In baumzahlarmen Laubholzkulturen oder Trupp-Pflanzungen führt eine ungenügende natürliche Astreinigung, insbesondere der vitalen Bäume, zu unbefriedigenden Schaftqualitäten. Hier stellt sich die Frage, ob eine frühzeitige Grünästung eine bessere Alternative bietet. In einem Ästungsversuch mit Bergahorn, Buche, Eiche und Esche wurden die Auswirkungen auf Fäule- und Wasserreiserbildung, Überwallungsdauer und Radialzuwachs untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Grünästung zur Aufwertung der Stammqualität durchaus in Frage kommt, sofern bestimmte Voraussetzungen berücksichtigt werden.
Bisheriges Wissen und offene Fragen
Zur Grünästung von Laubbäumen gibt es bereits einige Untersuchungen, die zu einer insgesamt positiven Einschätzung kommen (siehe z. B.: Steuerung von Astreinigung). Vor allem in Bezug auf den maximalen Durchmesser der zu entnehmenden Äste sowie den Ästungszeitpunkt sind jedoch noch viele Fragen offen. Im Jahr 2004 wurde deshalb von der Abteilung Waldwachstum der FVA Baden-Württemberg ein Grünästungsversuch in Bergahorn-, Eschen-, Eichen- und Buchenbeständen aus Naturverjüngung begonnen, um die Auswirkungen auf Fäule, Verfärbungen und Wasserreiserbildung sowie auf Überwallungsdauer und Radialzuwachs zu untersuchen. Die Ästungen erfolgten im März außerhalb der Saftzeit und im Juni, es wurden Grünäste bis zu 80 mm Durchmesser entfernt.
Material
In jeweils typischen Wuchsgebieten Baden-Württembergs wurden in Stangenhölzern von 8-14 m Oberhöhe je Baumart 2, bei Buche 5 Versuchsparzellen angelegt (Abb. 1). In jeder Parzelle wurden mindestens 10 Bäume im Frühjahr (März) und Sommer (Juni) blockweise auf 3 bis 9°m geästet, wobei zwischen 19 und 56%, im Mittel 40% der grünen Krone entfernt wurden. Der Durchmesser der entnommenen Äste lag zwischen 6 und 80 (im Mittel 31,4) Millimeter. Die Ästung erfolgte durch einen erfahrenen Forstwirtschaftsmeister unter Benutzung des Distelleitersystems (siehe: Was muss man bei der Laubholz-Grünästung beachten?). Als Kontrollvariante wurden weitere 10 nicht geästete Bäume ausgewählt und zusammen mit den geästeten Bäumen freigestellt. Neben anderen Parametern wurde an den stehenden Bäumen jährlich der Wasserreiserbesatz (Anzahl und Länge in Kategorien) erfasst. Der Einschlag der Bäume erfolgte 2011 bzw. 2012. An den gefällten Bäumen wurden asthaltige Stammabschnitte entnommen, an denen Fäule- und Verfärbungserscheinungen, der Überwallungszeitraum und der Radialzuwachs bestimmt wurden.
Ergebnisse
Fäule und Stammverfärbungen
Bei einer Grünästung besteht grundsätzlich die Gefahr einer Infektion mit holzzerstörenden Pilzen. Um dieses Risiko gering zu halten, wird häufig empfohlen, keine Äste dicker als 3 cm zu entfernen (siehe z. B.: Die Wertästung, Leitfaden zur Ästung) und Ästungen außerhalb der Saftzeit zu vermeiden. Andere Autoren sehen dagegen die Gefahr einer Fäulebildung oder Verfärbung zumindest bei Eiche bis zu Astdurchmessern von 4 bis 6 cm als unbedeutend. In der vorliegenden Untersuchung wurde in keinem einzigen Fall Fäule im Stammholzbereich festgestellt, ein Befund der sich mit Ergebnissen anderer Arbeiten deckt. Vereinzelt waren im Inneren der Äste Faulstellen zu finden, die sich aber immer auf das Astholz beschränkten und nach außen abgeschottet waren (Abb. 2a). Teilweise hatten sich jedoch ausgehend von den Ästen Verfärbungen im Stamm gebildet (Abb. 2b). Während Stammverfärbungen bei natürlicher Astreinigung außer bei Bergahorn nicht bzw. nur in geringem Umfang auftraten (Tab. 1), waren sie bei Grünästung bei allen Baumarten zu beobachten, wobei die Esche mit einem Anteil von 54% verfärbter Stammproben hervorsticht. Als entscheidender Einflussfaktor für Verfärbungen stellte sich bei den statistischen Analysen der Astdurchmesser heraus.
Die bei geästeten Eschen generell hohe Empfindlichkeit gegenüber Stammholzverfärbungen ist holztechnologisch unproblematisch, weil sich die Verfärbungen auf den asthaltigen Kern beschränken, der für höherwertige Schnittholzprodukte ohnehin herausgetrennt wird.
Wasserreiser
Wasserreiser können auch bei ansonsten guten Schaftqualitäten den Wert eines Stammholzstückes erheblich mindern. Für ihre Entstehung werden neben einer baum- und baumartenspezifischen Disposition (siehe z.B.: Zur Steuerung von Astreinigung) Lichteinflüsse und Stressfaktoren wie z.B. eine Durchforstung oder eine Grünästung verantwortlich gemacht. In der vorliegenden Untersuchung traten Wasserreiser mit Ausnahme der Esche sowohl bei den geästeten als auch den ungeästeten Bäumen auf, was darauf hindeutet dass die Wasserreiserbildung nicht alleine auf die Ästung zurückzuführen ist.
Einen signifikanten Einfluss auf die Wasserreiserbildung hatten neben dem Faktor Zeit der H/D-Wert zu Versuchsbeginn, bei den geästeten Bäumen außerdem der mittlere Radialzuwachs während der Beobachtungsdauer. Der Ästungszeitpunkt erwies sich als nicht signifikant.
Abb. 3: Anteil an Bäumen mit Wasserreisern bei Grünästung und natürlicher Astreinigung über der Zeit.
In Abb. 3 sind die Modellergebnisse für die geästeten und ungeästeten Bäume einander gegenübergestellt. Die Fläche zwischen den beiden Kurven lässt sich als Effekt der Grünästung auf die Wasserreiserbildung interpretieren: Beim Bergahorn nimmt der Anteil der Bäume mit Wasserreisern nach Grünästung wie auch bei natürlicher Astreinigung zunächst zu. Der Unterschied zwischen den Kollektiven verringert sich rasch und am Ende des Bobachtungszeitraums liegt der Anteil an Bäumen mit Wasserreisern bei Ahorn und Esche bei nahe Null. Die geästeten Eichen weisen zu Beginn die meisten Bäume mit Wasserreisern auf und liegen auch bei der letzten Beobachtung auf einem höheren Niveau als Bergahorn und Esche. Bei Buche hat der hohe Anteil an Bäumen mit Wasserreisern sowohl bei dem geästeten als auch dem nicht geästeten Kollektiv entgegen dem Trend bei den anderen Baumarten im Laufe der Zeit sogar zugenommen. Die Gründe hierfür werden im nächsten Abschnitt dargelegt.
Radialzuwachs
Abb. 4 zeigt den jährlichen Radialzuwachs der beiden Ästungskollektive (rot: Frühjahrs-, grün: Sommerästung) und des Kontrollkollektivs sowie dessen Standardabweichung (blau bzw. blau schraffiert). Außerdem sind das Trockenjahr 2003 und das Ästungsjahr 2004 eingezeichnet. Die Radialzuwächse der 3 Kollektive liegen sowohl vor als auch nach der Ästung eng beieinander. Bei allen 4 Baumarten ist zu erkennen, dass das Trockenjahr 2003 offensichtlich den Radialzuwachs stärker beeinflusste als die im Jahr 2004 durchgeführte Grünästung. Ein Zurückbleiben des Radialzuwachses gegenüber dem Kontrollkollektiv ist weder für die im Frühjahr noch die im Sommer geästeten Bäume festzustellen. Signifikante Abweichungen (Sternsymbole) beschränken sich vielmehr auf positive Zuwachsreaktionen der geästeten Bäume.
Mit Ausnahme der Buche geht der Zuwachs vor Versuchsanlage (und damit vor der Durchforstung) bei allen Baumarten und Kollektiven zurück, was auf zunehmende Konkurrenz hindeutet. Die Durchforstungen im Jahr 2004 führen zu einem Zuwachsanstieg in den ersten 4 Jahren nach Versuchsbeginn. Dies wird besonders deutlich bei der Buche, deren Zuwachs vor 2004 auf konstant niedrigem Niveau war und die entsprechend stark durchforstet wurde, was vermutlich auch zu dem hohen Anteil geästeter und ungeästeter Bäume mit Wasserreisern geführt hat (Abb. 4).
In Abb. 5 ist der Radialzuwachs unterschiedlich stark geästeter Bäume in Relation zum Kontrollkollektiv dargestellt. Zwar führen kräftige Ästungseingriffe (rote Linien) zu einer stärkeren Zuwachsreduktion als schwächere (grüne Linien), jedoch erreichen auch diese Bäume nach maximal 2-3 Jahren wieder ihr ursprüngliches Zuwachsniveau. Da die Ästung blockweise erfolgte, handelte es sich bei den stärker geästeten Bäumen auch um Bäume mit größerer Krone. Aufgrund ihrer Vitalität können diese Bäume auch stärkere Ästungseingriffe schnell kompensieren.
Überwallungsdauer
Die Überwallungsdauer spielt vor allem im Hinblick auf eine Infektion durch Pilze eine wichtige Rolle. In Abb. 6 fällt insbesondere die Buche auf, die bei natürlicher Astreinigung zur Überwallung von nur 25 mm dicken Aststummeln bis zu 18 Jahren benötigte. Aus der Abbildung geht hervor, dass die Überwallung nach Grünästung fast doppelt so schnell erfolgt wie bei natürlicher Astreinigung. Astdurchmesser und Radialzuwachs, bei den nicht geästeten Bäumen auch die Totastlänge, haben einen signifikanten Einfluss auf den Überwallungsprozess.
Nach den Modellergebnissen dauert die Überwallung bei Grünästung und Aststärken von 3 cm etwa 3 bis 5, bei natürlicher Astreinigung dagegen 7 bis 9 Jahre.
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Überwallungsdauer und Astdurchmesser.
Schlussfolgerungen
Die Versuchsergebnisse bestätigen die auch in anderen Untersuchungen gefundene positive Einschätzung einer Grünästung zur Steigerung der Holzqualität. Risiken hinsichtlich Fäule- und Wasserreiserbildung und Zuwachsverluste sind bei sachgemäßer Durchführung als gering zu bezeichnen. Der Einfluss des Ästungszeitpunktes erwies sich im Hinblick auf die untersuchten Merkmale als nachrangig. Wie die Studie zeigt, können auch deutlich dickere Äste als 30 mm gefahrlos entnommen werden, wenn die entsprechende Schnitttechnik angewendet wird (siehe: Was muss man bei der Laubholz-Grünästung beachten?). Ein wichtiger Aspekt der sachgemäßen Durchführung einer Grünästung ist die Auswahl möglichst vitaler Bäume für die Ästung und deren konsequente Freistellung. Zwar erhöht sich hierdurch vorübergehend das Risiko einer Wasserreiserbildung, auf eine Durchforstung zu verzichten wäre jedoch verkehrt, weil ein geästeter Baum sich u.U. gegenüber konkurrenzstärkeren Nachbarn nicht behaupten kann. Da die Neigung zur Wasserreiserbildung baumindividuell sehr unterschiedlich ist wird empfohlen, bei der Auswahl der zu ästenden Bäume besonders sorgfältig auf entsprechende Merkmale zu achten.