Winterdienst ist eine öffentliche Aufgabe und dient der Sicherheit für den Benutzer öffentlicher Strassen und Wege. Dazu gehört auch, bei Schnee, Frost und Eisglätte die Rutschgefahr möglichst klein zu halten. Bei Unfällen als Folge unsachgemässen Unterhaltes haftet der Werkeigentümer (OR Art. 58).
Mit zunehmendem Verkehr und rascherer Fortbewegung werden die Ansprüche an die öffentliche Infrastruktur immer grösser, die Bedürfnisse sind schwieriger zu erfüllen. In der Schweiz wurden in den letzten Wintern durchschnittlich 300 000 bis 350 000 t Auftausalze – vorwiegend Natriumchlorid (NaCl) – ausgestreut. In Abhängigkeit von Ort und Witterung waren es aufsummiert 100 bis deutlich über 1000 g NaCl pro m2 Fahrbahn.
Direkte Schäden
Die direkten Schäden an Betonbelägen und an Kunstbauten aus Beton und Stahl beziffern sich für die Schweiz auf 5 bis 6 Mia. Franken pro Jahr. Hinzu kommen Korrosionsschäden an Fahrzeugen von mehreren 100 Millionen pro Jahr. Die direkten Auswirkungen auf die Gewässer lassen sich nicht beziffern. Zu einer genauen Kostenschätzung müssten neben den ökologischen Auswirkungen auch die Aufwendungen für die Strassenentwässerung und die Spülung der Kanalisationen sowie die speziellen Vorkehrungen zum ordnungsgemässen Betrieb von Kläranlagen einbezogen werden.
Auswirkungen auf Bäume
Die Auswirkungen auf Bäume und Ökosysteme sind komplex und lassen sich nur annäherungsweise abschätzen. So hat beispielsweise ein Vergleich für die Stadt Basel nachgewiesen, dass unbelastete Bäume wohl wesentlich älter werden, aber die durchschnittlichen Jahreskosten für die Pflege während eines Baumlebens nicht kleiner sind als bei belasteten Bäumen, die nur etwa 60% des normalen Alters erreichen. Massgebend ist bei älteren Bäumen der grössere Aufwand für Baumschnitt, Gefahrenbeseitigung usw. In diesen Berechnungen sind jedoch der Verlust der ökologischen Leistungen kränkelnder und kranker Bäume und der Verlust an ideellen, kulturellen, städtebaulichen und siedlungsplanerischen Werten nicht berücksichtigt. Allein zur Kompensation des ökologischen Verlustes müssten neben streusalzgeschädigten Bäumen Hunderte zusätzliche Bäume gepflanzt und gepflegt werden. Dies würde zu erheblichen Mehrkosten führen.
Abb. 2. Salzschäden nach mehrjähriger Belastung durch den Kreislauf der Salze. Foto: Stadtgärtnerei Basel
Wege der Auftausalze in der Umwelt
Bei der immer noch weit verbreiteten Ausbringung in trockener Form bleibt nur ein Teil des Streusalzes auf der Fahrbahn liegen. Ganz erhebliche Mengen werden durch Wind und vorbeifahrende Fahrzeuge verweht und gelangen so direkt auf die benachbarten Flächen, an die Bäume und Sträucher, sei es als Salzstaub oder als Suspension in feuchter Luft (Aerosol).
Im Schmelzwasser gelöstes Salz wird über die Abflusssysteme in die Oberflächengewässer befördert und verdünnt, oder es gelangt über die Kanalisation in eine Kläranlage.
Ein weiterer Teil der Tausalzlösung wird durch die Fahrzeuge in Form von Gischt seitlich versprüht und auf der Bodenvegetation deponiert. So gelangt es direkt an die Strassenrandbäume.
Besonders nachteilig ist zudem der seitlich deponierte Pflugschnee. Durch diesen gelangt Salz an die exponierten Blattorgane, Zweige und Borken, oder es versickert nach dem Auftauen im Boden.
Beim Einsatz von Schneeschleudern geht es ausschliesslich um die Beseitigung grosser Schneemengen. "Aus den Augen – aus dem Sinn", heisst meistens die Devise, auch wenn es sich um salzgetränkten Pflugschnee handelt. Dies kommt vor allem in Wohnquartieren mit Hecken und Bäumen, aber auch an Bergstrassen ausserorts mit eingeschränkter Fahrbahnbreite recht häufig vor.
Abb. 3. Wege der Auftausalze in der Umwelt: Die mechanisch ausgetragenen Auftausalze gelangen auf verschiedenen Wegen in die Umwelt und beeinträchtigen damit Pflanzen, Böden und Wasser. Quelle: aus Brod, H.G. 1993
Auswirkungen von Streusalz auf Pflanzen und Böden
Abb. 4. Eine solche Situation lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Einfluss von Streusalz schliessen. Foto: Waldschutz Schweiz (WSS)
Abb. 5. Blätter einer durch Streusalz geschädigten Rosskastanie. Foto: Waldschutz Schweiz (WSS)
Durch den direkten Kontakt mit den Bäumen gelangen die Salze in die pflanzlichen Gewebe und greifen in den Stoffwechsel ein. Verbräunungen der Nadeln und Blätter sind das Ergebnis von Austrocknung und Verbrennung der Gewebe. Sie sind jedoch erst im Frühling und Sommer erkennbar.
Beim Eintrag des Salzes in den Boden verändert sich das Bodengefüge. Natrium- und Chlorid-Ionen gelangen in der Bodenlösung auf indirektem Weg an die Pflanze. Sie werden über die Wurzeln aufgenommen und beeinträchtigen den Nährstoffhaushalt. Dies verursacht ebenfalls Trockenheitsstress, vor allem aber beeinträchtigt es die Stoffwechselvorgänge und zerstört Zellstrukturen. Auffälligste Schäden bei der Belastung des ganzen Systems sind Blattrandverbränungen und Blattnekrosen. An den Blatträndern werden die höchsten Salzkonzentrationen nachgewiesen.
Verhängnisvoller Kreislauf der Salze
Die Streusalzionen sind in stark belastetem Milieu allgegenwärtig:
- durch Abwaschung von Nadeln und Blättern
- durch Auswaschung aus Blattgeweben
- durch Rückführung in den Boden bei vorzeitigem Blattfall
- durch Verlagerung vor dem herbstlichen Blattfall in die Speicherorgane (Knospen, Zweige, Stamm, Wurzeln)
- durch Rückführung in die Nährlösung beim Abbau des Herbstlaubes
- durch direkte Neuzufuhr in den Boden über Salzstaub, Gischt, Pflugschnee und Schmelzwasser
- durch Speicherung in der Bodenlösung
- durch Adsorption an Bodenteilchen
- durch Aufnahme über die Wurzeln
- durch Transport über die Leitgefässe in die Nadeln und Blätter
Da das Salz in gelöster Form ins Ökosystem (Substrat, Begleitvegetation, Baum) aufgenommen und nur teilweise, zum Beispiel durch Bodenauswaschung, eliminiert wird, bleibt es im System erhalten und wird jeden Winter zusätzlich aufdotiert. Die Bäume können sich nie vollständig erholen, sie sind einem Dauerstress ausgesetzt.
Bei fortlaufender Zudosierung gelangen die Salze in einen verhängnisvollen Kreislauf zwischen Baumkrone, Boden und Wurzelbereich. Aufgrund dieses Salzkreislaufs (winterliche Speicherung in Knospen und Zweigen sowie Verlagerung von Na+ und Cl– aus Blättern in die Wurzel und wieder zurück in die Bäume) kann es über Jahre hinweg zu einer stetigen Salzanreicherung kommen, bis hin zu letalen Konzentrationen.
Augenfällig sind absterbende Bäume an exponierten Stellen mit intensivem Winterdienst, z.B. bei einer Bushaltestelle, bei einer Fussgängerüberquerung oder auf einem schattigen Abschnitt einer Bergstrasse.
Salztoleranz der Baumarten ist immer relativ
In der Natur kommen nebst Glykophyten (Nichtsalzpflanzen) auch Halophyten (Salz- pflanzen) vor. Sie sind toleranter gegenüber hohen Salzkonzentrationen. Aber alle Bäume und Sträucher in Siedlungen und Wäldern zählen zu den Glykophyten. Ihre Salztoleranz ist nicht null, aber artspezifisch, und auch innerhalb der Arten gibt es genetische Unterschiede. Eine Selektion über das Saatgut ist bei Bäumen wegen der Langlebigkeit schwierig erreichbar. Zudem enthält jeder Samen eine individuelle Genkombination. Versuche mit vegetativer Vermehrung, beispielsweise über Stecklinge, haben hingegen gewisse Erfolge gezeigt.
Eine eigentliche Salzresistenz gibt es – mindestens unter den Glykophyten – nicht. Massgebend für die Stärke ihrer Salztoleranz sind aber auch die "Grundverfassung" (Konstitution) der Pflanze, das Milieu und die weiteren Einflussfaktoren.
Die Verteilung der gestreuten Salzmengen auf die verschiedenen Eintragungsorte (Pflanze, Strassenentwässerung, Boden usw.) ist nur schwer quantifizierbar. Aber auch die gemessenen Konzentrationen im Boden und in den Blättern/ Nadeln lassen sich nicht verallgemeinern. Selbst Blätter ohne äusserlich erkennbare Schadensymptome können hohe Salzgehalte aufweisen. Zudem sagen die Konzentrationen wenig aus über die effektiv ausgebrachten Salzmengen des vergangenen Winters.
Massnahmen gegen Streusalzschäden
Die Palette der geeigneten Baumarten für Siedlungsgrün engt sich immer mehr ein. Bei der Auswahl zählen Aspekte der Biodiversität, des Standortes, der Pflegemöglichkeiten, des Erscheinungsbildes und der Wirkung auf die Bevölkerung. Zudem spielen die Empfindlichkeit gegenüber Pathogenen, die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel, die Trockenheitsstresstoleranz und die geringere Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen eine Rolle. Invasive Neophyten kommen nicht in Frage. Bei Waldbäumen wird die Auswahl noch weiter eingeschränkt, da der naturnahe Waldbau mit den geringsten Risiken verbunden sein soll. Es kommen nur standortheimische und allenfalls weitere standorttaugliche Baumarten in Frage.
Wie anhand einer umfassenden Literaturstudie nachgewiesen werden konnte, besteht letztlich ein erhebliches Potenzial zur Vermeidung von Streusalzschäden im Bereich des Winterdienstes. Im Vordergrund steht die richtige Dosierung der Salzmengen. Ein Zuviel kann ebenso für Strassenbenützer kontraproduktiv sein und wirkt sich auf die unmittelbaren Kosten aus. Bei starkem Schneefall versagt das Streusalzverfahren grundsätzlich, weil der dabei entstehende Schneematsch die Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche stark beeinträchtigt. In solchen Situationen hat die mechanische Schneeräumung absolute Priorität. Dies gilt nicht nur für Natriumchlorid (NaCl), das am häufigsten verwendete Streusalz, sondern ebenso für andere Auftausalze wie etwa Magnesiumchlorid (MgCl2) oder Calciumchlorid (CaCl2).
Wichtigste Beiträge zur Reduktion der Streusalzmengen sind:
• ein differenzierter, auf die Strassenkategorien abgestimmter Winterdienst auf der Grundlage eines Winterdienstkonzeptes.
• die Optimierung der Streutechnik und situationsgerechte Dosierungen, bei entsprechender Ausstattung des Maschinenparks, der Schulung und Instruktion des Personals, aber auch durch Ausbringung im Feuchtsalz- und Soleverfahren.
• die vorbeugende Streuung zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Verfahren.
• die Wahl alternativer Streumittel für wenig befahrene Strassen, Rad- oder Fusswege etc. oder gar ein teilweiser Verzicht auf Schneeräumung, bei entsprechender Signalisation.
• eine Neuorientierung bei der Vergabe des Winterdienstes an private Unternehmen, wobei nicht nach der ausgebrachten Streugutmenge, sondern ganzheitlich nach der Betriebsbereitschaft gemäss Winterdienstkonzept, bei sparsamem Umgang mit dem Streugut, entschädigt werden soll.