Die Weißtanne (Abies alba L.) ist mit einer Waldfläche von über 100.000 ha, d.h. mit einem Anteil von ca. 8 % nach der Fichte und der Rotbuche die drittwichtigste Baumart in Baden-Württemberg. Im Rahmen des angestrebten Waldumbaus und den Wiederaufforstungen nach den Sturmereignissen der vergangenen Jahrzehnte hat ihr Flächenanteil durch Voranbauten in labilen Fichtenbeständen, Anbauten auf Freiflächen und eingeleitete Naturverjüngungen in Altbeständen mit Tannen im Vorbestand - insbesondere in den Altersklassen I und II - deutlich zugenommen (BWI II, 2002).

In den vergangenen drei Jahren melden die Forstdienststellen eine Zunahme der Schäden durch Tannenläuse in Verjüngungen, Dickungen und Baumhölzern, wobei bei den Verursachern nur nach Tannentriebläusen und –stammläusen unterschieden wird. Diese beiden genannten Schaderreger gehören zu den Tannengallenläusen (Adelgidae). Die Adelgidae sind eine Familie der Blattläuse (Aphidoidea) und damit systematisch der Unterordnung der Pflanzenläuse (Stenorrhyncha) zugeordnet.

Bedeutung der Stamm- und Triebläuse

Der Befall von Stamm- oder Triebläusen kann bei der Weißtanne zu erheblichen Schäden, von Wuchsdeformationen bis hin zum Absterben von jungen Einzelbäumen und Baumgruppen, führen. Während die einheimischen Arten, die Weißtannenstammlaus (Dreyfusiapiceae RATZ.) und die Europäische Weißtannentrieblaus (Mindarus abietinus KOCH), als relativ ungefährlich eingestuft werden können, gelten die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeschleppten Arten, die Einbrütige Tannentrieblaus (Dreyfusianordmannianae ECKST.) und die Zweibrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia merkeri EICHHORN), als gefährlich. Dies gilt in besonderem Maße für den Befall von Jungwüchsen und Dickungen.

Biologie der Arten und ihre Unterscheidung anhand von Befallsmerkmalen

Die Biologie der Blattläuse ist im Vergleich zu anderen Insektenarten relativ kompliziert, da ihr vollständiger Entwicklungszyklus mehrere Generationen umfasst, die sich geschlechtlich oder ungeschlechtlich vermehren können und deren Tiere sich in ihrem Aussehen und ihrer Biologie sehr stark voneinander unterscheiden können. Oft ist der Wechsel zwischen der geschlechtlichen und der ungeschlechtlichen Vermehrung mit einem Wirtspflanzenwechsel verbunden. Dabei erfolgt die geschlechtliche Vermehrung auf dem Haupt-(Primär-)Wirt und die ungeschlechtliche Vermehrung auf dem Neben-(Sekundär-)Wirt. Fehlt eine der Wirtsbaumarten, wie das in Mitteleuropa bei den drei Dreyfusia-Arten der Fall ist, kann der vollständige Entwicklungszyklus nicht durchlaufen werden. Die Läuse vermehren sich dann ausschließlich parthenogenetisch (ungeschlechtlich) an der Nebenwirtsart (Weißtanne und andere Tannenarten) und durchlaufen so einen unvollständigen Zyklus (Anholozyklus). Während die grün gefärbte Europäische Weißtannentrieblaus (Mindarus abietinus KOCH) relativ leicht anhand makroskopischer Unterschiede von den drei Dreyfusia-Arten zu unterscheiden ist, können letztere untereinander im Freiland nicht "mit bloßem Auge" sicher unterschieden werden. In der forstlichen Praxis muss die notwendige Artdifferenzierung daher anhand der unterschiedlichen Befallsbilder und Entwicklungsabläufe erfolgen.

Die folgende Tabelle liefert dazu Details:

Tab. 1: Details zu den verschiedenen Tannenläusen.

Waldbauliche Behandlung als Prävention

Die Populationsdynamik der Läuse wird wesentlich über die individuelle physiologische Konstitution der Wirtspflanze gesteuert, daher können unterschiedlich stark befallene Bäume durchaus benachbart sein. Die Dreyfusia-Triebläuse bevorzugen besonnte und warme Bereiche an den Wirtspflanzen, insbesondere Lichtnadeln bzw. ehemalige Schattnadeln, die nach Freistellung der Wirtspflanze von dieser zu Lichtnadeln umgebaut werden, bieten ihnen physiologisch günstige Bedingungen zur Massenvermehrung. Daher sind nach plötzlichen Freistellungen häufig Massenvermehrungen mit teilweise erheblichen Schäden in der Folge zu beobachten.

Entsprechend dieses grundlegenden Zusammenhangs kann für die waldbauliche Behandlung von Verjüngungsbeständen, Voranbauten und Pflanzungen auf der Freifläche die Bedeutung von Schirmstellungen und die Vermeidung einer aktiven plötzlichen Freistellung der Tannen als präventive Waldschutzmaßnahme zur Verminderung des Befallsdrucks abgeleitet werden.

Schirmstellungen über Naturverjüngungen und Voranbauten sollten daher möglichst lange aufrechterhalten werden. Ist der Altholzschirm durch Sturmschäden, Borkenkäferbefall oder andere Schadfaktoren nicht mehr zu halten, bzw. ist dieser aufgrund einer voranschreitenden Holzentwertung betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, steigt das Schadensrisiko durch Dreyfusia-Trieblausbefall deutlich an. Die Flächen sollten dann regelmäßig auf den Befall hin beobachtet werden.

Bei Tannenverjüngungen auf Freiflächen können ankommende Mischbaumarten, insbesondere die Weichlaubhölzer (Birke, Eberesche, u.a.) aber besonders auch Fichte, Kiefer und Buche, für die notwendige Beschattung sorgen, wenn sie leicht vorwüchsig sind. Dieser Seitenschutz darf im Rahmen von Jungbestandspflegemaßnahmen nicht völlig beseitigt werden, vielmehr sollten sich die Pflegemaßnahmen ausschließlich auf einzelne starke Bedränger der Z-Tannen beschränken. Jedenfalls muss eine "Auskesselung" der Tannen in Bezug auf die potentielle Gefährdung durch die Dreyfusia-Triebläuse dringend vermieden werden.

Bekämpfung

In der Regel müssen nur Massenvermehrungen der Dreyfusia-Triebläuse (D. normannianae und D. merkeri), deren Befall von Trieben und Nadeln bei mehrjährigem Befall zu bleibenden, wertvermindernden Schäden an der Stammform bis hin zum Absterben der befallenen Bäume führen, aktiv bekämpft werden. Besonders gefährdet sind Tannen mit einer Baumhöhe bis zu 4 Meter (s. Abb. 5). Der Befall durch Stammläuse bleibt in der Regel ungefährlich, auch wenn sie bei starkem Besatz dem Baum eine große Menge Nährstoffe entziehen. Blattläuse haben eine Reihe von natürlichen Gegenspielern, das sind die Larven von Schwebfliegen, Florfliegen, Schlupfwespen und Marienkäfern, zudem Raupenfliegen, Raubwanzen, Laufkäfer, Weichkäfer, Spinnen und Vögel.

Bei der mechanischen Bekämpfung durch Entnahme verlauster Tannen ist darauf zu achten, dass diese ausschließlich in den Wintermonaten erfolgt, wenn die Läuse im Überwinterungsstadium sind. Allerdings führt die Entnahme befallener Bäume auch zur Auflichtung des Restbestandes und erhöht die Befallsbereitschaft der verbleibenden Tannen, insbesondere von bislang schwach befallenen Bäumen. Daher sollten nur stark befallene Bäume entnommen werden, von denen ein hoher Befallsdruck ausgehen kann. Eine Entnahme aller befallenen Bäume in Form eines Regelverfahrens ist bei diesen Schadinsekten daher nicht zielführend.

Die chemische Bekämpfung durch den Einsatz von Insektiziden stellt den Ausnahmefall dar. Dies auch deswegen, weil der Einsatz technisch schwierig ist und meist diesem auch naturschutzund/ oder wasserschutzrechtliche Einschränkungen im Wege stehen. Somit ist in solchen Fällen auf jeden Fall eine vorausgehende Beratung durch einen Waldschutz-Spezialisten angezeigt.

Sekundärbefall durch den Weißtannenrüssler (Pissodes piceae ILL.) bzw. Pilze

Der Weißtannenrüssler kann als Sekundärschädling an Tannen nach vorangegangenem Stammbefall durch die Dreyfusia-Arten schädlich werden, indem er lokal hohe Populationsdichten aufbaut und Stämme zum Absterben bringen kann. Der Befall ist durch Harztröpfchen am Stammfuß und an den Hauptwurzelanläufen leicht erkennbar. Tannen mit auffällig starkem Stammbefall (Wachswolle) durch die Dreyfusia-Arten sollten daher dauerhaft markiert und über den Sommer regelmäßig auf Befall durch den Weißtannenrüssler hin kontrolliert werden. Durch den Rüsselkäfer befallene Bäume müssen eingeschlagen und sofort abgefahren werden, zumindest sollten sie entrindet werden, um einen Anstieg der Populationsdichte und damit den Befallsdruck des Käfers zu vermindern. Pilze können ebenfalls als Sekundärschädlinge auftreten. Nach dem Stammbefall durch die Läuse kann es bei der Tanne zu einer sekundären Besiedlung durch eine Nectria-Art (Nectria fuckeliana) und in dessen Folge zu Rindennekrosen kommen. Auch der Befall durch den Hallimasch, der als Schwächeparasit bekannt ist, kann durch einen vorangegangenen Lausbefall begünstigt werden und zum Absterben der betroffenen Tannen führen.

Literatur

  • NIERHAUS-WUNDERWALD, D. und FORSTER, B. (1999): Zunehmendes Auftreten der Gefährlichen Tannentrieblaus. Wald und Holz 80 (10): S. 50 – 53.
  • PERNY, B.; CECH, TH.; DONAUBAUER, E. und TOMICZEK, CH. (2002): Krankheiten und Schädlinge in Christbaumkulturen. Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Wien: 194 S.
  • PSCHORN-WALCHER, H. (1960): Der gegenwärtige Stand der Tannenlaus-Frage in forstlicher Sicht. Forstwissenschaftliches Centralblatt 79 (5-6): S.129 – 139.
  • SCHWERDTFEGER, F. (1981): Die Waldkrankheiten. 4. neubearb. Aufl., Verlag Paul Paray, Hamburg und Berlin: 486 S.