-Emissionen berechnet werden. Eine unabdingbare Annahme ist dabei, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und die emittierten CO2-Mengen bei der Holzverbrennung zeitnah wieder im Wald gebunden werden.
Bei der Materialsubstitution wird wirksam, dass mit dem Rohstoff Holz bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung fast immer deutlich weniger Treibhausgase emittiert werden als bei funktionsgleichen Produkten aus alternativen Materialien (z. B. ein Fenster aus Holz gegenüber einem aus Aluminium). Um die Summe der vermiedenen Treibhausgas-Emissionen durch alle eingesetzten Holzprodukte präzise zu ermitteln, müsste für jede Produktgruppe der aktuelle Mix aller eingesetzten Materialien (z. B. Anteile der eingesetzten Fenster aus Aluminium, Verbundstoffen, Holz usw.) bekannt sein. Da es dazu wenig Informationen gibt, wird stattdessen mit durchschnittlichen Substitutionsfaktoren gearbeitet, die aus einer hohen Zahl von Einzelfallstudien (Ökobilanzen) zu Produkten aus Holz und anderen Materialien hergeleitet werden. Jeder Einheit Holz, die in Produkten eingesetzt wird, kann so pauschal eine durchschnittliche Treibhausgas-Vermeidung (potenzielle Substitutionsleistung) zugewiesen werden. Die Substitutionsleistung ist allerdings ständigen Änderungen unterworfen, da die fossilen Treibhausgas-Emissionen bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung von Produkten mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien sinken und sich Produktionsbedingungen, Stoffströme, Märkte sowie Produkte und ihre Lebensdauer ändern können.
Von der Leistungszahl zum Streitobjekt
Schon 1988 haben Burschel und Weber in einem AFZ-Artikel die beiden genannten Mechanismen des Klimaschutzes (C-Speicherung und Vermeidung von CO2-Emissionen) beschrieben, und bereits 1993 wurde die erste Studie zur Rolle der deutschen Forstwirtschaft im Kohlenstoffhaushalt präsentiert. Seitdem gab es eine Fülle weiterer Bilanzen für Deutschland oder einzelne Bundesländer. Die Studien liefern zwei grundlegende Erkenntnisse:
- Der Wald ist in Deutschland seit langer Zeit eine Treibhausgas-Senke und
- die potenzielle Substitution ist von ähnlicher Größenordnung wie die Senkenleistung und darf trotz der oben erwähnten Schwierigkeiten bei der Herleitung keinesfalls vernachlässigt werden.
War die Quantifizierung der Klimaschutzbeiträge zunächst eine bloße Leistungszahl der Forstwirtschaft, so gibt es seit ca. 15 Jahren zunehmend heftige Auseinandersetzungen über verschiedene forstliche Bewirtschaftungsstrategien und ihre Auswirkungen auf den Klimaschutz. Das liegt zum einen an der internationalen Klimaschutzpolitik, die infolge des Kyoto-Protokolls seit 2008 auch die Kohlenstoffspeicherung der Wälder und später auch der Holzprodukte einbezogen hat und vor allem global die Frage nach dem zukünftigen Umgang mit den Wäldern für den Klimaschutz aufwarf. Zum anderen wurde 2007 die "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" verabschiedet, in der unter anderem das Ziel festgelegt wurde, insgesamt fünf Prozent der Waldfläche (10 % des öffentlichen Waldes) der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Diese eigentliche Naturschutz-Forderung wurde schnell eng mit dem Klimaschutz verknüpft, wonach unbewirtschaftete Wälder auch den besten Klimaschutzbeitrag liefern würden. Damit wurde der Klimaschutz als weiterer Streitpunkt in den Auseinandersetzungen zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz etabliert. Es stellt sich deshalb die Frage, wie es zu unterschiedlichen Daten und Aussagen in den wissenschaftlichen und politischen Diskussionen des Klimaschutzbeitrages von Wald, Forst- und Holzwirtschaft kommt.
Methodische Unterschiede bei Systemabgrenzung, zeitlicher und räumlicher Skala
Systemgrenzen: Es können je nach Fragestellung nur die lebende Biomasse (a), alle Speicher im Wald (b), die Speicher in Wald und Holzprodukten (c), Wald- und Holzspeicher und die Emissionen bei der Bereitstellung von Holzprodukten (d /Carbon Footprint) oder alle genannten Speicher und Emissionen sowie die Substitutionseffekte (e) betrachtet werden. So werden zum Beispiel in der internationalen Klimapolitik im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) nur die Speicher in Wald und Holzprodukten (c) erfasst, während Treibhausgas-Einsparungen durch Holznutzung im Energiesektor berücksichtigt werden.
Räumliche Skala: Die Betrachtung kann vom einzelnen Bestand über den Forstbetrieb bis zu regionalen, nationalen oder globalen Wäldern reichen. Räumliche Abgrenzungen können schnell durchstoßen werden, zum Beispiel durch Importe und Exporte. Daher müssen räumliche Übertragungen (kleinräumig auf großräumig und umgekehrt) zumindest kritisch geprüft werden.
Zeitliche Skala: Es macht einen Unterschied, welche Zeiträume (z. B. Inventurzeitraum, Umtriebszeit oder vollständiger Lebenszyklus) betrachtet werden. Zudem können die Betrachtungen rückwirkend (und damit in der Regel datenbasiert) oder als Projektionen in die Zukunft (und damit modellbasiert) erfolgen. Umso weiter die Projektionen in die Zukunft reichen, desto größer werden die Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Änderungen der Rahmenbedingungen. Das bezieht sich auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder (Wachstum, Schadereignisse wie z. B. Insektenbefall, Dürre oder Waldbrand), aber auch gesellschaftliche Änderungen (Nachfrage, Holzmärkte usw.)
Es liegt auf der Hand, dass es je nach Abgrenzung des betrachteten Systems und der Kombination mit räumlichen und zeitlichen Skalen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Beim Vergleich forstlicher Bewirtschaftungssysteme muss einem existierenden System (meist der bewirtschaftete Wald in seiner aktuellen Form) ein fiktives, alternatives System (oft keine oder extensive Waldbewirtschaftung) gegenübergestellt werden. Solche Vergleiche sind nur aussagekräftig, wenn sie unter den gleichen Rahmenbedingungen und mit vergleichbaren Outputs/Nutzen erfolgen.
Der meist entscheidende Faktor für unterschiedliche Ergebnisse vergleichender Studien ist die (Nicht-)Berücksichtigung der Substitution und damit die Abgrenzung des betrachteten Systems. Werden Substitutionseffekte einbezogen, ist die gesamte Klimaschutzleistung des nachhaltig bewirtschafteten Waldes meist deutlich höher als im unbewirtschafteten Wald. Wird der Klimaschutzeffekt durch Substitution hingegen weggelassen, weist der unbewirtschaftete Wald eine höhere Klimaschutzleistung auf, weil im bewirtschafteten Wald der Aufbau des Biomassespeichers aufgrund der Holznutzung geringer ist und nur ein Teil des Kohlenstoffs weiterhin in Holzprodukten gespeichert bleibt.
Hier kommt allerdings auch die zeitliche Skala ins Spiel, da mit zunehmender Betrachtungsdauer im unbewirtschafteten Wald Zerfallsphasen erreicht werden, bei denen der Biomassezuwachs gleich oder gar kleiner als die Mortalität ist. Auch im nachhaltig bewirtschafteten Wald kann der Speicher der lebenden Biomasse nicht unbegrenzt erhöht werden und in Folge des Waldumbaus sogar zurückgehen. Der Holzproduktespeicher ist hingegen noch deutlich ausbaubar, allein schon durch eine Verringerung des Anteils des Holzes, das direkt energetisch genutzt wird. Je nach Lebensdauer der Holzprodukte kann der vergrößerte Speicher dann mit zeitlichem Versatz aber auch hohe Abgänge haben. Die Substitution ist ein dauerhafter Beitrag zum Klimaschutz, solange der Energie-Mix nicht vollständig aus erneuerbaren Quellen besteht (zu denen Holz insbesondere zur Wärmeerzeugung aber immer einen Beitrag leisten wird).
Bezüglich der räumlichen Skala entstehen Streitpunkte häufig durch Aufskalierung kleinräumiger Ergebnisse. Zum Beispiel kann die Kohlenstoffspeicherung von Einzelbäumen oder unbewirtschafteten Einzelwaldflächen nicht ohne weiteres als erreichbarer Zielwert auf Bestände bzw. großer Fläche angesetzt werden. Ein weiterer räumlicher Aspekt ist die Frage, inwieweit Maßnahmen innerhalb eines betrachteten Gebiets (negative) Verlagerungseffekte außerhalb des Gebietes haben.
Ein komplexes System verlangt eine differenzierte Betrachtung
Auf Abbildung 1 bezogen, handelt es sich bei den Auseinandersetzungen zu forstlichen Klimaschutzstrategien um die Veränderung der Kohlenstoffflüsse (Pfeile) und deren Bewertung. Eine großräumige Erhöhung des gesamten Biomassezuwachses könnte über Aufforstungen oder den vermehrten Einsatz wuchskräftiger Baumarten erfolgen. Ansonsten geht es um eine Umverteilung der Kohlenstoffflüsse innerhalb des Systems, wobei die Vergrößerung eines Speichers dann immer zulasten eines anderen Speichers geht. Zum Beispiel kann der Speicher der lebenden Biomasse durch verringerte Holznutzungen erhöht werden, was jedoch zulasten des Holzproduktespeichers und der Substitution geht. Innerhalb des Holzsektors ist die Verteilung zwischen energetisch und stofflich genutztem Holz wichtig, da der Anteil des direkt energetisch genutzten Holzes zulasten der Größe und Dauerhaftigkeit des Produktespeichers und der Materialsubstitution geht.
Abb. 3: Der Rohstoff Holz bindet Kohlenstoff. Ferner werden bei der Herstellung, Gebrauch und Entsorgung fast immer deutlich weniger Treibhausgase emittiert als bei funktionsgleichen Produkten aus anderen Rohstoffen. Die Entsorgung erfolgt oft durch Verbrennung, wodurch wieder fossile Energieträger eingespart werden (Herbert Borchert, LWF).
Folgende Aspekte sollten bei der Diskussion des Klimaschutzbeitrages der Forst- und Holzwirtschaft beachtet werden:
- Ein dauerhafter Klimaschutzbeitrag kann nur in Kombination mit der Anpassung der Wälder an den Klimawandel erfolgen. Widerstandsfähige, an zukünftige Klimabedingungen angepasste Wälder sind die Basis für stabile Waldspeicher und eine nachhaltige Holzbereitstellung. Dafür muss auch eine eventuelle, zukünftige Verringerung des Klimaschutzbeitrages in Kauf genommen werden.
- Vergleiche von Bewirtschaftungsalternativen sollten grundsätzlich unter gleichen Rahmenbedingungen erfolgen (siehe oben). Großräumige Betrachtungen zum Klimaschutz sind wegen der deutlich besseren Datengrundlagen (Bundeswaldinventur, Bodenzustandserhebung, Holzmarkt inkl. In- und Exporte) aussagekräftiger und robuster als sehr kleinräumige, bei denen aufgrund fehlender lokaler Daten wissenschaftliche Ergebnisse oft räumlich und zeitlich übertragen werden müssen.
- Die potenzielle Substitution muss in umfassenden Klimaschutzbilanzen berücksichtigt werden. Die Höhe der Substitutionsleistung hängt von der jeweiligen Verwendung des Holzes und der Substitutionsmöglichkeit ab und kann stark variieren.
- Wird bei einer Analyse ausschließlich das System Wald ohne Holznutzung betrachtet, werden mögliche Konsequenzen im Konsumverhalten nicht berücksichtigt. Die Menschen haben Bedürfnisse nach Produkten und Energie. Werden diese nicht von der regionalen Forstwirtschaft zur Verfügung gestellt, gibt es drei denkbare Folgen:
- Das Holz wird importiert, gegebenenfalls aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft,
- statt Holz werden andere Materialien bzw. Brennstoffe mit höheren Treibhausgas-Emissionen genutzt oder
- es muss auf den Konsum von Produkten und Brennstoffen verzichtet werden.
- Das zentrale Ziel des globalen Klimaschutzes ist die deutliche Reduktion der anthropogenen, fossilen Treibhausgas-Emissionen, um das 2°-Ziel zu erreichen. Der Forst-Holz-Sektor ist aktuell der einzige, der keine Netto-Emissionen produziert. Andere Sektoren mit hohen Treibhausgas-Emissionen wie Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr oder Haushalte sind weit stärker gefordert.
- Forst- und Holzwirtschaft tragen in ihrer aktuellen Form zum Klimaschutz bei. Je stärker alternative Vorschläge zum forstlichen Klimaschutz von diesem Status Quo abweichen, desto klarer müssen dann auch die konkreten Steuerungsinstrumente (gesetzliche Regelungen, Besteuerung, Förderung, Beratung, Zertifizierung, Marktinstrumente usw.) benannt werden, mit denen die Ziele realistisch erreicht werden können.
- Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität sollten in Diskussionen auseinandergehalten werden. Nicht jede Naturschutz-Maßnahme ist per se gut für den Klimaschutz. Umgekehrt darf Klimaschutz im Einzelfall kein Argument gegen einen naturschutzfachlich begründeten Nutzungsverzicht sein. Einen großflächigen Nutzungsverzicht mit Klimaschutz zu begründen, ist nach dem jetzigen Stand des Wissens jedenfalls nicht gerechtfertigt.
- Klimaschutz ist nur eine von vielen Leistungen von Wald und Forstwirtschaft. Der Klimaschutzbeitrag muss grundsätzlich mit anderen Leistungen des Waldes wie Holzbereitstellung, Boden-, Wasser-, Landschafts- und Naturschutz- und Erholungsfunktion abgewogen werden. Eine moderne, multifunktionale Forstwirtschaft muss unterschiedliche Ansprüche austarieren und gegebenenfalls einzelne Leistungen priorisieren. Klimaschutz kann dann lokal auch eine nachrangige Bedeutung haben.
Verschiedene Aussagen zur Klimaschutzwirkung von Forst- und Holzwirtschaft wird es immer geben. Ziel war es, hier wesentliche Aspekte darzulegen, die bei der Einordnung unterschiedlicher Argumente helfen können.