Seit Ende der 1990-er Jahre werden in Baden-Württemberg ungewöhnlich viele absterbende Roterlen (Alnus glutinosa) beobachtet. Die betroffenen Erlen zeigen vor dem Absterben eine Ausbildung von chlorotischen, kleinen Blättern und insbesondere Schleimfluss am Stammfuß infolge von Kambiumnekrosen (Abb. 1) und starke Kronenverlichtungen. Oft sterben die Erlen innerhalb von etwa drei Jahren ab. Frühzeitige Fruktifikation ist nur ein unspezifisches Symptom.
Wenn es auch für das Absterben von Erlen verschiedene Ursachen geben kann, ist sie durch einen neu entdeckten Erreger zusätzlich bedroht. Insbesondere die Schleimflussflecken am Stammfuss sind ein starkes Indiz für sein Vorkommen.
Biologie des Erregers
Abb. 2: Oosporen zur Überdauerung.
Die Gattung Phytophthora zählt zur Gruppe der "Algenpilze" und damit nicht zu den "Echten Pilzen". Eine Besonderheit dieser Gruppe sind begeißelte Zoosporen, die aktiv schwimmen können und zur Ausbreitung der Krankheit über das Wasser geeignet sind. Zur Überdauerung bilden sie typische Oosporen (Abb. 2), die im Falle von Ph. alni allerdings nicht keimfähig sind. Viele Arten dieser Gruppe sind virulente Pflanzenpathogene. Zunächst wurde der Erreger der Erlenwurzelhalsfäule 1993 in Großbritannien entdeckt und als Hybrid Ph. cambivora x fragariae beschrieben worden. Erst 2004 erhielt er den Namen Ph. alni Brasier. In der Natur werden ausschließlich Erlen befallen, überwiegend die Roterle, A. glutinosa.
Schwerpunkte des Auftretens
Abb. 3: Bildung von Adventivwurzeln als Reaktion auf häufiges und anhaltendes Hochwasser.
Schwerpunkt der Verbreitung sind Flussauen, die zeitweise überflutet werden. Je mehr die Bestände stagnierendem oder langsam fließendem Wasser ausgesetzt sind, um so höher steigt auch ihre Erkrankungswahrscheinlichkeit. Hier bilden die Erlen am Wurzelhals oft typische Adventivwurzeln aus (Abb. 3). Erlen, die nur auf geringfügig höherem Niveau stocken, erkranken seltener. Erlen am Oberlauf von schnell fließenden Gewässern sind kaum bedroht. Die Primärinfektion kann aus dem Wasser flussaufwärts stammen, möglicherweise von gepflanzten Erlen aus infiziertem Baumschulmaterial.
Für Baden-Württemberg gibt es Nachweise des Erregers durch die FVA aus Wäldern der Rheinebene (Überflutungsgebiete von Rhein-Nebenflüssen). Ferner hat die Landesanstalt für Pflanzenschutz den Erreger im Neckarraum isoliert. Dort waren
Erlen nach Ablassen und Wiederauffüllen eines künstlichen Sees erkrankt. Für Rheinland Pfalz liegen mehrere Nachweise an bachbegleitenden Erlen vor, die durch die ehemaligen Pflanzenanstalt für Pflanzenbau und Pflanzenschutz durchgeführt wurden. Eine weitere Verbreitung über die genannten Nachweise hinaus gilt als wahrscheinlich. Eine umfassende Darstellung der Epidemie in Europa geben Gibbs et al. (2003). Negative Ergebnisse bei Nachweisversuchen sind dadurch zu erklären, dass andere Erkrankungsursachen vorliegen (s.u.) oder dass die Probenahme zu einem Zeitpunkt erfolgt war, als der Erreger nicht mehr aktiv oder bereits wieder abgestorben war.
Abb. 4: Überflutete Erlen.
Differenzialdiagnose: Nicht alles ist Phytophthora
Zwar erhält die Erle seit etwa 20 Jahren vermehrt forstliche Aufmerksamkeit auch als Nutzholz; ein Zielkonflikt besteht jedoch dadurch, dass gleichzeitig den Flussauen, wo sie hauptsächlich angepflanzt wird, im Zuge von Hochwasserschutz und Renaturierungen mehr Überflutungen zugemutet werden. Gegen größere Schwankungen des Grundwasserspiegels (ca. > 1m) galt die Roterle schon in der älteren Literatur als empfindlich. Wenn der Wurzelhals längere Zeit überflutet ist, leidet das Wurzelgewebe unter Sauerstoffarmut und erstickt. Diese Ursache ist im Einzelfall nicht immer klar vom Phytophthora-Befall zu unterscheiden. Auch das Symptom Schleimfluss allein kann einen Nachweis nicht ersetzen, da er lediglich unspezifisch eine Schädigung des Phloems anzeigt.
Ein anderes Phänomen, das bei einer Differenzialdiagnose nicht vergessen werden darf, ist ein gravierendes Erlensterben, von dem Münch (1936) berichtet hat. Nach seinen Schilderungen erreichte damals in weiten Teilen Mitteleuropas kaum eine Kultur die zweite Altersklasse. Neben dem Absterben selbst war frühzeitige Fruktifikation als Symptom beschrieben. Die Triebe waren mit dem Pilz Valsa oxystoma befallen. Als eine Ursache fand man damals minderwertiges Saatgut von leicht zu beerntenden Samenbüschen, das über weite Entfernungen vermarktet wurde.
Es gibt keine Informationen über Stammfußnekrosen aus dieser Zeit; auch wurden keine Untersuchungen auf Phytophthora-Befall angestellt. Wohl aber sind Stammfussnekrosen bei anderen Baumarten nach Überflutungen detailliert beschrieben.
- Ein Bild der Dürre "von oben herab" zeigt sich bei Infektionen mit V. oxystoma und Melanconis alni (Abb. 5, links) beim aktuellen Absterben von Grünerlen in den Schweizer Alpen.
- Wiederholt wurde in den letzten Jahren als Grund für das Dahinsiechen von Erlenkulturen der Befall mit Glasflüglern (Abb. 5, rechts), seltener auch durch den Erlenwürger festgestellt, deren Larven den Stammfußbereich mit ihren Fraßgängen durchlöchern, was ebenfalls zu Schleimfluss führen kann.
- Gelegentlich kommt es auch zu Abgängen durch Hallimasch.
- Je nach Standort sind Erlen auch gegen Austrocknung in extremen Trockenjahren empfindlich.
Abb. 5: links: Zweiginfektion mit Melanconis alni., rechts: Bohrgänge von Glasflüglern.
Prognose und Maßnahmen
Abb. 6: Stockausschläge mit Stelzwurzeln.
(alle Fotos FVA)
- Ein Schadensrisiko für Erlen in Überflutungsgebieten muss generell in Betracht gezogen werden. Eine Risikominderung ist evtl. durch Hügelpflanzung möglich.
- Anstehende Erlenpflanzungen sollten möglichst mit Pflanzmaterial aus Phytophthora-freier Anzucht durchgeführt werden. Nach Möglichkeit sollte auf örtliche vorhandene gesunde Naturverjüngung und auf Wildlinge zurückgegriffen werden.
- Wenn erkrankte Erlen auf den Stock gesetzt werden, treiben sie oft wieder gesund aus und erhalten mindestens für einige Zeit die Bestockung. Oft bilden sie dabei Stelzwurzeln aus, die den Wurzelhals aus der Überflutungszone herausheben (Abb. 6).
- Bei starkem Befall in einem Bestand kommt ein Baumartenwechsel oder je nach Standort und Zielsetzung die Beimischung bzw. Tolerierung von Weiden und Pappeln, Moorbirken oder Eschen in Betracht.
- Forstämter mit ungewöhnlich stark befallenen Flächen werden gebeten, dies bei der FVA - Abt. Waldschutz zu melden.