Eine gute Waldausstattung in alpinen Einzugsgebieten wird als Versicherung gegen Naturgefahren angesehen. Ausschlaggebende Faktoren sind Interzeption und Transpiration, 70 % des Niederschlages gehen an die Atmosphäre zurück. Bei einem Jahresniederschlag von 1.000 mm werden nur 300 mm als Tiefensickerung und zu einem geringen Teil als Oberflächenabfluss wirksam.
Alpine Wälder können bei einem einzelnen Niederschlagsereignis je nach Baumartenzusammensetzung und Dichte des Kronendaches 4 bis 6 mm (= Liter/m²) Wasser im Kronenraum zurückhalten (Abbildung 1). Je geringer der Überschirmungsgrad, desto mehr sinkt die Interzeptionsleistung sowohl bei Einzelereignissen als auch im Jahresschnitt. Häufen sich Ereignisse hoher Intensität, ist der Kronenrückhalt geringer als zum Beispiel bei Niederschlägen niedriger Intensität mit wiederholten Unterbrechungen und Abtrocknungsphasen.
Faustregel für die Ostalpen
Laubbäume geben über die Interzeption etwa 30 % des Jahresniederschlages, Nadelbäume bis zu 50 % wieder als Wasserdampf an die Atmosphäre zurück. Zudem entnehmen die Bäume für Wachstum und Nährstofftransport große Mengen an Wasser aus dem Boden, das sie über aktive Verdunstung (Transpiration) wieder an die Atmosphäre abgeben. Die Menge des über die Nadeln oder Blätter transpirierten Wassers ist deutlich größer - doppelt bis viermal so hoch - wie etwa von kurzwüchsigen alpinen Rasen.
An einem schönen Sommertag verdunstet beispielsweise ein Hektar Buchenwald 50.000 Liter (= 50 m³) Wasser (Quelle: www.wald-in-not.de/). Rechnet man Interzeption, Verdunstung durch Nadeln und Blätter sowie die Wasserabgabe von Bodenvegetation und Waldboden zusammen, werden etwa 70 % des Niederschlages im Jahresverlauf wieder an die Atmosphäre zurückgegeben. Bei 1000 mm Jahresniederschlag werden somit nur 300 mm als Tiefensickerung und zu einem geringen Teil als Oberflächenabfluss wirksam.
Speicherpotenzial des Waldbodens?
Bei Recherchen zum Speichervermögen von Waldböden findet man häufig die Angabe, dass Waldböden 50 mm Wasser auf 10 cm Bodenmächtigkeit aufnehmen können. Das hieße 50 % des Bodenvolumens stünden als Speicherraum zur Verfügung. Dieser Wert erscheint deutlich zu hoch gegriffen. Warum?
Nun, ein Blick auf Abbildung 2 zeigt, dass die Festsubstanz des Bodens 30 - 50 % des Volumens ausmacht, der Rest ist Porenvolumen. Davon sind die Feinporen (Durchmesser < 2 µm = 2 Tausendstel Millimeter) andauernd mit Wasser gefüllt, weil der Unterdruck, mit dem dieses Wasser in den feinen Kapillaren festgehalten wird, für die Entnahme durch Pflanzen einfach zu groß ist. Aus den Mittelporen (Durchmesser 2 µm bis 10 µm) stellen die Pflanzen überwiegend ihre Wasserversorgung sicher, diese sind bei ausreichender Niederschlagsversorgung des Standortes zu einem Teil vorverfüllt.
Abbildung 2: Porenausstattung eines Waldboden (linkes Bild - früher beweidet, vor 50 Jahren aufgeforstet) und eines Pseudogleys unter Almweide (rechtes Bild)
Für die Aufnahme von Niederschlagswasser stehen also nur Grobporen (10-50 µm Durchmesser), Gröbstporen (> 50 µm Durchmesser) sowie Teile des Mittelporenraumes zur Verfügung. Zudem kann ein Boden meist nicht ganz voll mit Wasser gesättigt sein, große Teile der Poren > 10 µm werden rasch über die Schwerkraft entwässert. Die Konsequenz davon: Der Raum, in dem Wasser aufgenommen und gespeichert werden kann, liegt meist deutlich unter den erwähnten 50 mm Wasser auf 10 cm Bodenmächtigkeit.
Englisch (2009 - mündliche Mitteilung) ermittelte mit einfachen Feldmethoden für eine 40 cm mächtige Rendzina zirka 50 mm und für einen 80 cm mächtigen Pseudogley rund 180 mm pflanzenverfügbaren Bodenwasservorrat. Für das Abflussverhalten eines Standortes ist weniger der Wasserspeicher, den der Boden der Pflanze zur Verfügung stellen kann, von Bedeutung als der zum Zeitpunkt eines Regenereignisses freie Raum. Für das Aufnahmevermögen und die Wasserleitfähigkeit ist hauptsächlich der Anteil an Grob- und Gröbstporen entscheidend.
Sensible Reaktion auf mechanische Belastungen
Wie groß die Unterschiede in der Qualität der Porenausstattung zwischen Waldböden und anderen Nutzungsformen (zum Beispiel Weideland) sein können, verdeutlicht Abbildung 2. Der Feststoffanteil des Waldbodens (Grobanteil, Feinboden, Sand, Schluff, Ton) ist geringer, der Boden ist lockerer, insbesondere der Anteil rasch dränender Poren (Grob- und Gröbstporen, Sekundärporen wie Wurzeln und Tierröhren) ist unter Wald meist deutlich höher als in den umgebenden Freilandböden. Über diese Poren kann das Wasser bei Starkregen rasch und ungefährlich in tiefere Bodenschichten abgeleitet werden.
Auf dem Weideboden in Abbildung 2 (rechtes Bild) zeigt sich deutlich eine "Verengung" in 5 bis 10 cm Tiefe. Durch die Belastung über Generationen werden Teile des Oberbodens verdichtet. Mechanische Belastungen, etwa durch Beweidung oder Befahren mit schwerem Gerät, sind häufig so stark, dass bodenlockernde Prozesse, wie Frostgare oder das Wachsen der Pflanzen im Frühjahr, in 5 - 10 cm Tiefe nur eine begrenzte strukturelle Regeneration erzielen können. Es kommt zur Ausbildung von so genannten "Stausohlen", die Wasserleitfähigkeit des Oberbodens wird deutlich reduziert.
Im linken Bild sind die Auswirkungen der früheren Beweidung anhand des reduzierten Gröbstporenanteils in 5 bis 10 cm Tiefe noch gut zu erkennen. Mechanische Belastungen bleiben Jahrzehnte im "hydrologischen Gedächtnis" der Böden erhalten.
Geringere Abflussbereitschaft im Wald
Zahlreiche Starkregensimulationen am LfU in Bayern und des BFW belegen, dass Waldvegetation und alpine Zwergsträucher überwiegend eine geringe Bereitschaft zur Bildung von Oberflächenabfluss aufweisen. Aufgrund der rauen Oberfläche und des stockwerkartigen Aufbaus wird die Abflussbildung gehemmt und der Abfluss gebremst. Daher wird die Hochwasserspitze zum Beispiel bei Gewitterregen in bewaldeten Einzugsgebieten deutlich verzögert und ist im Vergleich zu alpinen Rasenflächen oder Intensivnutzungsflächen deutlich geringer.
Wald – wichtiger Schutz vor Massenbewegungen
Abbildung 3: Bodenstabilisierung
Bäume fixieren mit ihrem Wurzelgeflecht, vergleichbar mit Armierungen bzw. einfachen temporären technischen Verbauungsmaßnahmen, den Oberboden und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung von Hängen (Abbildung 3).
Bei Dauerregen, wie im August 2005 in Westösterreich, wirken Sekundärporen (Wurzel-, Tierröhren etc.) als eine Art Überdruckventil, über die das Hangwasser rasch weitergeleitet wird.
Ist das "Ventil" Sekundärporen nicht in ausreichendem Umfang vorhanden - wie beispielsweise unter waldfreien Flächen, steigt der Porenwasserdruck deutlich an, die Gefahr der Entstehung von Rutschungen ist höher. Über die Makroporen und den Zwischenabfluss wird im Wald das Wasser natürlich rascher dem Vorfluter zugeführt als auf Standorten mit geringerer Makroporenausstattung. Die Quadratur des Kreises - den Hang fixieren und Wasser im Bodenkörper speichern - ist auch für Waldbestände nur eingeschränkt möglich.
Waldvegetation schützt den Standort, auf dem sie steht, und unterliegende Bereiche. Sie kann jedoch nur begrenzt Oberflächen- und Hangwässer aus höher liegenden, waldfreien Bereichen schadlos aufnehmen. Häufig wird Erosion im Waldbereich gerade durch Abflusskonzentration als Folge falscher Bewirtschaftungsmaßnahmen der Überlieger ausgelöst.