Die Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) ist ein durch die EU geregelter Quarantäne-Schadorganismus, dessen Vorkommen erstmals für Deutschland seit Juni 2013 in verschiedenen Waldstandorten im Raum Mannheim (Baden-Württemberg) amtlich bestätigt ist und dort somit mindestens auf das Jahr 2012 zurückdatiert werden kann.
Die Japanische Esskastanien-Gallwespe stammt ursprünglich aus Südchina. Von dort aus wurde sie 1941 nach Japan und 1961 nach Südkorea sowie 1974 auch nach Nordamerika verschleppt. 2002 trat sie erstmals in der EU in Norditalien (Piemont) auf. Seither hat sich die Gallwespe auch in Europa stetig ausgebreitet. Im Jahr 2005 wurde Dryocosmus kuriphilus erstmals in Slowenien und in Frankreich festgestellt. Inzwischen gilt sie auch in der Südschweiz (Kanton Tessin) als etabliert.
Vorläufige Notfallmaßnahmen gegen die Japanische Esskastanien-Gallwespe waren seit dem 6/2006 für alle Mitgliedstaaten der EU vorgeschrieben. Seit dem 10/2014 wurden sie jedoch wieder ausgesetzt, da der Organismus mittlerweile zu weit verbreitet ist, um die Maßnahmen erfolgreich umzusetzen. Dennoch bleibt die Japanische Esskastanien-Gallwespe weiterhin ein meldepflichtiger Quarantäne-Schadorganismus.
Gefährdete Wirtsbäume
Befallen werden ausschließlich Arten der Gattung Castanea, womit eine hohe Wirtsspezifität des Insekts angezeigt ist. Bei uns ist in erster Linie die auch in Teilen Südwestdeutschlands im Wald und in der offenen Landschaft sowie darüber hinaus in Parks und Grünanlagen vorkommende Esskastanie(Castanea sativa) betroffen. Weiterhin anfällig sind: C. crenata (Japanische Edelkastanie), C. dentata (Amerikanische Edelkastanie), C. mollissima (Chinesische Edelkastanie) und C. seguinii sowie deren Hybriden. Hinweise auf natürliche Resistenz sind bislang nur vereinzelt bekannt geworden.
Befallen werden Bäume jeden Alters, wobei aufgrund der Biologie des Schadinsekts erst ab dem zweiten Baumlebensjahr typische Befallssymptome erkennbar werden.
Schadensausmaß
Die Japanische Esskastanien-Gallwespe zählt weltweit zu den schädlichsten Parasiten der Baumgattung Castanea. Sie verursacht an den befallenen Bäumen durch die zunehmende Vitalitätsschwächung vor allem Verluste sowohl beim Zuwachs als auch bei der Blüten- und Fruchtproduktion. Aus Nordamerika und Italien wurde bekannt, dass stark befallene Bäume insbesondere beim Eingreifen weiterer Stressfaktoren innerhalb weniger Jahre absterben können. Zu den bedeutendsten Stressoren zählt der auch im Südwesten Deutschlands auftretende, pilzliche Krankheitserreger Cryphonectria parasitica, der an der Esskastanie einen schwerwiegenden Rindenkrebs auslösen kann.
Die inzwischen mehrjährigen Erfahrungen im italienischen Verbreitungsgebiet der Gallwespe haben gezeigt, dass die durch die Gallwespen an den Knospen sowie durch die Ausschlupflöcher in den Gallen verursachten Gewebeverletzungen bevorzugte Eintrittspforten für den Schlauchpilz darstellen. Das Zusammenwirken von Gallwespe und Pilz forciert den Schadverlauf und führt zu einem Zurücksterben der Krone.
Im südasiatischen Raum ist das Schadpotential der Esskastanien-Gallwespe zum einen aufgrund einer gemeinsamen Koevolution zwischen Wirt und Parasit, zum anderen aufgrund eines ausgeprägten Parasitoidenkomplexes geringer. In Europa sind hingegen bislang keine heimischen Gegenspieler effektiv in Erscheinung getreten. Als eine Maßnahme der biologischen Eingrenzung wurde in Italien die aus Südostasien stammende Schlupfwespe Torymus sinensis mit Erfolg künstlich in den Naturhaushalt eingeschleust.
Abb. 3: Knospengallen und dadurch verhinderte Blattentfaltung. (Alle Fotos: J. Schumacher, FVA; aufgenommen im Mannheimer Stadtwald, Juni 2013)
Schadsymptome
Während des Austriebs beginnen sich grün bis leuchtend rosafarbene Gallen an den Blatt-, Blüten- oder Triebknospen zu entwickeln. Diese erreichen bei Reife eine Größe von ca. 5-25 mm.
Die durch die Larven induzierten Gallen verhindern in den assimilierenden Organen eine reguläre Gewebeentwicklung und erscheinen daher abnorm (Abb. 1 und 2).
Die Blüten- und Fruchtbildung kann durch den Befall drastisch reduziert werden oder sogar komplett zum Erliegen kommen. Vereinzelt verkümmern befallene Knospen bereits im Initialstadium des Austriebs (Abb. 3).
Beim Öffnen der Gallen finden sich je nach Entwicklungsstand Kammern mit Larven, Puppen oder schlupfreifen Gallwespen.
Biologie
Wenngleich die Japanische Esskastanien-Gallwespe jährlich nur eine Generation entwickelt, ist das Reproduktions- und Ausbreitungsvermögen des Schadinsekts dennoch erheblich. Grund dafür ist die parthenogenetische Fortpflanzungsweise der ausschließlich durch weibliche Exemplare repräsentierten Gallwespe.
Die etwa Mitte Juni bis Mitte August auftretenden Imagines (Vollkerfe) sind nur wenige Millimeter groß, schwarz und haben eine Lebenserwartung von ca. 10 Tagen. Die Gallwespen legen bis zu 30 Eier in kleinen Eipaketen in neu gebildete Knospen ab, aus denen nach ca. 30 bis 40 Tagen die in den Knospen einmal überwinternden Larven schlüpfen. Insgesamt kann ein Weibchen etwa 100 Eier produzieren.
Während des Austriebs der Knospen im darauf folgenden Frühjahr beschleunigt sich das Wachstum der Larven. Dabei kommt es durch hormonelle Fehlsteuerung zu den auffälligen Gallbildungen.
Die Larven ernähren sich in den mitwachsenden Gallen bis etwa Mitte Mai oder Juni, bevor schließlich die Verpuppung einsetzt. Der Entwicklungsfortschritt ist witterungsabhängig und läuft daher in den klimatisch kühleren Regionen sowie bei spät einsetzender Vegetationsperiode oder kühler Frühjahrswitterung verzögert ab.
Verbreitungswege
Die Japanische Esskastanien-Gallwespe wird vor allem durch den Pflanzenhandel sowie entlang der Transportwege verbreitet. Die Einschleppung des Quarantäneschädlings nach Nordamerika und Europa erfolgte wahrscheinlich durch kontaminiertes Baumschulmaterial. Reife Kastanienfrüchte stellen hingegen kein Risiko für eine Verschleppung dar. Die Ausbreitung durch die Flugaktivität des Insekts ist ebenfalls limitiert.
Prognose und Maßnahmen
Die Kommissionsentscheidung verpflichtet die Mitgliedsstaaten der EU zu einer jährlichen, amtlichen Überwachung der Esskastanien-Bestände. Im Falle eines Verdachts besteht eine Meldepflicht bei den zuständigen Behörden (in Baden-Württemberg: LTZ Augustenberg oder FVA Freiburg. Sobald ein Vorkommen amtlich bestätigt wurde, treten die bereits oben erwähnten Quarantänemaßnahmen gemäß der EU-Entscheidung 2006/464/EG in Kraft.