Die Familie der Weidengewächse (Salicaceae) umfasst 55 Gattungen mit insgesamt 1269 Arten. Die namensgebende Gattung der Familie, die Weiden (Gattung Salix), zählt 477 laubwerfende Gehölzarten und rund 75 Arthybriden. Weiden kommen vor allem in den gemässigten und arktischen Zonen der nördlichen Hemisphäre vor, wenige Arten sind jedoch auch in den Subtropen und Tropen sowie den gemässigten Zonen der südlichen Hemisphäre beheimatet.

In vielen nördlichen Florengebieten oder alpinen Zonen übersteigt die Zahl der Weidenarten jene aller anderen Gehölzarten – teilweise sind sie sogar die einzigen Gehölzarten. In der Tundra und in Gebieten, die oberhalb der Baumgrenze liegen, zählen sie oft zu den vegetationsprägenden Elementen. 

Wuchsformen und sonstige Merkmale

Weidenarten kommen in verschiedenen Lebensformen vor:

  • Bäume mit Wuchshö­hen von 20 bis 25 m. Von der Silberweide (S. alba; Abb. 1) sind sogar bis 30 m hohe Exemplare mit einen Stamm­durchmesser von mehr als 3 m bekannt.

  • aufrechte, ausladende oder hängende Sträucher

  • kleinwüchsige oder niederliegende Zwerg­sträucher

  • nur wenige Zentimeter hohe Spaliersträucher

Weiden sind generell zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch), das bedeutet, es gibt rein weibliche und rein männliche Pflanzen. Die Blütenstände bei­der Geschlechter werden umgangssprach­lich «Kätzchen» genannt. 

An dynamische Lebensräume ange­passt

Weiden sind ausgesprochene Pionierge­hölze, dies erkennt man besonders gut bei ihrer Vermehrungsstrategie. Weiden pflanzen sich über Samen fort. Diese sind mit etwa 1 mm Länge und 0,2 mm Breite die kleinsten Samen einheimischer Gehölz­arten. Sie sind zudem mit einem Kranz langer Haare umgeben und können so mit dem Wind über weite Strecken verfrachtet werden (Abb. 2). Grosse, baumförmige Arten produzieren jedes Jahr Hunderttausende von Samen, so stellen sie sicher, dass ein Teil davon in geeigneten Lebensräumen landet.

Blütenmerkmale von Weiden

Weidenblüten sind ei- bis walzenförmige Ähren, um deren zentrale Blütenachse zahlreiche kelch- und kronblattlose Einzelblüten angeordnet sind. Diese entspringen aus den Achseln schuppenförmiger Tragblätter (auch Deckblätter oder Brakteen), die oft an der Aussenseite und den Rändern behaart sind und den Kätzchen ihr pelziges Erscheinungsbild verleihen. Diese Tragblätter werden oft zur Artbestimmung herangezogen. Knickt man einen Blütenstand, sind die Blütenorgane gut erkennbar. Am Grund jeder Einzelblüte befinden sich sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Blüten ein bis zwei Nektardrüsen.

Bei den mei­sten Weidenarten besteht die männliche Einzelblüte aus zwei Staubblättern. Ausnahmen sind z.B. die Mandelweide (Salix triandra) mit drei und die Lorbeerweide (S. pentandra) mit meist fünf Staubblättern. Die weiblichen Blüten bestehen aus einem flaschenförmigen Fruchtknoten mit mehreren Sa­menanlagen. An der Spitze des sich nach oben verengenden Fruchtknotens befindet sich der zweilappige Griffel, über dessen Narbe der Pollen aufgenommen wird (Abb. 2, rechts, weisser Pfeil).

Weiden sind sehr anspruchsvoll, was Keimbedingungen angeht: Die kleinen  Samen enthalten nur wenig Nährgewebe, reagieren sehr empfindlich auf Austrock­nung und sind deshalb bei der Keimung auf offene, konkurrenzarme Habitate mit konstanter Feuchtigkeitsversorgung ange­wiesen. Vegetationsarme Ruderalstandorte wie Kies- und Sandflächen in dynamischen Auen, Schotterflächen, Geröllhalden und Windkanten im Gebirge oder staunasse Standorte an Seeufern und in Mooren zäh­len zu den natürlichen Lebensräumen von Weiden. Sie blühen bereits als Jungpflanzen und sind dadurch sehr gut an dynamische, sich ständig neu formierende Lebensräume angepasst. 

In der Natur spielt aber auch die vegetative Vermehrung über abgebrochene Äste eine wichtige Rolle, eine weitere Eigenschaft von Pioniergehölzen. Einige Auenarten besitzen an der Basis brüchige Äste, die abfallen und mit dem Wasser ausgebreitet werden (z.B. S. euxina, S. ×fragilis). Fast alle in der Schweiz vorkommenden Weidenarten, besonders die schmalblättrigen Arten der Fluss- und Seeufer, wurzeln rasch aus den Lentizellen (Korkporen) der Rinde und kön­nen somit wieder anwachsen. Breitblättrige Arten brauchen in der Regel etwas länger oder wurzeln gar nicht (z.B. die Salweide, S. caprea; siehe Artportrait weiter unten). Die Vermehrung über Wurzelschösslinge, eine weitere Strategie von Pioniergehölzen, kommt bei Weiden in der Schweiz nicht vor. 

Ökologische Bedeutung

Weiden sind ökologisch sehr bedeutsam. Be­sonders alte Exemplare bieten zahlreichen Tierarten Unterschlupf und Nistmög­lichkeiten, beherbergen holzbewohnende Insekten und Pilzarten oder dienen epi­phytisch wachsenden Pflanzen wie Farnen, Misteln und Moosen, aber auch Flechten als Trägergehölz. Weiden sind zudem Nah­rungsgrundlage zahlreicher Insektenarten, die entweder an den Blättern der Weiden fressen oder sich von deren Pollen und Nektar ernähren. Weiden zählen zu den bedeutendsten Schmetterlingspflanzen.

Rund 20% der Grossschmetterlingsarten Mitteleuropas sind mit Weiden assozi­iert. Die Raupen von über 150 Tag- und Nachtfalterarten ernähren sich von Wei­denblättern. Viele von ihnen sind oligophag, fressen also nur wenige Pflanzenarten.

Fast alle Weiden sind insektenbestäubt (ausser die in insektenarmen arktisch-alpinen Le­bensräumen vorkommende, windbestäubte Krautweide, S. herbacea). Da die Blütezeit je nach Art bereits recht früh im Jahr beginnt, sind Weiden eine wichtige Pollen- und Nek­tarquelle für früh fliegende Insekten. Die teilweise rötlich gefärbten Tragblätter, die gelb, orange oder teilweise violett gefärbten Staubbeutel sowie die kräftig gelb gefärbten Pollen übernehmen dabei die Lockfunktion, da den Blüten Kelch und Krone fehlen. Weiden produzieren verglichen mit ande­ren insektenbestäubten Pflanzen sehr viel Pollen. Wild- und Honigbienen, Hummeln, Wespen, aber auch Fliegen, Käfer, Schmet­terlinge und Nachtfalter profitieren davon. Auch zahlreiche heimische Vogelarten können dabei beobachtet werden, wie sie Nektar saugen oder die eiweisshaltigen Pollen fressen.

Nutzung von Weiden durch den Menschen

Weiden zählen zu den ältesten Kulturpflan­zen und werden seit Jahrtausenden vom Menschen vielseitig genutzt. Zahlreiche Arten wurden wegen ihrer frühen und üppigen Blüte von Imkern und Imkerinnen als Bienenweide gepflanzt.

Während die Ruten vieler Weidenarten, besonders der schmalblättrigen wie Bruch-, Mandel- oder Korbweide (Salix ×fragilis, S. triandra, S. vimilalis), als Flecht- und Bindematerial verwendet werden, entstanden Kopfweiden (traditionell Silberweide; S. alba, Abb. 4) durch wiederholten Schnitt zur Produktion von Brennholz. Als schnellwachsender Rohstoff werden Weiden vor allem in Nordeuropa zur Energiegewinnung grossflächig in Kurzumtriebsplantagen angebaut.

Wei­denblätter, besonders jene der mild schme­ckenden breitblättrigen Arten, können als Viehfutter verwendet werden. Auch als Me­dizinalpflanzen haben Weiden eine grosse Bedeutung: Die Rinde junger Zweige von Weiden enthält Salicin – besonders viel bei der Reifweide (Salix daphnoides) und der Purpurweide (Salix purpurea) – der Grund­stoff von Acetylsalicylsäure. Dieser heute künstlich hergestellte Stoff ist in zahlreichen schmerzlindernden und antirheumatischen Medikamenten zu finden.

Da Weiden aus geschnittenen Sprossteilen Wurzeln treiben, ein extrem verzweigtes und weitreichendes Wurzelgeflecht bilden und staunasse Standorte besiedeln können, finden Weiden vor allem im Uferschutz sowie der Befestigung von steilen und ero­sionsgefährdeten Hängen Verwendung. Mit geringen Kosten können so an unterschied­liche Höhenstufen ökologisch angepasste und wertvolle Uferbegrünungen angelegt werden. Auch im Garten- und Landschafts­bau werden zahlreiche Weidenarten und Zuchtformen als Ziergehölze verwendet.

Die Salweide

Das Verbreitungsgebiet der Salweide reicht von Westeuropa bis Nordostasien. Sie ist nicht an die Nähe von Gewässern gebun­den, da sie staunasse Böden meidet. Die Salweide bevorzugt frische Lehmböden und wächst an Waldrändern, in lichten Wäldern, auf Lichtungen nach Windwurf oder auf Brandflächen sowie Kahlschlägen, besiedelt aber auch Geröll, Erdrutsche und Felsen, bzw. Ruderalflächen in Steinbrü­chen und Kiesgruben. Sie kommt sowohl im Tiefland als auch im Gebirge bis etwa 2000 m ü.M vor. 

Der Baum erreicht auf durchlässigen Böden und guter Lichtversorgung Wuchshöhen bis über 10 m (Abb. 5). Die grau- bis schwarz­braune Rinde ist im Austrieb flaumig behaart und hat rautenförmige Lentizellen (Korkporen), die im Alter rissig aufspringen und der Art ihre charakteristische Rinden­struktur verleihen (Abb. 6). 

Die Salweide blüht sehr früh und üppig und stellt deshalb für eine Vielzahl von Insekten eine wichtige Pollen- und Nektarquelle dar. Auch für Imker und Imkerinnen ist sie eine geschätzte Bienenweide. An den Blättern der Salweide fressen neben Wanzen, Käfer- und Blattwespenlarven die Raupen von über 110 Tag- und Nachtfalterarten. Zahlreiche weitere Falterarten nutzen sie als Nektar­quelle. Die Blätter der Art schmecken sehr mild (viele Weidenarten wie die Purpurwei­de schmecken extrem bitter), weswegen sie gerne von Vieh und Wild gefressen werden.

Der wissenschaftliche Artname der Salweide «caprea» deutet auf die Vorliebe von Ziegen (Gattung Capra) für diese Art als Futter hin. Zudem haben die Blätter ein günstiges Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis, wodurch sie nach dem Laubfall schnell zersetzt wer­den und somit zur Bodenverbesserung und zum Humusaufbau im Oberboden beitra­gen. Auch zahlreichen holzbewohnenden Arten bieten besonders alte Exemplare der Salweide einen Lebensraum. Beispiels­weise entwickeln sich die Raupen des in verschiedenen Weidenarten lebenden Wei­denbohrers (Cossus cossus), ein Nachtfalter, sowie die Larven des stark gefährdeten Weberbockes (Lamia textor, Abb. 3) in ihrem Holz.

Lange wurden beim auf Holzproduktion ausgerichteten Waldbau auch auf Räu­mungsflächen Weichholzarten wie Weiden, Pappeln und Birken konsequent eliminiert. Heutzutage findet aber ein Umdenken statt. Zur Erhöhung der Biodiversität werden struktur- und artenreiche Waldbestände gefördert, in denen Pionierbaumarten wie die Salweide ihre Daseinsberechtigung haben, auch wegen ihres grossen ökolo­gischen Wertes für andere Organismen. Die Förderung der Salweide kann aktiv über Pflanzungen und die Schaffung geeigneter Pionierlebensräume wie Lichtungen in Wäldern erfolgen.

Bestimmungsmerkmale Salweide

Die lang gestielten, breitovalen, ganzrandigen Blätter der Salweide erreichen eine Länge von bis zu 7 cm, jene der Langtriebe bis 10 cm, und fühlen sich wegen der unterseits filzigen Behaarung sehr weich an. Der Mittelnerv des Blattes der Salweide ist meist zur Blattspitze hin charakteristisch gebogen. Diese Merkmale unterscheiden sie beispielswei­se von der je nach Standort ähnlichen Grossblättrigen Weide (S. appendiculata), deren Blattunterseite dicht bis zerstreut borstig behaart und bereift ist und sich wegen des stark hervortretenden Adernetzes rau anfühlt. Bei der Salweide fehlen ausserdem meist die Nebenblätter am Grund des Blattstiels, was sie wiederum von der Grossblättrigen Weide (S. appendiculata) sowie den ebenfalls auf der Blattunterseite behaarten Grauweide (S. cinerea) und Ohrweide (S. aurita) unterscheidet (Abb. 6).

(TR)