Wissensbasierte Baumartenempfehlungen

Alternativbaumarten können eine wichtige Rolle für die Anpassung der Wälder an die veränderten Bedingungen spielen. Die Douglasie ist ein Beispiel für eine in die heimischen Waldökosysteme langjährig integrierte Baumart, die sich durch gute Anpassungsfähigkeit an die Standort- und Klimabedingungen in weiten Teilen Deutschlands und sehr gute Wuchseigenschaften auszeichnet. Wissenschaftler des Forstlichen Versuchswesens Mecklenburg-Vorpommern und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) untersuchten die Baumarten Westamerikanische Hemlocktanne (Tsuga heterophylla)  und Riesenlebensbaum (Thuja plicata) in Hinblick auf ihr standörtliches und waldwachstumskundliches Potenzial in Deutschland.

Tsuga und Thuja

Beide Baumarten stammen von der Westküste Nordamerikas. Erste Anbauten existieren in Deutschland schon seit 1881, was zeigt dass sich beide Baumarten hier schon etablieren konnten. Ihr heutiger Anteil in deutschen Wäldern bleibt jedoch selbst im Vergleich zu den bis heute geringen Vorkommen von Douglasie, Roteiche und Robinie verschwindend gering. In ihrem Ursprungsgebiet sind Hemlocktanne und Riesenlebensbaum miteinander vergesellschaftet und wachsen z.B. zusammen mit Douglasien, Küstentannen oder Sitkafichten. Beide Baumarten sind ausgesprochenen schattentolerant, insbesondere die Hemlocktanne. Sie kommen nur selten in Reinbeständen vor. Die Hemlocktanne dominiert die Bestände besonders mit zunehmender Höhe während der Riesenlebensbaum eher in feuchten Tieflandgebieten vorherrschend ist. Aufgrund seiner guten Durchwurzelungs­fähigkeit soll er sogar mit sumpfigen Standorten gut zurechtkommen. Der Riesen­lebensbaum besitzt dauerhaftes und leichtes Holz, welches für Dachschindeln, als Konstruktionsholz und für Außenanwendungen verwendet wird. Die Niedersächsischen Landesforsten versteigerten 2024 im Februar bei einer Submission wertvoller Hölzer erstmals zwei Festmeter Thuja. Das Holz der Hemlocktanne ist weiß, harzfrei und ähnelt am ehesten dem Holz der Fichte. Es eignet sich bei feinem Jahrringsaufbau als Konstruktionsholz sowie sonst für die Papierherstellung, liefert aber u. a. auch Schwellen- und Grubenholz, Dielen, Deckenverkleidungen und Sperrholz-Furnier.

Zufallsprodukt Praxisanbauten

Ein Ansatz zur schnellen Gewinnung von Informationen über bisher wissenschaftlich weniger untersuchte Alternativbaumarten ist neben Erfahrungsberichten und Fallstudien die Recherche und Auswertung sogenannter Praxisanbauten. Das sind Bestände, die von Waldbewirtschaftenden mit dem Ziel begründet worden sind, nichtheimische Baumarten unter lokalen Standortsbedingungen zu testen. Folglich sind sie nicht standardisiert, unterscheiden sich in Größe und Mischungsform und auch die Herkunft des Saatguts ist teilweise unklar. Dennoch sind diese Bestände für die Versuchsanstalten interessant, denn die Praxisanbauten repräsentieren erfolgreiche Zeitreihen des Wachstums unter heimischen Standortsbedingungen.

Das Datenmaterial der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse stammt aus solchen Praxisanbauten, die auf der Grundlage von Forsteinrichtungsdaten und über Abfragen an die Forstämter erfasst wurden. Ergänzt wird es durch längere Zeitreihen einiger Versuchsflächen mit Thuja und Tsuga. Insgesamt standen 87 Flächen beider Baumarten mit 322 ertragskundlichen Aufnahmen zur Verfügung. Hinsichtlich ihres Pflegezustandes entsprachen die Praxisanbauten beider Baumarten überwiegend einer mäßigen bis starken Niederdurchforstung mit geschlossenem bis gedrängten Kronenschluss.

Ausgewählte Kriterien

Der Leistungsvergleich der beiden Arten erfolgte durch die Gegenüberstellung der aufgenommenen Bestandeskennwerte mit Ertragstafeln von Waldkiefer, Fichte und Douglasie, ergänzt durch zwei Ertragstafeln zum Riesenlebensbaum und zur Westamerikanische Hemlocktanne aus Großbritannien.  

Neben dem Wachstum ist die  Qualitätserwartung einer Baumart ein Merkmal ihrer forstwirtschaftlichen Anbauwürdigkeit. Diese wurde durch die Bestimmung eines Potenzials an Z-Bäumen guter Qualität und hinreichender Vitalität je ha erfasst.

  • Leistungsvergleich

Anhand des Vergleiches der Ertragstafeln mit den Aufnahmen der Versuchsflächen zeigte sich, dass sowohl der Riesenlebensbaum als auch die Hemlocktanne die Volumenleistung der heimischen Kiefer und Fichte auf vielen Standorten übertreffen.

Die Bestandesmitteldurchmesser sind bei der Hemlocktanne etwas kleiner als bei der Douglasie und stimmten eher denen der Fichte überein. Beim Riesenlebensbaum sind es vor allem die Bestände > 70 Jahre, die im Wachstum die Ertragstafelwerte der Referenzbaumarten übersteigen. Mit Vorräten von 950 Vfm/ha im Alter 100 bewegen sie sich zwischen Fichte und Douglasie.

Der Riesenlebensbaum hat zudem eine ungewöhnlich hohe Stammzahlhaltung, deutlich über der Fichte. Die Oberhöhe des Riesenlebensbaumes erreicht wahrscheinlich nicht die der Douglasie, durch ungewöhnlich hohe Stammzahlen werden aber hohe mit  Fichte und zur Hemlocktanne vergleichbare Vorräte erzielt. Die Grundflächen- und Vorratshaltung der Kiefer in Nordostdeutschland wird durch den Riesenlebensbaum weit übertroffen. Eine Besonderheit der Baumart ist die sehr späte Kulmination des Volumenzuwachses, was zusätzlich das hohe Leistungspotenzial unterstreicht.

  • Qualitätspotenzial

Auf Basis der Versuchsflächen in Mecklenburg-Vorpommern wurde die potenzielle Anzahl an Z-Bäumen im Alter 50 abgeleitet. Beim Riesenlebensbaum wären das rund 110 Z-Bäume/ha. Damit lag das Niveau höher als bei der Weißtanne im Rahmen der gleichen Untersuchung mit 90 Z-Bäumen pro ha. Bei der Hemlocktanne war eine entsprechende Projektion potenzieller Z-Baumzahlen leider nicht möglich, da nicht ausreichend Flächen in allen Altersphasen zur Verfügung standen.

  • Klimatische Gradienten

Mit Hilfe von Klimahüllen lässt sich die klimabedingte Verbreitung von Baumarten kennzeichnen. Dies ist eine wichtige Information, wenn es um die künftige standörtliche Zuordnung nichtheimischer Baumarten angesichts sich verändernder Klimabedingungen geht. Derzeit decken beide Baumarten keine klimatisch extremen Standorte in Deutschland ab, sondern ihre Vorkommen liegen zentral innerhalb des klimatischen Verbreitungsgebietes der Kiefer.

  • Standörtliche Gradienten

Hinsichtlich der Bodenverhältnisse überrascht die breite Amplitude beider Baumarten. So haben sie ihren Schwerpunkt im frischen und mäßig nährstoffreichen bis kräftigen Standortsbereich. Jedoch ist die Hemlocktanne auch auf nassen Standorten vertreten, der Riesenlebensbaum sogar auf nassen als auch sumpfigen Standorten.

Eingeschränkte Aussagekraft

Praxisanbauten lassen allerdings aufgrund des fehlenden Versuchsdesigns und der fehlenden Kenntnis der Bestandesgeschichte nur eingeschränkte Schlüsse zu. Fast wichtiger noch: Es können nur Praxisanbauten beurteilt werden, die noch existieren. Ausgefallene Anbauten und deren Ursachen wären für die Bewertung jedoch genauso wichtig. Informationen über sie fehlen in der Regel. Jedoch verringert im vorliegenden Fall die hohe Anzahl aufgenommener Bestände diesen Nachteil, so dass die systematische Untersuchung von Praxisanbauten als zusätzlicher Forschungsansatz für nichtheimische Baumarten akzeptabel erscheint. Der Standard für die Beurteilung der forstlichen Anbauwürdigkeit im engeren Sinne sollten der Vergleich der Wuchsleistung zu standortgleichen heimischen Baumarten z.B. anhand von Ertragstafeln, die Qualitäts­beurteilung z. B. anhand eines Potenzials an Z-Bäumen sowie die Abschätzung für die Baumart geeigneten Standortsbedingungen sein. Darüber hinaus sind Kriterien der ökologischen Zuträglichkeit und einer potenziellen Invasivität zu berücksichtigen, die zunächst nicht Gegenstand der vorliegenden Auswertung waren.

Mögliche Alternativbaumarten?

Im Hinblick auf künftige Gefährdungen von Waldbeständen heimischer Baumarten durch den Klimawandel und der Risikosenkung durch Diversifizierung erscheinen Riesenlebensbaum und Westliche Hemlocktanne zumindest hinsichtlich der potenziellen Wuchs- und Wertleistung als mögliche Ergänzungen der Baumartenpalette. Standörtlich wird ein Potenzial beider Baumarten in Regionen gesehen, die in Zukunft zu trocken für die Fichte werden. Der Riesen­lebensbaum scheint dabei eine breitere Amplitude zu besitzen als die Hemlocktanne, so dass er potenziell auch mineralische Nassstandorte und wechselfeuchte Standorte besiedeln kann. Derzeit eignen sich klimatisch große Teile des Bundesgebietes für beide Baumarten. In Regionen mit weniger als 550 mm Jahres­niederschlag unter heutigen Temperaturbedingungen scheint der Riesenlebensbaum als Alternative zu anderen Baumarten nicht mehr geeignet, bei der Hemlocktanne sind dies ca.  600 mm. Hinsichtlich des Wachstumsverlaufes und einer geeigneten waldbaulichen Behandlung sind beide Baumarten wohl am ehesten der Weißtanne vergleichbar. Hier besteht jedoch weiterer Untersuchungsbedarf. Die beiden ähnlich schattentoleranten Arten wären daher prädestiniert für stark strukturierte Bestände in ausreichend wasser­versorgten Lagen. Die äußerst schlechte Humusstreu der Hemlocktanne erfordert zwangsläufig mindestens die Beimischung schatten­ertragender Laubhölzer. Der Riesen­lebensbaum besitzt nach derzeitigem Kenntnisstand eine besser zersetzbare Streu, jedoch sollte auch hier Laubholz immer in Mischung beteiligt werden.

Fazit

Auch heute kommen schon Bestände von Riesenlebensbaum und Westamerikanischer Hemlocktanne in Deutschland vor und werden in der Forsteinrichtung Baumartengruppen zugeordnet. Der vorliegende Leistungsvergleich ermöglicht, trotz fehlender artspezifischer Ertragstafeln unter Standortsbedingungen in Deutschland, ihre ertragskundliche Einordnung. Erforderliche weitere Untersuchungen sollten sowohl die Flächenbasis verfügbarer Praxisanbauten,  möglichst unter Erweiterung des abgedeckten Standorts-, Klima- und Altersbereiches verfolgen. Gleichzeitig ist die Untersuchung durch die Einbeziehung ökologischer Eigenschaften und biotischer und abiotischer Gefährdungen der Baumarten zu vertiefen. Die Etablierung nichtheimischer Baumarten bietet Potenzial für die Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel, birgt jedoch auch potenzielle Risiken und setzt deshalb belastbare Untersuchungsergebnisse voraus.