Veränderungen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen veranlassten die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg (heute: ForstBW) in den 1970er Jahren zu einer Neuausrichtung der forstlichen Zielsetzungen und der Entwicklung des Konzeptes Naturnahe Waldwirtschaft. Die Grundsätze und Zielvorgaben des Konzepts, insbesondere hinsichtlich der zentralen waldbaulichen Elemente (Naturnaher Waldbau i. e. S.), waren bereits in den 1980er Jahren inhaltlich weitestgehend ausgearbeitet. Die zu Beginn der 1990er Jahre vorgelegte programmatische Formulierung des Leitbildes [z. B. 1] war damit kein "Neustart", sondern griff im Wesentlichen auf bereits Entwickeltes zurück.
Naturnähe bei der Baumartenwahl
Eines der Hauptanliegen Naturnahen Waldbaus ist es, dass sich die natürlichen Waldgesellschaften in den Wirtschaftswäldern widerspiegeln. Ziel ist zwar nicht die Reproduktion "natürlicher" Baumartenverhältnisse, die Wirtschaftswälder sollen jedoch hohe Anteile der von Natur aus vorkommenden Hauptbaumarten enthalten.
Abb. 1 zeigt die Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung des Staatswaldes ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Bedingt durch den Wiederaufbau der devastierten Wälder mit Fichte und Kiefer war dieser bereits damals stark von Nadelbäumen geprägt. Die Tanne hatte gegenüber den Verhältnissen im "Urwald von einst" (Firbas Abteilung IX) deutlich, die Laubbäume drastisch an Bedeutung verloren. In Übereinstimmung mit den Anforderungen an den Wald als Rohstofflieferant und vor allem in Folge der beiden Weltkriege wurde die ertragsorientierte Nadelbaumwirtschaft im Staatswald auch weiterhin ausgebaut. Seine höchsten Nadelbaum-Anteile erreichte der Staatswald in den 1970er Jahren mit 69 %.
Vor diesem Hintergrund markiert die mit dem Konzept Naturnahe Waldwirtschaft verbundene langfristige Baumartenplanung einen Paradigmenwechsel. Erstmals wurde mit dem Primat der – mit Ausnahme der Tanne – nicht standortsheimischen Nadelbäume gebrochen und den natürlichen Hauptbaumarten eine tragende Bedeutung zugemessen: Entsprechend der Zielsetzungen sollte der Anteil von Laubbäumen und Tanne langfristig um ca. 20 %-Punkte auf 60 % angehoben werden. Hervorzuheben ist, dass diese langfristige Baumartenplanung nicht pauschal erfolgte, sondern standortsspezifisch sehr differenziert unter Einbeziehung der Vorstellungen über natürliche Waldgesellschaften entwickelt wurde [2,3].
Trotz dieses Paradigmenwechsels machte die nachhaltige Sicherung der Nutzfunktion jedoch weiterhin eine maßgebliche Beteiligung ertragreicher Nadelbaumarten unumgänglich. Auch fremdländische Baumarten fanden deshalb in dieser Planung ihren Platz, vor allem die seit den 1950er Jahren verstärkt angebaute nordamerikanische Douglasie. Allerdings mit veränderter Schwerpunktsetzung: In den 1960er Jahren sah die Forsteinrichtungs-Planung unter dem Eindruck der überragenden Ertragsleistung der Douglasie in einzelnen Wuchsgebieten noch einen Anteil von nahezu 60 % an der Verjüngungsfläche vor (Odenwald: 56 %; Landesdurchschnitt: 21 %). Auch in den 1970er Jahren betrug der Anteil der Douglasie immer noch 20 % am geplanten Verjüngungszugang. Um dem Grundsatz der Naturnähe Rechnung zu tragen, wurde dann jedoch der Douglasien-Zielanteil im Konzept Naturnaher Waldbau auf etwa 5 % begrenzt. Dies entsprach einer bewussten Beschränkung auf einen Bruchteil des standörtlich möglichen Spektrums.
Gegenwärtig liegt der Nadelbaumanteil im Staatswald bei 51 %. Damit ist das in der seinerzeitigen langfristigen Baumartenplanung vorgegebene Globalziel eines etwa hälftigen Laubbaum-Anteils erreicht. Die rasche Umsetzung beruht natürlich zum Teil auch auf Kalamitäten, in deren Folge große Verjüngungsflächen entstanden. Anders als dies nach vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit der Fall war, wurden nun die dort gebotenen Chancen für einen zielkonformen Baumarten-Umbau konsequent genutzt [z. B. 4].
Bei der Fichte haben sich zwischenzeitlich mit einem Rückgang um knapp 15 %-Punkte in den beiden letzten Jahrzehnten allerdings Verschiebungen ergeben, die in Bezug auf die Sicherung ihres langfristigen Zielanteils an der Bestockung kritisch zu sehen sind. Neben kalamitätsbedingten Verlusten von Altbeständen ist hierfür vor allem der weitgehende Verzicht auf Fichten-Pflanzung im Staatswald verantwortlich. Als Konsequenz weisen die heute unter 40-jährigen Bestände der Altersklassen I und II nur noch einen Fichten-Anteil von etwa 25 % auf. Dies liegt deutlich unter dem langfristigen Zielanteil von 1993 in Höhe von 30 %. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, ist zu bezweifeln, dass sich der derzeit noch vorgesehene Fichtenanteil tatsächlich halten lässt.
Stabilität
Widerstandsfähige Waldökosysteme bilden eine unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Waldwirtschaft. Grundvoraussetzung ist ihre langfristige ökologische Stabilität. Für eine (nachhaltige) Erfüllung der wirtschaftlich orientierten Nutzfunktion reicht dies allein jedoch nicht aus. So sind Phasen mit zusammenbrechenden bzw. sich auflösenden Beständen zwar durchaus häufig integraler Bestandteil von Waldökosystemen und gefährden dort nicht die Stabilität der natürlichen Dynamik. In wirtschaftlicher Hinsicht zeitigen solche Kalamitäten jedoch katastrophale Folgen. Zur nachhaltigen Sicherung der Nutzfunktion ist daher ein erweitetes Stabilitätsverständnis Voraussetzung, welches neben der ökologischen Stabilität auch eine Risikominimierung in Bezug auf Sturm, Fäule etc. anstrebt.
Dieser Stabilitätsmaxime trägt das Konzept Naturnaher Waldbau unter anderem dadurch Rechnung, dass sich die Baumartenwahl zwingend an den standörtlichen Gegebenheiten und der standortsspezifischen Betriebssicherheit auszurichten hat.
Noch in den 1970er Jahren befanden sich auf etwa 20 % der Staatswaldfläche Fichtenbestände auf Standorten, die zwar ein gutes Wachstum ermöglichten, für die jedoch das Schadpotential durch Sturm bzw. Kernfäule infolge spezifischer Standortsfaktoren (Vernässung bzw. Kalk) sehr hoch war ("labile Fichtenbestände"; Abb. 2).
Abb. 2: Anteil der aus standörtlichen Gründen als labil klassifizierten Fichtenbestände im Staatswald Baden-Württemberg. Linke Grafik: Anteil an der gesamten Fläche. Rechte Grafik: Anteil an den <20jährigen Beständen (Quelle: Forsteinrichtungsstatistik).
Der Umbau und damit die Stabilisierung solcher Bestände mit standortsangepassten Baumarten war daher ein wesentliches Ziel des Naturnahen Waldbaus und wurde konsequent in Angriff genommen. Der Anteil labiler Fichtenbeständen konnte gegenüber den 1970er Jahren mehr als halbiert und auf weniger als 10 % abgesenkt werden (Abb. 2). Besonders deutlich wird der Erfolg des Umbauprogramms in Bezug auf die Verjüngung. In den bis 20 Jahre alten Beständen findet sich heute nur noch ein marginaler Anteil labiler Fichtenbestände. Dieser Erfolg ist umso erstaunlicher, als die Entstehung dieser Bestände mit erheblichen Turbulenzen im Verjüngungsgeschehen durch Großkalamitäten (Stürme, Borkenkäfer) verbunden war. Trotz dieser erschwerten Bedingungen ist es offensichtlich gelungen, die anspruchsvollen, stabilitätsorientierten Vorgaben für die Wiederbewaldung beispielsweise der ausgedehnten Sturmschadflächen von 1990 und 1999 umzusetzen [4-6].
Mischung und Stufigkeit
Abb. 3: Anteile von Bestandesklassen mit unterschiedlichen Mischungsverhältnissen im Staatswald Baden-Württemberg (Quelle: Forsteinrichtungsstatistik).
Mischbestände bieten gegenüber Reinbeständen eine Reihe von Vorteilen: das Risiko wird auf mehrere Baumarten verteilt, die Artenvielfalt ist größer und es lassen sich auch standorts- oder gebietsfremde Baumarten einbinden.
Aufgrund des hohen Betriebsrisikos ausgedehnter Nadelbaum-Reinbestände legte die Landesforstverwaltung bereits seit den 1970er Jahren den Fokus auf die Mischbestandswirtschaft, die 1979 formal für den Staatswald mit dem ersten „Betriebszieltypen-Erlass“ festgeschrieben wurde.
Die Forsteinrichtungsstatistik zeigt, dass die vor allem für Nadelbaum-Bestände entwickelte Mischbestandsmaxime im Staatswald konsequent umgesetzt wurde. Der ohnehin bereits relativ geringe Anteil Nadelbaum-dominierter Bestände (Nadelbaumanteile >80 %) ging weiter zurück und liegt gegenwärtig nur noch bei 20 % der Fläche (Abb. 3). Hinzu kommt, dass selbst diese Kategorie mit sehr hohen Nadelbaumanteilen tatsächlich nur zu einem kleinen Teil aus Reinbeständen besteht, da ihr auch Mischungen mit unterschiedlichen Nadelbaumarten, beispielsweise mit Tanne, zugerechnet werden.
Bezüglich der Stufigkeit hat sich gezeigt, dass dieses Element möglicherweise die am häufigsten missverstandene Zielvorgabe des Naturnahen Waldbaus ist: Obwohl die programmatischen Formulierungen zum Konzept hierzu explizit ausführen, Stufigkeit nur dort anzustreben, wo "sinnvoll und möglich", wird dies nicht selten dahingehend interpretiert, dass die Schaffung von Strukturreichtum auf möglichst großer Fläche aktiv zu betreiben sei.
Tatsächlich liegt der Schwerpunkt des Konzeptes keinesfalls auf der aktiven Schaffung von Strukturreichtum, sondern darauf, bestehenden Strukturreichtum nicht unnötig zu homogenisieren.
Trotz dieser teilweise aufgetretenen Fehlinterpretation konnte die Wertschätzung von Strukturreichtum erfolgreich in den Fokus der Waldbewirtschaftung gerückt werden. So tragen beispielsweise die umfangreichen Vorbau-Aktivitäten dazu bei, die betreffenden, oft kalamitätsbedingt gelichteten Bestände, zumindest temporär, vertikal stärker zu strukturieren (Abb. 4).
Die Bedeutung der Bestandesstruktur als neues Zielelement spiegelt sich in der Forsteinrichtungsstatistik wider, die zeigt, dass in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten der Anteil der als besonders strukturreich klassifizierten und bewirtschafteten Beständen deutlich angestiegen ist (Abb. 4).
Naturverjüngung
Auch im Hinblick auf eine Ausweitung der Naturverjüngung zeigen sich deutliche Erfolge (Abb. 5). Der Naturverjüngungsanteil lag in den 1970er Jahren lediglich bei etwa 25 % der Verjüngungsfläche. Der allmählichen Zunahme bis zur Jahrtausendwende folgte ein sprunghafter Anstieg auf aktuell etwa zwei Drittel, was durch eine konsequente Ausnutzung des Naturverjüngungspotentials auf den Lothar-Schadflächen zu erklären ist [4]. Die hohen Naturverjüngungsanteile stammen dabei nur zu sehr geringen Anteilen aus Neuansamungen auf den Freiflächen. In der Regel war unter dem Schirm der später vom Sturm geworfenen Bestände bereits schon vorher Naturverjüngungsvorrat angesammelt worden.
Auch die planmäßige Verjüngung von Altbeständen folgt den Vorgaben des Konzeptes. Hiebsformen, die in kurzer Zeit zu verjüngungsfreien Flächen führen (vor allem Kahl- und Saumschläge) bilden in der Planung die seltene Ausnahme (Abb. 5). Ganz überwiegend erfolgt die planmäßige Räumung des Altbestandes erst über gesicherter Verjüngung.
Die Bevorzugung längerfristiger (Natur-)Verjüngungsverfahren korrespondiert gut mit der Vorgabe des Produktionsziels „wertvolles Starkholz“, wobei allerdings mit Blick auf die Zielerreichung bei den beiden Aspekten Dimension und Qualität Unterschiede festzustellen sind. Bezüglich der Dimension scheint die Entwicklung zielkonform: jedenfalls weisen sowohl die beiden Bundeswaldinventuren als auch die Betriebsinventuren darauf hin, dass der Starkholzvorrat im Staatswald trotz der beiden säkularen Sturmereignisse 1990 und 1999 tendenziell ansteigt.
Abb. 5: Linke Grafik: Anteil der Naturverjüngung am Verjüngungszugang (Datenquelle: Forsteinrichtungsstatistik und Hiebsnachweisungen). Rechte Grafik: Hiebsarten beim geplanten Verjüngungszugang (Stand FOFIS 2009).
Im Gegensatz dazu verläuft die Qualitätsentwicklung nicht befriedigend (Abb. 6). Bei Buche und Eiche beispielsweise erreicht nach wie vor nur ein sehr kleiner Anteil des Stammholzes Wertholz-Qualität (Güteklasse A), und selbst der Anteil an guter Durchschnittsqualität (Güteklasse B) liegt deutlich unter 40 %, bei allgemein eher sinkender Tendenz. Auch beim Nadelstarkholz ist keine positive Qualitätsentwicklung festzustellen.
Bekanntermaßen werden diese Güteeinstufungen nicht unerheblich vom Marktgeschehen beeinflusst und sind damit als Indikator für die Qualitätsentwicklung nur begrenzt geeignet. Trotzdem sind Zweifel angebracht, ob das Ziel "wertvolles Starkholz" bisher wirklich im wünschenswerten Umfang erreicht worden ist.
Abb. 6: Güteklassenanteile am stärkeren Buchen- und Eichen-Stammholz der Klassen 4 und stärker (Quelle: Jahresberichte der Landesforstverwaltung)
Angepasste Wildbestände
Seit Erlass des Reichsjagdgesetzes (1934) führten anhaltende jagdliche Fehlentwicklungen deutschlandweit zu überhöhten Schalenwildbeständen. Spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren vor allem die Rehwildbestände auch in Baden-Württemberg so stark angewachsen, dass die Verhältnisse waldbaulich nicht mehr tragbar waren. Selbst die Verbiss-unempfindlichen Fichten mussten oftmals geschützt werden. Die Verjüngung Verbiss-empfindlicher Baumarten (Laubbäume und Tanne) war faktisch nahezu unmöglich (Abb. 7). Die Verhältnisse im Staatswald waren dabei kaum besser als anderswo. Was dazu führte, dass auch im Staatswald bis in die 1970er Jahre Waldflächen in erheblichem Umfang eingezäunt waren.
Die überhöhten Wildbestände führten nicht nur zu enormen Kosten, sondern gefährdeten auch zentrale Ziele des Naturnahen Waldbaus wie die Erhöhung von Laubbaum- oder Tannenanteile bzw. die Arbeit mit langfristigen Verjüngungsverfahren. Folgerichtig wurde daher ab den 1980er Jahren die Rehwildbejagung im Staatswald erheblich verstärkt [7]. Die staatliche Regiejagd wurde als Vorbildfunktion begriffen und im Rahmen des Naturnahen Waldbaus wurde das überkommene Ziel waldschädlicher Trophäenhege abgelöst. An seine Stelle trat das neue Leitbild von Wildbeständen, die an die Erfordernisse Naturnahen Waldbaus angepasst sind. Als Folge der ab den 1980er Jahren ansteigenden Abschusszahlen entwickelten sich die waldbaulich kritischen Verbissintensitäten rückläufig (Abb. 8), so dass auch die Verjüngung verbissempfindlicher Baumarten wie Tanne oder Buche auf großer Fläche wieder in Gang kam. Mit etwa zehnjährigem Zeitversatz konnten dann die Wildschutzmaßnahmen erheblich reduziert werden. Ende der 1990er Jahre wurden im Staatswald weniger als 10 % der Kulturfläche gezäunt. Gegenwärtig liegt der Anteil der eingezäunten Holzbodenfläche bei weit unter 1 % (Abb. 7).
Unter dem Schirm der Altbestände sammelten sich auf großer Fläche allmählich Verjüngungsvorräte an. Ihr Wert wurde im Zusammenhang mit dem Lotharsturm 1999 besonders augenfällig. Sie wirkten quasi als "Schadversicherung" und ermöglichten im Staatswald auf den Sturmschadflächen einen Anteil von ca. 60 % kostenloser Naturverjüngung. Die Verhältnisse im überwiegend in gemeinschaftlichen Jagdbezirken bejagten Kommunalwald waren ungünstiger: hier beschränkte sich Naturverjüngung auf nur rd. 40 % und es waren in wesentlich größerem Umfang teure Pflanzungen nötig [4].
Ähnlich früheren Erhebungen des Forstlichen Gutachtens zum Abschussplan (z. B. 1992 in [1]) belegt auch die jüngste Erhebung von 2010 die Vorbildfunktion der Regiejagd im Staatswald im Vergleich zu den gemeinschaftlichen Jagdbezirken. Sowohl bezüglich der Verbissintensitäten als auch der Verjüngungsflächen, die ohne Schutzmaßnahmen aufwachsen können, sind in der staatlichen Regiejagd günstigere Verhältnisse zu konstatieren (Abb. 9).
Abb. 7: Entwicklung der Rehwildstrecke in der Regiejagd und der eingezäunten Holzbodenfläche im Staatswald Baden-Württemberg (Quelle: Forststatistische Jahrbücher und Jahresberichte).
Allerdings scheinen sich die Unterschiede zwischen Regiejagd und gemeinschaftlichen Jagdbezirken in jüngerer Zeit tendenziell zu verringern. Bedenklich ist dabei, dass diese Entwicklung weniger auf einer tatsächlichen Verbesserung bei den gemeinschaftlichen Jagdbezirken zu beruhen scheint, sondern eher auf einer Verschlechterung der Verhältnisse in den staatlichen Verwaltungsjagden. Für den Naturnahen Waldbau könnten sich daraus auf längere Sicht erhebliche Probleme ergeben. Die Herausforderung wird sein, diejenigen Ursachen zu identifizieren, die sich möglicherweise negativ auf die Effektivität der Bejagung auswirken (z. B. Organisationsstrukturen, Reviergrößen, Wildpret-Hygienevorschriften, Hemmnisse für mithelfende Jagdgäste, Verpachtung staatlicher Eigenjagdbezirke) und diesen wirkungsvoll gegenzusteuern. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass dies ein konsequentes Engagement und eine klare Positionierung seitens der Betriebsleitung erfordert.
Pflege der Wälder
Hinter diesen Grundsätzen zur Pflege der Wälder steht das Prinzip der "biologischen Automation", das darauf abzielt, eigendynamisch ablaufende Prozesse soweit wie möglich für die Erreichung der waldbaulichen Ziele nutzbar zu machen. Eingriffe zur Umsteuerung erfolgen nur dann, wenn ein Waldbauziel durch eigendynamische Entwicklungen gefährdet wird, ansonsten beschränken sich Eingriffe auf Pflegemaßnahmen zur Unterstützung und Beschleunigung der Prozesse. Die möglichst weitgehende, zielkonforme Ausnutzung natürlicher Automation dient daher nicht nur der Naturnähe, sondern ist ein Gebot der Wirtschaftlichkeit.
Die konsequente Ausnutzung der biologischen Automation unter dem Leitbild des Naturnahen Waldbaus führte zu sinkenden Aufwendungen im Bereich der Kulturen und der Jungbestandspflege. Insbesondere bei der Pflege von Laubbaum-Jungbeständen bewirkte die Ausnutzung der natürlichen Dynamik eine deutliche Senkung des Aufwands durch reduzierte Eingriffsintensitäten (Abb. 10) bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualitätsentwicklung durch natürliche Astreinigung.
Allerdings sind die Möglichkeiten der biologischen Automation nicht unbegrenzt. Rückblickend ist festzustellen, dass die Aufwendungen für Jungbestandspflege wohl zum Teil etwas zu stark reduziert worden waren und sich dann negativ auf Qualitätsstandards auswirkten. So entfällt bei Naturverjüngung zwar im Regelfall die Notwendigkeit von Pflanzung und Kulturpflege. Während Pflanzungen jedoch zielorientiert mit optimierten Mischungsformen und Bestandesdichten angelegt werden, weichen Naturverjüngungen in dieser Beziehung nicht selten von den angestrebten Optimalverhältnissen ab. Ihre Entwicklung bedarf dann nachsteuernder Eingriffe wie Mischwuchsregulierung oder Standraumerweiterung. Dies ist aktuell beispielsweise bei einem erheblichen Anteil der aus dem Lotharsturm 1999 entstandenen Naturverjüngungsflächen der Fall. Trotzdem schneiden Naturverjüngungen in der Aufwandsbilanz in der Regel deutlich günstiger ab als Pflanzungen.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass im Staatswald die Möglichkeiten zur zielkonformen Ausnutzung biologischer Automation weitestgehend realisiert sind. Eine weitere Reduktion der Pflegeintensität ist ohne Beeinträchtigung oder gar Gefährdung der waldbaulichen Ziele des Konzeptes Naturnahe Waldwirtschaft nicht zu erwarten.
Literatur
- [1] MLR (1993): Wald, Ökologie und Naturschutz – Leistungsbilanz und Ökologieprogramm der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. Selbstverlag Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg (MLR), Stuttgart, 128 pp.
- [2] Moosmayer, U. (1993): Die regionale Waldbauplanung in Baden-Württemberg – Grundlage für einen naturnahen Waldbau. AFZ-DerWald 48, 64-67.
- [3] Moosmayer, U. (2001): Langfristige regionale Waldbauplanung in Baden-Württemberg – Grundlagen und Ergebnisse. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg 81, 134pp.
- [4] Kohnle, U., Dinkelacker, F., v.Gilsa, H. (2005): Sicherung waldbaulicher Qualitätsstandards in Baden-Württemberg – Ergebnisse zum Stand der Wiederbewaldung 2003. AFZ-DerWald 60, 561-565.
- [5] MLR (1994): Dokumentation der Sturmschäden 1990. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg 75, 190 pp.
- [6] v.Gilsa, H., Dinkelacker, F., Kohnle, U. (2005): Sicherung waldbaulicher Qualitätsstandards in Baden-Württemberg – die Revision Wiederbewaldung 2003. AFZ-DerWald 60, 556-560.
- [7] Weidenbach, P. (1984): Gegenwärtige Rehwildbewirtschaftung in Baden-Württemberg. AFZ-DerWald 39, 868-871.
- [8] Riedl, W. (1978): Forsteinrichtungsstatistik 1961/70 für öffentliche Waldungen; Teil II: Auswertung. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg, Bd. 52.