Die Quarantäne-Schadorganismen – und die invasiven Arten insgesamt – sind in der Abteilung Waldschutz der FVA seit einigen Jahren in einem separaten Aufgabenbereich zusammengeführt. Dieses noch vergleichsweise junge Arbeitsfeld hat im Verlauf kurzer Zeit einen hohen Stellenwert eingenommen und dabei auch zusätzliche Kapazitäten gebunden. Begründet ist diese Entwicklung einerseits durch rechtliche Vorgaben auf sowohl europäischer als auch nationaler Ebene. Andererseits gehen von den offiziell durch die EU geregelten Quarantäne-Schadorganismen bereits gegenwärtig in zunehmendem Maße Risiken für unsere heimischen Wälder aus.
Von Schadorganismen wird im Pflanzenschutz allgemein gesprochen, sofern heimische oder eingeführte Pflanzen in ihrer Gesundheit oder ihrem Vorkommen durch Insekten, Nematoden, Pilze und pilzähnliche Mikroorganismen, Bakterien und Phytoplasmen sowie Neophyten bedroht werden. Pflanzenviren und Viroide werden dieser Kategorie ebenfalls zugestellt, wenngleich diese nicht offiziell als Organismen gelten.
Als invasiv gebietsfremd werden des Weiteren diejenigen Schadorganismen bezeichnet, die in Lebensräume außerhalb ihrer natürlichen Verbreitung in der Regel unbeabsichtigt eingebracht werden und sich dort ausbreiten. Als heimisch gelten hingegen nicht nur die sich in einem Gebiet natürlich entwickelnden, sondern auch die dorthin eingewanderten, verwilderten oder ausgebrachten Organismen, sofern sich diese über mehrere Generationen als Population ohne menschliche Hilfe erhalten konnten.
Hierin liegt jedoch eine begriffliche Schwäche, da zwar beispielsweise höhere Tiere und Pflanzen für die Entwicklung mehrerer Generationen auch einen entsprechenden Zeitraum benötigen, die Reproduktion bei Mikroorganismen allerdings unvergleichbar schneller verläuft. Neben den verschleppten Schadorganismen sind aber auch die in einem Gebiet durch Mutationen oder Hybridisierung neu entstehenden Arten für die Pflanzengesundheit von Interesse. Dies trifft in den von Menschen überschaubaren Zeiträumen zwar kaum für höhere Entwicklungsstufen zu, ist aber bei Mikroorganismen keine Seltenheit. Schließlich können gebietsfremde oder neu entstandene, invasive Organismen einen Quarantäne-Status erhalten, sofern von ihnen eine potenzielle Schadwirkung ausgeht, woraus amtliche Überwachungs- und Eingrenzungsmaßnahmen resultieren.
Für Schadorganismen, die einen EU-Quarantäne-Status erhalten, besteht grundsätzlich eine Meldepflicht gemäß dem Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) und der Pflanzenbeschauverordnung (PflBeschauV). Dieser Meldepflicht ist zunächst gegenüber dem zuständigen Pflanzenschutzdienst des jeweiligen Bundeslandes (in Baden-Württemberg: LTZ Augustenberg) nachzukommen, welcher die Anzeigen amtlich bestätigt und der zuständigen Bundesbehörde am Julius Kühn-Institut (JKI) Bericht erstattet. Alle weiteren Maßnahmen sind durch die Vorgaben der EU, nationale Notfallpläne oder Allgemeinverfügungen in den betroffenen Zuständigkeitsbereichen geregelt.
In Baden-Württemberg ist in diesem Zusammenhang insbesondere für die Überwachung der Waldbestände, für den Warndienst sowie für die Durchführung von Untersuchungen und Versuchen im Wald die FVA zuständig.
Aktuelle Beispiele in Baden-Württemberg
Asiatischer Laubholzbockkäfer und Citrusbockkäfer
Abb. 2: In Pappelholz verpackte Granitlieferungen aus Südostasien im Hafengelände von Weil am Rhein im Sommer 2012.
Die mit über 30 Arten im asiatischen Raum beheimateten Bockkäfer der Gattung Anoplophora sind holzbrütende Primärparasiten mit jeweils sehr breitem Wirtsspektrum an Laubbäumen. In Mitteleuropa bislang vorrangig befallen werden Pappel-, Ahorn-, Weiden- und Ulmenarten sowie Rosskastanien. Sowohl der Asiatische Laubholzbock (Anoplophora glabripennis) (Abb. 1) als auch der Citrusbock (A. chinensis) sind wegen des hohen phytosanitären Risikos von der EU als Quarantäneschädlinge gelistet.
Beide Bockkäferarten sind sich morphologisch sehr ähnlich und können daher auf den ersten Blick leicht verwechselt werden. Die mit 2,5 bis 4 cm Körperlänge relativ großen Vollkerfe weisen auf dunklem Untergrund zahlreiche, über den Körper verteilte Flecken von heller Farbe sowie auffällig lange, hellgeringelte Fühler auf. Eine Verwechslungsgefahr mit heimischen Insekten ist bei genauerer Betrachtung – abgesehen von den Larven – kaum gegeben. Die in unserem Klima nach zweijähriger Entwicklung vollständig ausgebildeten Käfer haben eine nur noch mehrwöchige Lebenserwartung im Zeitraum von Mai bis September. In dieser Zeit finden der Reifungsfraß der Jungkäfer, die Paarung und schließlich die Eiablage statt. Ebenfalls wichtig für die Diagnose sind die in der Rinde lebender Bäume kreisrund erscheinenden und im Durchmesser bis zu 1,5 cm großen Ausfluglöcher der Käfer sowie die im Holz sogar bis zu 3 cm breiten, ovalen Fraßgänge der Larven. Während jedoch die Einbohr- und Ausfluglöcher des Asiatischen Laubholzbockes am Stamm und an Starkästen der Unterkrone zu finden sind, muss sich die Diagnose dieser Merkmale beim Citrusbock wegen der abweichenden Lebensweise auf sichtbare Starkwurzeln und Wurzelanläufe konzentrieren. Als Hauptquelle der Einschleppung haben sich für A. glabripennis Verpackungs- und Stapelholz in Paletten asiatischer Granitlieferungen (Abb. 2) sowie für A. chinensis aus der Heimat des Käfers stammende Pflanzenimporte (vor allem Bonsai) erwiesen.
Der Citrusbock wurde im Freiland bisher weder in Baden-Württemberg noch insgesamt in Deutschland nachgewiesen. Eine Einschleppungsgefahr besteht jedoch inzwischen nicht mehr nur für Warenimporte aus der ursprünglichen Heimat beziehungsweise dem nichteuropäischen Ausland, sondern bereits auch aus einem etablierten Vorkommen in Norditalien, wo sich A. chinensis seit dem Jahr 2000 ununterbrochen ausbreitet.
Bezüglich des Asiatischen Laubholzbockes sind in Deutschland dagegen mehrere Einschleppungsfälle und Freilandausbrüche vor allem in der Nähe von Umschlagplätzen der Binnenschiffart an den Flüssen Rhein und Inn bestätigt, die nunmehr einer amtlichen Quarantäneüberwachung unterliegen. Eine dieser Quarantänezonen befindet sich in Weil am Rhein (Baden-Württemberg), wo im Hafengelände in den Jahren 2011 und 2012 zunächst Larven an einer Granitlieferung und später auch ausgeflogene Käfer an Bäumen (darunter auch Platane) nachgewiesen wurden. Im Jahr 2012 wurden daher alle potenziellen Wirtsbäume im Hafengelände eliminiert. Auf dem Territorium der auch in die Nachbarstaaten Schweiz und Frankreich reichenden Quarantänezone mit einem Radius von 2 km finden seither intensive Kontrollen der Warenlieferungen und des Gehölzbestandes statt. Das Landratsamt Lörrach hat als zuständige Behörde zur Durchsetzung der Maßnahmen eine Allgemeinverfügung erlassen.
Um die Genauigkeit der Kontrollen zu verfeinern, wurden dem Beispiel Österreichs und der Schweiz folgend speziell ausgebildete Spürhunde zur Identifizierung eingesetzt. Darüber hinaus wurde Anfang 2013 ein Fangbaum-Projekt initiiert. Damit sollen die aus den Warenlieferungen ausschwärmenden Käfer durch eine Barriere attraktiver Wirtsbäume in unmittelbarer Nähe abgefangen werden.
Buchsbaumzünsler und Buchsbaumtriebsterben
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Buchsbaumzünsler und Buchsbaumtriebsterben: zwei neuartige und invasiv auftretende Schadorganismen. In einem jahrhundertealten und einzigartigen Buchswald bei Grenzach-Wyhlen leisten beide Arten ganze Arbeit.
Esskastaniengallwespe
Die Japanische Esskastaniengallwespe (Dryocosmus kuriphilus) ist ein durch die EU geregelter Quarantäne-Schadorganismus, dessen Vorkommen erstmals für Deutschland seit Juni 2013 in verschiedenen Waldstandorten im Raum Mannheim amtlich betätigt ist und dort somit mindestens auf das Jahr 2012 zurückdatiert werden kann. Die Japanische Esskastaniengallwespe stammt ursprünglich aus Südchina. Von dort aus wurde sie 1941 nach Japan und 1961 nach Südkorea sowie 1974 auch nach Nordamerika verschleppt. 2002 trat sie erstmals in der EU in Norditalien auf. Seither hat sich die Gallwespe auch in Europa stetig ausgebreitet. Im Jahr 2005 wurde D. kuriphilus erstmals in Slowenien und in Frankreich festgestellt. Weitere Nachweise betreffen die Länder Ungarn und Spanien. Inzwischen gilt sie auch in der Südschweiz als etabliert.
Befallen werden ausschließlich Arten der Gattung Castanea, womit eine hohe Wirtsspezifität des Insekts angezeigt ist. Bei uns ist in erster Linie die auch in Teilen Südwestdeutschlands im Wald und in der offenen Landschaft sowie darüber hinaus in Parks und Grünanlagen vorkommende Esskastanie (Castanea sativa) betroffen. Weiterhin anfällig sind: C. crenata (Japanische Edelkastanie), C. dentata (Amerikanische Edelkastanie), C. mollissima (Chinesische Edelkastanie) und C. seguinii sowie deren Hybriden. Hinweise auf natürliche Resistenz sind bislang nur vereinzelt bekannt geworden. Befallen werden Bäume jeden Alters, wobei aufgrund der Biologie des Schadinsekts erst ab dem zweiten Baumlebensjahr typische Befallssymptome erkennbar werden.
Die Japanische Esskastaniengallwespe zählt weltweit zu den schädlichsten Parasiten der Baumgattung Castanea. Sie verursacht an den befallenen Bäumen durch die zunehmende Vitalitätsschwächung Verluste sowohl beim Zuwachs als auch bei der Blüten- und Fruchtproduktion. Aus Nordamerika und Italien wurde bekannt, dass stark befallene Bäume insbesondere beim Eingreifen weiterer Stressfaktoren innerhalb weniger Jahre absterben können. Zu den bedeutendsten Stressoren zählt der auch im Südwesten Deutschlands auftretende, pilzliche Krankheitserreger Cryphonectria parasitica, der an der Esskastanie einen schwerwiegenden Rindenkrebs auslösen kann. Die inzwischen mehrjährigen Erfahrungen im italienischen Verbreitungsgebiet der Gallwespe haben gezeigt, dass die durch die Gallwespen an den Knospen sowie durch die Ausschlupflöcher in den Gallen verursachten Gewebeverletzungen bevorzugte Eintrittspforten für den Schlauchpilz darstellen. Das Zusammenwirken von Gallwespe und Pilz forciert den Schadverlauf und führt zu einem Zurücksterben der Krone. Im südasiatischen Raum ist das Schadpotenzial der Esskastaniengallwespe zum einen aufgrund einer gemeinsamen Koevolution zwischen Wirt und Parasit, zum anderen aufgrund eines ausgeprägten Parasitoidenkomplexes geringer. In Europa sind hingegen bislang keine heimischen Gegenspieler effektiv in Erscheinung getreten. Als eine Maßnahme der biologischen Eingrenzung wurde in Italien die aus Südostasien stammende Schlupfwespe Torymus sinensis mit Erfolg künstlich in den Naturhaushalt eingeschleust.
Während des Austriebs beginnen sich grün bis leuchtend rosafarbene Gallen an den Blatt-, Blüten- oder Triebknospen zu entwickeln. Diese erreichen bei Reife eine Größe von ca. 5 bis 25 mm (Abb. 6 und 7). Die durch die Larven induzierten Gallen verhindern in den assimilierenden Organen eine reguläre Gewebeentwicklung und erscheinen daher abnorm. Die Blüten- und Fruchtbildung kann durch den Befall drastisch reduziert werden oder sogar komplett zum Erliegen kommen. Vereinzelt verkümmern befallene Knospen bereits im Initialstadium des Austriebs. Beim Öffnen der Gallen finden sich je nach Entwicklungsstand Kammern mit Larven, Puppen oder schlupfreifen Gallwespen.
Wenngleich die Japanische Esskastaniengallwespe jährlich nur eine Generation entwickelt, ist das Reproduktions- und Ausbreitungsvermögen des Schadinsekts dennoch erheblich. Grund dafür ist die eingeschlechtliche Fortpflanzungsweise der ausschließlich weiblichen Gallwespe.
Die etwa Mitte Juni bis Mitte August auftretenden Imagines (Vollkerfe) sind nur wenige Millimeter groß, schwarz und haben eine Lebenserwartung von ca. 10 Tagen. Die Gallwespen legen bis zu 30 Eier in kleinen Eipaketen in neu gebildete Knospen ab, aus denen nach ca. 30 bis 40 Tagen die in den Knospen einmal überwinternden Larven schlüpfen. Insgesamt kann ein Weibchen etwa 100 Eier produzieren. Während des Austriebs der Knospen im darauf folgenden Frühjahr beschleunigt sich das Wachstum der Larven. Dabei kommt es durch hormonelle Fehlsteuerung zu den auffälligen Gallbildungen. Die Larven ernähren sich in den mitwachsenden Gallen bis etwa Mitte Mai oder Juni, bevor schließlich die Verpuppung einsetzt. Der Entwicklungsfortschritt ist witterungsabhängig und läuft daher in den klimatisch kühleren Regionen sowie bei spät einsetzender Vegetationsperiode oder kühler Frühjahrswitterung verzögert ab.
Die Japanische Esskastanien-Gallwespe wird vor allem durch den Pflanzenhandel sowie entlang der Transportwege verbreitet. Die Einschleppung des Quarantäneschädlings nach Nordamerika und Europa erfolgte wahrscheinlich durch kontaminiertes Baumschulmaterial. Reife Kastanienfrüchte stellen hingegen kein Risiko für eine Verschleppung dar. Die Ausbreitung durch die Flugaktivität des Insekts ist ebenfalls limitiert.
Vorläufige Notfallmaßnahmen gegen die Japanische Esskastanien-Gallwespe waren seit dem 6/2006 für alle Mitgliedstaaten der EU vorgeschrieben. Seit dem 10/2014 wurden sie jedoch wieder ausgesetzt, da der Organismus mittlerweile zu weit verbreitet ist, um die Maßnahmen erfolgreich umzusetzen. Dennoch bleibt die Japanische Esskastanien-Gallwespe weiterhin ein meldepflichtiger Quarantäne-Schadorganismus.
Weitere Quarantäne-Schadorganismen
Neben den vorgestellten Beispielen hoher Aktualität unterliegt noch eine Reihe weiterer Quarantäne-Schadorganismen der kontinuierlichen Überwachung durch die Abteilung Waldschutz. Darunter besondere Aufmerksamkeit erhielten in letzten Jahren zum einen der bereits erwähnte Erreger des Esskastanienrindenkrebses, welcher im Rahmen eines EU-Interreg-Projektes Gegenstand intensiver Forschung war, und zum anderen der in Europa zwar bislang auf Portugal und Spanien an der Strand-Kiefer beschränkte, grundsätzlich jedoch auch an der Gemeinen Kiefer aggressive Kiefernholznematode Bursaphelenchus xylophilus. Da das Ausbreitungsrisiko für diesen durch Bockkäfer der Gattung Monochamus übertragenen Fadenwurm als besonders hoch eingeschätzt wird, veranlasste die EU-Kommission im Jahr 2009 eine Stichproben-Verdoppelung für das jährliche Monitoring. Die dabei gewonnenen Holzproben werden in enger Kooperation mit dem LTZ Augustenberg analysiert.
Dem jährlich-amtlichen Erfassungssystem unterliegen weiterhin die an verschiedenen Kiefern-Arten auftretenden Nadelbräune-Pilze Mycosphaerella pini und M. dearnessii, der Pechkrebs-Erreger Gibberella circinata an der Monterrey-Kiefer sowie der in einem breiten Gehölzspektrum pathogene Mikroorganismus Phytophthora ramorum. Für diese zuletzt genannten Schadorganismen wurden über das Waldschutz-Meldesystem bisher ausschließlich Fehlanzeigen erstattet.
Bedingt durch die zunehmende Globalisierung und klimatische Veränderungen ist von einer weiterhin wachsenden Bedeutung der Quarantäne-Schadorganismen und damit dieses Aufgabenbereiches auszugehen.