Der Erreger des Hainbuchensterbens (Anthostoma decipiens) ist in Mitteleuropa bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, wurde aber als selten vorkommender Totholzzersetzer angesehen. Seit den Zweitausender-Jahren traten im Zusammenhang mit dem Pilz vermehrt Schäden an Hainbuchen in Italien auf, die besonders im öffentlichen Grün beschrieben wurden. In Deutschland wurden die ersten Nachweise von Anthostoma an absterbenden Hainbuchen im Jahr 2015 und in Österreich 2018 geführt – jeweils an verschiedenen Orten im urbanen Raum. Einzelfunde im Wald folgten 2017 in der Schweiz und 2019 in Sachsen-Anhalt, beide in wärmegetönten Lagen. Besonders seit der Häufung der extrem heißen und trockenen Jahre ab 2018 wuchs die Zahl der Befunde im öffentlichen Grün weiter an. Zur Situation im Wald gibt es bisher nur wenige Informationen. Dies veranlasste die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) zu Stichprobenkontrollen in wärmegetönten Regionen Bayerns, um einen Eindruck von möglichen Vorkommen im Wald zu bekommen.

Symptomatik

Typisch für einen Befall mit dem Erreger des Anthostoma-Hainbuchensterbens sind die vornehmlich in der Vegetationszeit gebildeten, orangen bis tiefroten Sporenmassen der Nebenfruchtform (NFF) Cytospora decipiens, die im Randbereich der Infektion aus der Rinde austreten (Abb. 2, 3). In den nekrotischen Bereichen werden anschließend die schwarzen Fruchtkörper der Hauptfruchtform (HFF) A. decipiens ausgebildet (Abb. 6). Die NFF kann aber auch erneut an bereits abgestorbenen Partien und parallel zur HFF gebildet werden.

Der Pilz ist in der Lage Splint- und Kernholz zu besiedeln, was im Laufe der Zeit zu einer fortscheitenden Vitalitätsschwächung führt, die durch absterbende Kronenbereiche und Rindenläsionen sichtbar wird und bei starkem Befall das Absterben des Baumes bewirkt. Sporenlager des Pilzes waren zwar in der Regel an Waldrändern oder in lichten Beständen zu finden, allerdings gab es auch in geschlossenen Beständen und an nicht direkt sonnenexponierten Bäumen und Stammregionen Nachweise. Diese standen oft mit Schäden im Zusammenhang, die als Eintrittspforte dienten. Frische Fruchtkörper wurden aber ebenfalls an unbeschädigten Stammpartien beobachtet.

Beide Sporenformen, jedoch v.a. die HFF von A. decipiens, waren häufig an stehendem, liegendem oder aus Kronen ausgebrochenem Totholz zu beobachten. Ein flächiges Auftreten beider Sporenformen konnte auch an Bäumen mit vollständig grüner Krone beobachtet werden, da sich die Infektionen stärker vertikal (entlang der Stammachse) als horizontal ausbreiten und der Anteil des lebendigen Stammes zuerst noch groß ist.

A. decipiens ist in der Lage nicht nur an Totholz, sondern auch an noch lebendigen Bäumen eine Weißfäule zu erzeugen, die keilförmig bis zum Kern vordringt. In der aktiven Infektionszone der Fäule einer befallenen Hainbuche aus München konnte der Pilz an allen 6 beprobten Stamm- und Astquerschnitten nachgewiesen werden (Abb. 4).

Verwechslungsgefahr

Im Zusammenhang mit dem Hainbuchensterben tritt ferner der Pilz Endothiella carpinicola auf. Er wird aber als weit weniger aggressiv eingestuft. Auch er wurde in einem der Bestände nachgewiesen, in dem A. decipiens gefunden wurde. E. carpinicola kann leicht mit Cytospora decipiens, der NFF von Anthostoma, verwechselt werden. Die Sporenlager von E. carpinicola sind heller und treten als Tröpfchen und in dünnen Ranken aus der Rinde hervor.

Durch Feuchtigkeit können diese jedoch verwaschen. Aus dem gleichen Grund besteht nach Regen Verwechslungsgefahr mit dem Totholzzersetzer Libertella betulina, der ebenfalls gelborange Sporenranken bildet. Im Gegensatz zu diesen zwei Pilzen ist C.decipiens kompakter und schlechter wasserlöslich. Im trockenen Zustand ist er sehr zäh und tiefrot; nach Regen kann die Farbe aufhellen. Im Zweifel ist eine mikroskopische Bestimmung unumgänglich.

Auch die Identifizierung der HFF von A. decipiens sollte mikroskopisch erfolgen. Man kann ältere Sporenlager mit Diatrype stigma (Flächiges Eckenscheibchen) oder Diatrypella verruciformis (Warziges Eckenscheibchen) verwechseln, die ebenfalls die hier beprobten Bäume besiedelten.

Anthostoma decipiens kennzeichnen jedoch die länglichen Fortsätze der Fruchtkörper, die von oben betrachtet gefurcht und rund sind. Hieraus leitet sich der deutsche Name Geschnäbelter Kugelpilz ab (Abb. 5).

Schwächeparasiten wie Diplodia mutila (Rindenbrand) und Neonectria coccinea (Scharlachrotes Pustelpilzchen) wurden auch an Bäumen mit dem Hainbuchen-Rindensterben bzw. an anderen Hainbuchen im selben Bestand gefunden. Im fortschreitenden Schadverlauf war oft der Weißfäuleerreger Schizophyllum commune (Gemeiner Spaltblättling) zu finden.

Suchkulisse

Im Herbst 2021 kam es an einem Autobahnrastplatz zu einem Zufallsfund des Anthostoma-Hainbuchensterbens am Südrand der Fränkischen Platte in Unterfranken. Diese Region um Würzburg ist die wärmste und trockenste Bayerns. Aus diesem Anlass wurden dort und in zwei anderen warmen Regionen Bayerns – um Regensburg und Nürnberg – insgesamt 32 Bestände mit größeren Hainbuchenanteilen begangen. Um Regensburg und Nürnberg fanden sich keine Verdachtsfälle. Die Vitalität der Bäume war dort augenscheinlich besser als die der Hainbuchen rund um Würzburg. Auf der Fränkischen Platte war der Pilz jedoch in 8 der 17 begangenen Bestände nachweisbar (Abb. 1). Zusätzliche Funde an 3 von 7 kontrollierten Autobahnrastplätzen mit Hainbuchen im Bereich der Fränkischen Platte bestätigen ein Auftreten des Erregers an Stressstandorten. An einem Fundort waren mindestens ein Drittel der ca. 2 Dutzend Bäume befallen und wiesen bereits am Stamm Sporenlager von A. decipiens und großflächige Nekrosen auf. An einem Rastplatz nördlich von Regensburg konnte die Krankheit an einer einzelnen, stark geschädigten Hainbuche nachgewiesen werden. Weitere Kontrollen von Hainbuchen an 31 Rastplätzen um Regensburg fielen jedoch negativ aus.

Handlungsempfehlungen

Da über die Infektionswege und die Verbreitung des Pilzes auf der Fläche, aber auch in den Bäumen selbst, wenig bekannt ist, können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine gesicherten Handlungsempfehlungen gegeben werden. Bäume, die bereits Symptome am Stamm aufweisen, können sich aller Voraussicht nach nicht mehr revitalisieren und sterben ab. Ob eine Entnahme befallener Bäume benachbarte vor einer Infektion schützen kann ist ungewiss. Da sich die Befunde im Wald bisher auf die heißeste und trockenste Region Bayerns und Standorte im öffentlichen Grün beschränken, scheint für einen Krankheitsausbruch eine Vitalitätsschwächung der Pflanze und für den Pilz förderliche Bedingungen Grundvoraussetzung zu sein. Das zukünftige Gefährdungspotential scheint also eng mit dem weiteren Auftreten von klimatischen Extremen verknüpft zu sein. Daher könnte es lokal begrenzt zu größeren Schäden kommen. Eine epidemische Ausbreitung ist aus heutiger Sicht aber wohl nicht zu befürchten. Generell ist zum Vermeiden von Schäden aber alles hilfreich, was für ein kühles Bestandsinnenklima sorgt.

Ausblick

Ein gehäuftes Auftreten von Anthostoma als Parasit war im Nachgang der Extremjahre ab 2018 v. a. an Stressstandorten zu beobachten. Wie sich das Schadpotential in Zukunft weiter entwickeln wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen. Unter der Prämisse zunehmender Wetterextremereignisse und der Verschiebung von Standortseignungen scheint eine grundsätzliche Zunahme des Auftretens des Hainbuchensterbens jedoch wahrscheinlich.

Basierend auf bisherigen Nachweisen scheint sich im Wald das Wirtsspektrum von A. decipiens auf die Hainbuche zu beschränken. Infektionstests haben neben der erfolgreichen Besiedlung von Haselsträuchern (Corylus avellana) auch ein großes Schadpotential an der Gemeinen Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) gezeigt. Andere Baumarten wie Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), Hänge-Birke (Betula pendula) und Rot-Buche (Fagus sylvatica) konnten zwar besiedelt werden, die Infektionen breiteten sich aber kaum aus.