Waldbrände werden heute überwiegend als destruktiv und schädlich eingestuft. Dabei können sich viele Wälder gerade erst durch Feuer natürlich entfalten und ihre hohe Artenvielfalt entwickeln. Selbst der Einsatz von kontrolliertem Feuer zur Wiederherstellung von natürlich strukturierten Wäldern ist längst kein Versuchsfeld mehr.
Wie natürlich sind Waldbrände in Europa?
Die Frage nach der Natürlichkeit von Waldbränden in Europa wird immer wieder gerade im Zusammenhang mit natürlicher Störungsdynamik aufgeworfen. Tatsächlich war Feuer schon in prähistorischer Zeit ein Schlüsselfaktor für die Dynamik vieler europäischer Ökosysteme. Seit der Mensch Feuer als Werkzeug verwendet, verändert er auch die Bedingungen, die zur natürlichen Feuerentstehung führen können (Feuerregime). Obwohl sich die genauen Ursachen der prähistorischen Brände heute nicht mehr mit der erforderlichen Genauigkeit rekonstruieren lassen, zeigen Aufschlüsse mit Holzkohlepartikeln und Pflanzenpollen wiederkehrende Brandereignisse sowohl in Mitteleuropa als auch im Mittelmeerbecken während der nacheiszeitlichen frühen Wärmezeit. Nach einem kurzzeitigen Rückgang der Feueraktivität gibt es im Mittelmeergebiet einen deutlichen Anstieg ab etwa 4.000 v. Chr. und ab etwa 1.700 v. Chr. in Mitteleuropa im Zusammenhang mit neolithischer Brandrodungstätigkeit.
Dennoch gibt es auch deutliche Hinweise auf natürliche Feuerregime in Europa. Die borealen Wälder Nordeuropas entwickelten sich beispielsweise unter dem Einfluss eines regelmäßig wiederkehrenden Feuerregimes bis zum Beginn der modernen Forstwirtschaft in Skandinavien. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Beobachtung, dass frühe Siedlungsplätze auf der Iberischen Halbinsel sehr häufig in Gebieten liegen, deren wind-getriebene Feuerregime auch heute noch in Zusammenhang mit natürlichen Blitzschlagfeuern stehen. Gerade dort, wo durch Feuer offene Vegetationsstrukturen geschaffen wurden, haben sich Menschen bevorzugt niedergelassen.
Feuer als Schlüsselfaktor in Wäldern?
Seit den 1970er Jahren setzt sich eine etwas andere Betrachtung von Feuer im Wald durch: die Feuerökologie. Im Vordergrund dieser Disziplin steht hierbei das Feuer als ein wichtiger, natürlicher Schlüsselfaktor, der eine Vielzahl von Abläufen auf den Brandflächen auslöst. Die Fragestellung nach einem Brandereignis richtete sich nun nicht mehr auf die Aspekte des Schadens am Wald und des Zeitpunktes der Wiederentstehung des Waldes. Vielmehr wird Feuer als Schlüsselfaktor angesehen, welches eine Vielzahl von funktionellen, strukturellen und artspezifischen Prozessen auf den Brandflächen auslöst. Dazu betrachtet die Feuerökologie beispielsweise folgende Aspekte:
- Ökologische Resilienz: die Geschwindigkeit, mit der eine Lebensgemeinschaft nach einer Störung durch Feuer wieder in einen Ursprungszustand zurückkehren kann. Kehrt das System überhaupt zu seinem Ursprungszustand zurück oder verändert es sich dauerhaft? Werden wichtige Ökosystemleistungen (z. B. Lawinenschutz, Trinkwasserversorgung) gefährdet? Welche Rolle spielt das Waldmanagement?
- Zusammensetzung der Artengemeinschaften: Nach intensiven Störungen von Waldgemeinschaften erfolgt eine zeitliche Abfolge von Artengemeinschaften, die auch eine Änderung der ökologischen Funktionalität nach sich zieht. Stellen sich deshalb zu einem bestimmten Zeitpunkt nach einem Brandereignis Höchstwerte der Artenzahlen ein? Welche (seltene) Arten profitieren vom Feuer – und auf Kosten welcher anderen Arten?
Abb. 2: Kurz nach dem Brandereignis zählen Pilze zu den Verlierern; mittelfristig kommt ihnen jedoch das Totholz zu Gute, das dann in den Brandbeständen in großen Mengen zu finden ist. (Foto: D. Kraus)
Abb. 3: Die in Europa seltensten Arten, wie Upis ceramboides, sind in feuerbeeinflussten Wäldern der Taiga eher häufig anzutreffen. (Foto: H. Bussler)
Feuer frei für den Naturschutz
Die Renaturierung von Waldökosystemen wird weltweit als ein wichtiges Instrument angesehen, um Ökosystemdienstleistungen erhalten und dem Verlust von Artenvielfalt begegnen zu können. Die Wiedereinführung von Störungen und deren Konsequenzen ist hierbei eine Erfolg versprechende Maßnahme. So ist zum Beispiel kontrolliertes Feuer eines der effektivsten Mittel zur Wiederherstellung und Erhöhung der Vielfalt von borealen Waldgesellschaften. Diese Waldökosysteme brennen natürlicherweise nur selten mit so hoher Intensität, dass ganze Bestände in Kronenfeuern vernichtet werden. Viel häufiger sind wenig intensive Bodenfeuer, die nur wenige Bäume gänzlich abtöten. Trotzdem verändern sie die Bestandesstruktur nachhaltig, da sich das Baumwachstum nach solch einem Brandereignis deutlich differenziert. Waldbestände, die sich für den Feuereinsatz eignen, werden unter dem Schirm zwischen Mai und Ende August gebrannt. Dabei gilt es zu beachten, dass nur wenige Tage im Jahr geeignete Brennbedingungen aufweisen. Kontrollierte Brände zielen darauf ab, 25-75 % des Baumbestandes lebend zu erhalten und innerhalb des Bestandes ein Mosaik aus gebrannten und ungebrannten Flächen zu erreichen.
Waldbaulehren aus der Feuerökologie
Abb. 4: Der Einsatz von kontrolliertem Feuer zur Verbesserung von Bestandesstrukturen spielt nicht nur im Waldnaturschutz eine wichtige Rolle. (Foto: T. Rydkvist)
Gibt es auch Erkenntnisse zur praktischen Anwendbarkeit von feuerökologischen Erkenntnissen für den Waldbau? Die Nachahmung von natürlichen Störungen (Natural Disturbance Emulation, NDE) wird oft als Grundprinzip für eine ökologisch nachhaltige Waldwirtschaft betrachtet. Durch das Nachahmen von dynamischen Waldstrukturen, die durch Störungen entstehen, läuft der Großteil der Prozesse und Entwicklung von ökologischer Funktionalität in einem Waldökosystem langfristig stabiler ab als in konventionell bewirtschafteten Wäldern. Im Wesentlichen ist es also das Ziel, waldbauliche Verfahren zu entwickeln, die sich an die grundlegenden ökologischen Auswirkungen von Störungen anlehnen. Bisher wurden jedoch nur wenige waldbauliche Vorschläge entwickelt, wie Störungsdynamik in praktische Bewirtschaftungsrichtlinien umgesetzt werden soll. In diesem Zusammenhang sind die Behandlung von feuerbeeinflussten Schwarzkieferbeständen im nordöstlichen Spanien sowie die Nachahmung der Feuerdynamik in Araukarien-Mischbeständen im südlichen Chile erwähnenswert. In beiden Fällen lassen sich die beobachteten Störungen in waldbauliche Behandlungsmodelle übersetzen und somit langfristig resiliente Bestände erziehen.
Feuer im Wald – muss das sein?
Abb. 5: Verheerende Waldbrände im Mittelmeerraum haben in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich aufgrund von veränderten Waldstrukturen zugenommen. (Foto: D. Kraus)
Nicht immer sind Waldbrände eine willkommene ökologische Abwechslung, vor allem wenn sie in unmittelbarer Nähe von Siedlungen wüten. Als Reaktion auf immer verheerendere Waldbrände wurden in Europa daher vorrangig die Ressourcen in der Waldbrandbekämpfung erhöht, mit dem Ergebnis, dass kleine und mittlere Brände mit großem Erfolg unterdrückt wurden. Großbrände blieben aber weiterhin oft jenseits der Kontrollschwelle. Paradoxerweise führte gerade die Reduzierung von Waldbränden geringer bis mittlerer Störungsintensität zu den Großbrandlagen des letzten Jahrzehnts und gleicht in ihrer Auswirkung somit einer negativen Auslese der Waldbrandereignisse. Während geringe bis mittlere Feuerintensitäten eine weitgehend feuerresistente Waldstruktur schaffen können, werden durch hochintensive Waldbrände oft alle Strukturen zerstört. Diese Situation wird sich in naher Zukunft nicht entscheidend verändern, wenn nicht Möglichkeiten der zielorientierten Landschaftsplanung und waldbaulicher Maßnahmen gesucht werden, in die Erkenntnisse aus der feuerökologischen Forschung integriert werden und auch den vermehrten Einsatz von kontrolliertem Feuer zur Differenzierung von Beständen beinhalten.