Im Sommer 2005 verfärbten sich während des Frühsommers an einigen warmen und besonnten Hanglagen des Mittleren Schwarzwalds und entlang des Hochrheins die Kronen von zuvor gesund erscheinenden Fichten im Baum- und Altholzalter innerhalb weniger Wochen schmutzig-rotbraun. Das Schadbild erstreckte sich unregelmäßig über den Bestand. Dabei waren meist wüchsige Standorte aus dem mäßig frischen bis frischen Spektrum betroffen. Auch aus dem Schweizer Tiefland wurden solche Schäden gemeldet – hier jedoch auf eher trockenen Schotterstandorten.

Bei näherer Betrachtung erkannte man, dass die Wipfel der betroffenen Fichten von oben herab abstarben, in einem von Baum zu Baum ganz unterschiedlichen Ausmaß (Abbildung 1). Zum Teil waren die Nadeln rot verfärbt, die Zweige schütter benadelt oder es fehlten ganze Nadeljahrgänge. Die diesjährigen Triebe waren oft zu Nottrieben verkümmert, vertrocknet oder erst gar nicht ausgetrieben. Nur in einem Teil dieser Bäume brüteten Kupferstecher und/oder Buchdrucker. An vielen jüngeren Zweigen, in der Krone der betroffenen Bäume, fielen zahlreiche an Kaffeebohnen erinnernde häutige Blasen auf, die meist in den Astquirlen saßen, manchmal aber auch direkt am Trieb des letzten Jahres (Abbildungen 2 und 3).

Verursacher dieser auffälligen Blasen sind zwei Lausarten, die Kleine und die Große Fichtenquirlschildlaus (Physokermes hemicryphus, Physokermes piceae). Die beiden Fichtenquirlschildlausarten sind sich sehr ähnlich, jedoch unterscheiden sie sich in allen Entwicklungsstadien in der Größe. Beide Lausarten entwickeln nur eine Generation mit einer festen Abfolge von Entwicklungsstadien im Jahr. Sie leben bevorzugt an Fichtenarten (darunter auch Picea abies), zum Teil auch an Weißtannen (Abies alba) und treten von den ebenen Lagen bis hin zur Baumgrenze auf.

Entwicklungszyklus

Beispielhaft soll hier der Entwicklungszyklus der Großen Fichtenquirlschildlaus beschrieben werden:

Die Weibchen sind anfangs oval und rötlich bis gelblich gefärbt. Ihr Hinterleib wächst im Laufe des Frühlings zu einer glänzendbraunen sogenannten Brutblase mit 7-8 mm Größe an. In diese Brutblase hinein legen sie die Eier - je nach Witterung im Mai bis Juni. Nach dem darauffolgenden Tod des Muttertieres schlüpfen die Erstlarven Ende Juni/Anfang Juli aus der Brutblase.

Nach der ersten Häutung im August/September wandern die Zweitlarven an die diesjährigen Triebe: die jungen Weibchen der Großen Fichtenquirlschildlaus saugen sich unter Knospenschuppen und äußerlich sichtbar am Holz der Triebe fest. Meist findet man sie an den Verzweigungsstellen des Feinreisigs. Die länglich geformten Männchen wiederum sitzen an den Unterseiten der Nadeln unter einer weißlichen Wachsschicht. Dieses zweite Larvenstadium überwintert unter Knospenschuppen.

Imker und Graue Schildlausrüssler freuen sich

Schon seit 2004, noch bevor der Befall der Läuse auffällig wurde, fielen mancherorts große Anzahlen von Grauen Schildlausrüsslern (Brachytarsus nebulosus) in Fichtenkronen oder unter losen Rindenpartien ihrer Überwinterungsbäume auf: diese räuberische Breitrüsslerart frißt bevorzugt Eier und Imagines der Fichtenquirlschildläuse und konnte sich im Zuge der Lausvermehrung ebenfalls gut entwickeln.

In normalen Jahren sind Kleine und Große Fichtenquirlschildlaus in schwankender Populationsdichte in Fichtenbeständen weit verbreitet. Vor allem nach warmen Jahren kommt es immer wieder zu Massenvermehrungen, die von den Imkern sehr geschätzt werden: Da die Läuse zuckerhaltigen Saft aus dem Bast und aus den Nadeln der Bäume saugen, der als Honigtau wieder ausgeschieden wird, tragen sie ganz erheblich zur Fichtentracht bei.

Auf dem Honigtau und damit auch zum Teil auf den Läusen können sich schwarze Rußtaupilze entwickeln, die den Zweigen bei starkem Befall ein typisches schmieriges Aussehen verleihen.

Spürbare wirtschaftliche Schäden durch Nadelverluste aufgrund von Fichtenquirlschildlausbefall waren bislang nur in Christbaumkulturen bekannt, äußerst selten dagegen kommen sie in älteren Beständen vor.

Ursachen und Folgen der Laus-Massenvermehrung

Während die extrem warm-trockene Periode 2003/2004 die Widerstandskräfte der Fichten stark herabsetzte, förderte sie gleichzeitig die Vermehrung der Fichtenquirlschildläuse. Deren massenhafte Saugtätigkeit kann zu Kronenschäden unterschiedlicher Ausprägung führen. Mit der Normalisierung der Witterung brach die Lauspopulation vermutlich schon in diesem Jahr zusammen.

Die Folgen der Trockenheit und der massive, aber sekundäre Lausbefall disponierten einen großen Teil der Fichten vor allem für die spätere Besiedelung durch Borkenkäfer, so dass sich das ungewöhnliche aber an sich harmlose "Lausproblem" mit seinen auffälligen Symptomen im weiteren Verlauf des Sommers 2005 oft in ein "Käferproblem" verwandelte. Ein Teil der Bäume schien dagegen weiterhin frei von Borkenkäferbefall zu bleiben. Zudem fanden sich an manchen Bäumen mit Kronenschäden nur sehr vereinzelt die Überreste der Fichtenquirlschildläuse, so dass auch rein abiotisch bedingte Trockenschäden zu verspäteten Schäden auf denselben Flächen geführt haben müssen.

Auf die Fichtenquirlschildläuse folgen oft Borkenkäfer

Meist besiedelten zuerst Kupferstecher die von Läusen befallenen Fichten, anschließend folgten Buchdrucker. Kronenschäden mit und ohne Kupferstecherbefall bis zu etwa einem Drittel der Kronenlänge können vom Baum ausgeheilt werden und stellten somit keinen zwingenden Grund für einen Einschlag dar. Der Einschlag der betroffenen Fichten wurde notwendig, sobald der Kronenschaden ausgedehnter war oder sich Buchdruckerbefall einstellte.

Die Differenzierung nach Bäumen mit und ohne Käferbefall ist bei stehenden Bäumen jedoch schwierig. Der probeweise Einschlag weniger stark geschädigt ausssehender Bäume erwies sich als probates Mittel, um Aufschluss über die Borkenkäfer–Befallssituation im Bestand zu geben. Die Überwachung und Bekämpfung von Buchdruckerbefall in den betroffenen Beständen bleibt nach wie vor wichtig, um ein Übergreifen auf Bestandesteile zu verhindern, die sich von den Trockenschäden erholt haben.

Konsequenzen

Einem vergleichbaren waldbaulichen Risiko durch die Auswirkungen künftiger Dürreperioden kann nur mit einer Verringerung des Fichtenanteils in den tiefen bis mittleren Lagen entgegengewirkt werden.