Alte Eichen prägen das Bild des circa 180 Hektar großen Nymphenburger Schlossparks. Seit mehr als 300 Jahren stehen sie schon hier. Die ältesten Eichen dürften wohl noch aus der Hutenutzung stammen, ehe der französische Nymphenburger Jagdpark mit seinen langen Alleeachsen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt wurde. Einige der heute noch vorhandenen Alteichen wurden vermutlich auf Anweisung des wohl berühmtesten Gartenarchitekten seiner Zeit, Friedrich Ludwig von Sckell (1750–1823) in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Park gepflanzt. Um die Jahrtausendwende hatte sich die Vitalität der ehrwürdigen Eichen teils deutlich verschlechtert. Um dem Problem auf den Grund zu gehen, ordnete das Bayerische Staatsministerium für Finanzen 2002 eine Überprüfung des Gesundheitszustandes der alten Eichen an. Daraus entstand ein Gemeinschaftsprojekt der Gärtenabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung (BSV) und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Die Projektumsetzung begann 2003 und dauert bis heute an. Nähere Informationen zu Ursprung sowie Ergebnissen bis 2011 enthält die Broschüre LWF Wissen Nr. 68.

Behandlung

Im Schlosspark Nymphenburg wurden im Jahr 2005, 2010 und 2015 gezielte Freistellungen zugunsten von sogenannten Hauptstrukturbäumen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um Baumindividuen, die durch tiefe Beastung oder malerischen Wuchs das Landschaftsbild besonders durch ihre Schönheit und Vitalität prägen. Bei den Freistellungen 2005 wurden bis zu fünf Bedränger pro Hauptstrukturbaum entnommen, bei den Freistellungen 2010 und 2015 wurden mit ein bis drei Bedrängern schwächere Eingriffe geführt. Gefördert wurden schwerpunktmäßig Eichen, daneben allerdings auch neun weitere Baumarten. Nach den strukturfördernden Eingriffen erfolgten dendrometrische Aufnahmen sowie Auswertungen. Besonders herausfordernd waren die Auslichtungen in den geschlossenen Gehölzbeständen aufgrund des regen Besucherverkehrs in Verbindung mit vielfältigen Informationswünschen zu den Maßnahmen seitens der Besucher.

Ergebnisse der Alteichen-WZE im Schlosspark

Im Jahr 2020 wurden rund 120 Alteichen im Schlosspark Nymphenburg visuell begutachtet. Hierbei handelt es sich nahezu um das gleiche Kollektiv wie 2003, lediglich einzelne ausgefallene Eichen wurden zwischenzeitlich durch neu ausgewählte Alteichen ersetzt. Abbildung 3 zeigt die prozentuale Entwicklung des sogenannten Nadel- bzw. Blattverlustes (NBV), einem Parameter, der in der Waldzustandserhebung als Indikator für die Vitalität von Bäumen erhoben wird. Die Trendlinie zeigt, dass der NBV der Alteichen seit Beobachtungsbeginn tendenziell zurückgegangen ist. Vergleicht man die mittleren NBV-Werte im Schlosspark Nymphenburg mit den Werten für die Baumartengruppe Eiche der jährlichen Waldzustandserhebung in Bayern, so erkennt man insbesondere zu Beginn der Beobachtung deutlich höhere NBV-Werte im Schlosspark Nymphenburg. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass im Rahmen der Waldzustandserhebung in den Wäldern Stiel- und Traubeneichen aufgenommen werden, während im Schlosspark Nymphenburg ausschließlich Stieleichen vorhanden sind.

Neben den Nadelblattverlusten wird bei den Alteichen im Schlosspark auch der Fruktifikationsstatus jährlich angesprochen. Wie in den Wäldern auch, erwiesen sich Einzeljahre als Mastjahre, d. h. als Jahre mit reichlichem Fruchtansatz. Besonders stark ausgeprägte Mastjahre waren die Jahre 2007 und 2008 sowie die Jahre 2018 und 2020. Dagegen erwiesen sich die Jahre 2011 sowie 2019 als äußerst ungünstige Jahre der Fruchtbildung.

Im Rahmen der Zustandserhebung an den Alteichen im Schlosspark Nymphenburg werden auch weitere biotisch und abiotisch verursachte Schäden aufgenommen. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 dominierten hierbei Fraßschäden, die durch Schmetterlingsarten wie Schwammspinner oder Frostspanner verursacht wurden. 2019 wurde erstmals der Befall einer Alteiche durch den Eichenprozessionsspinner aufgezeichnet. Weiterhin wurde 2019 und 2020 an einer Alteiche der Befall mit dem relativ seltenen Eichenwirrling (Daedalea quercina) festgestellt, einer Pilzart aus der Familie der Baumschwammverwandten (Fomitopsidaceae).

Über die benannten Schäden an den Alteichen hinaus fällt im Schlosspark Nymphenburg an anderen Laubbäumen (insbes. Linden und Birken) der ausgeprägte Mistelbefall mit Laubholzmisteln (Viscum album) auf, der auch Gegenstand intensiver Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ist.

Wertung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten im Schlosspark Nymphenburg sind auch für die forstliche Praxis relevant und rechtfertigen das Engagement der LWF im Bereich der "urban forestry". In Städten sind Bäume Umweltbedingungen (insbes. Temperatur) ausgesetzt, die sich deutlich von denen im Umland unterscheiden. So berichtet beispielsweise die ESK-Plattform des Helmholtz-Zentrums (Earth System Knowledge Plattform) von Temperaturbeobachtungen in Berlin (Stadt), die etwa 5 °C über denen des ländlichen Umlandes liegen. Demnach ermöglicht das räumliche Nebeneinander von Beobachtungen im städtischen und ländlichen Raum eine vorweggenommene Betrachtung einer zeitlich zu erwartenden Abfolge.

Die Beobachtungen zeigen, dass die Stieleichen mit den veränderten Umweltbedingungen (insb. höheren Temperaturen) bisher gut zurechtgekommen sind. Es muss aber in Betracht gezogen werden, dass der Schlosspark Nymphenburg mit seiner relativ günstigen Lage in einer niederschlagsreichen Region in Bayern nicht in der Lage ist, Extrema abzubilden. Gleichzeitig weisen die Ergebnisse darauf hin, dass eine gezielte Freistellung der Alteichen durch Entnahme von bedrängenden Bäumen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Vitalitätssteigerung der Altbäume führen kann.

Die Entwicklungen rund um den Mistelbefallsindex haben gezeigt, dass es möglich ist, den Mistelbefall quantititativ zu beschreiben. Weitere Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Automatisierung der Auswertung, sollen erfolgen. Aktuell wird die beschriebene Methodik im Rahmen eines Projekts auf Waldbäume übertragen, um eine zahlenmäßige, repräsentative Beschreibung der Mistelbefallssituation in bayerischen Wäldern zu ermöglichen.

Misteluntersuchungen

Seit 2019 beobachtet die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Kooperation mit der Bayerischen Schlösserverwaltung regelmäßig die Entwicklung der Misteln. Hierfür wird die sogenannte Hochallee jährlich mit UAV-Technologie (ugs. Drohnen) beflogen. Die Befliegung der 505 Winterlinden entlang der Hochallee erfolgt jeweils im laubfreien Zustand im Frühjahr. Abbildung 6 vermittelt einen Eindruck von der Befallssituation sowie von der Befliegung 2019. Zu Vergleichszwecken wurden 2019 mit Hilfe eines Hubsteigers der BSV Misteln von Linden entnommen und an der LWF vermessen.

Abb. 7.1 und 7.2: Laubholzmisteln (Viscum album) (Fotos: Philipp Gilbert).

Die bisher gewonnenen Daten ermöglichten die Entwicklung des sogenannten Mistelbefallsindizes (MBI), eines Indexes, der es ermöglicht, den Mistelbefall von Bäumen mit Hilfe einer dimensionslosen Maßzahl quantiativ zu beschreiben. Der Mistelbefallsindex errechnet sich dabei aus den Quotienten aus der Mistelfläche sowie der Kronenprojektionsfläche, jeweils bei zweidimensionaler Betrachtung. Der MBI kann demnach Werte zwischen 0 (=kein Mistelbefall) sowie maximal 1 (=Mistelfläche ist gleich der Kronenprojektionsfläche) annehmen und wird auf Einzelbaumebene berechnet. Bisher wurde er manuell berechnet, die Eingangsdaten wurden mit Hilfe einer GIS-Applikation händisch ermittelt.

2019 bewegte sich der MBI zwischen 0 (bzw. 0 %) und 0,441 (bzw. 44,1%). Im Mittel lag der MBI 2019 für alle betrachteten 319 Linden der Hochallee bei 0,071 oder 7,1 %. 2021 lagen die MBI-Werte zwischen 0 (bzw. 0 %) und 0,451 (bzw. 45,1 %). Der mittlere MBI 2021 lag bei 0,09 bzw. 9,0 %. Verteilt man die MBI-Werte auf fünf Klassen "kein Befall" bis "extremer Befall", so ergibt sich für die Jahre 2019 und 2021 das in Abbildung 8 dargestellte Bild, welches die Ausbreitung der Misteln entlang der Hochallee im Schlosspark Nymphenburg zahlenmäßig beschreibt. Demnach ist die Mistelentwicklung in zwei Jahren entsprechend vorangeschritten.

Nach den vergleichenden Auswertungen der MBI-Werte der Jahre 2019 nach 2021 muss kritisch angemerkt werden, dass in circa 10 % der Fälle die Mistelflächen der Folgebefliegung deutlich kleiner waren als bei der Befliegung 2019, was nur zum Teil mit den 2019 entnommenen Misteln erklärt werden kann. Vielmehr wird als mögliches Problem die vergleichende, manuelle Abgrenzung der Kronen- und Mistelflächen angesehen.

Zusammenfassung

Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft führt seit mehreren Jahren Forschungsaktivitäten in Kooperation mit der Bayerischen Schlösserverwaltung im Schlosspark Nymphenburg durch. Die bisherigen Ergebnisse besitzen einen hohen Wert für beide Institutionen. Für die praktische Forstwirtschaft besitzen sie deswegen eine große Relevanz, da das Stadtklima bereits heute Bedingungen entspricht, die für umgebende Waldflächen auf dem Land erst in den kommenden Jahrzehnten erwartet werden. Gemeinsam entwickelt wurde ein Mistelbefallsindex, der die quantitative Beschreibung des Mistelbefalls von Einzelbäumen ermöglicht und der zukünftig die Definition von Schwellwerten des Mistelbefalls erlaubt, der Zuwachseinbußen bzw. eine gesteigerte Letalität von Bäumen erwarten lässt.