Grössere Mengen an Totholz entstehen bei waldbaulichen Eingriffen oder natürlichen Ereignissen wie Windwurf, Schneebruch und Borkenkäferbefall. Dies führt dazu, dass sich Menge und Qualität des Totholzes im Wald ständig ändern (Abb. 1 und 2). Obwohl das Totholzvolumen während der Zersetzung abnimmt, kommt es unter natürlichen Bedingungen in allen Zersetzungsgraden in ähnlichen Mengen vor. Der Grund liegt darin, dass die ersten Abbauphasen am kürzesten und die späteren länger dauern.

Ökologische Bedeutung

Totholz und seine Lebensgemeinschaften sind gute Indikatoren für die Artenvielfalt und die Naturnähe des Ökosystems Wald. Etwa ein Viertel aller Waldarten benötigt Totholz. Insekten und Pilze sind dabei die artenreichsten Gruppen. In der Schweiz sind über 1700 Käferarten und über 2700 Grosspilze (Abb. 3) auf Totholz angewiesen. Auch Moose, Flechten und Wirbeltiere brauchen dieses Substrat. Spechthöhlen in lebenden oder toten Bäumen werden von Hohltauben, Käuzen, Dohlen und anderen Vogelarten, aber auch von Siebenschläfern oder Fledermäusen weiter genutzt.

Eine wichtige Rolle spielt Totholz auch bei der Waldverjüngung in feuchten, hochstaudenreichen Gebirgswäldern, wo teilweise mehr als die Hälfte aller Fichten auf Moderholz wächst (Abb. 4). Zudem schützt Totholz dort gegen Naturgefahren: Am Boden liegende Baumstämme oder stehende Baumstümpfe stabilisieren den Boden und helfen, Bodenerosion bei Starkregen und Lawinenanrisse zu verhindern. Besonders quer oder schräg zum Hang liegende Stämme bilden eine wirksame Sperre gegen Steinschlag. Massnahmen in der Schutzwaldbewirtschaftung bauen bewusst auf diese positiven Wirkungen.

Umgekehrt gefährden herabfallende tote Äste Waldbesucher und Waldarbeiter. Totholz erhöht die Brandgefahr in Risikogebieten wie dem Laubwaldgürtel der Alpensüdseite, die Verklausungsgefahr in Gewässerrinnen und birgt phytosanitäre Risiken nach Windwürfen.

Totholz im Schweizer Wald

Holz war als Brenn oder Baustoff über Jahrhunderte sehr begehrt. Auch dürre Bäume wurden fast restlos genutzt. Später räumte man herumliegendes Holz oft aus purem Ordnungssinn oder Gründen des Waldschutzes weg. Nach dem zweiten Weltkrieg begann die Totholzmenge der Schweiz wieder kontinuierlich zuzunehmen. Seit den 80er-Jahren zeigt dies das Schweizerische Landesforstinventar (LFI) deutlich – hauptsächlich auch als Folge der Orkane Vivian (1990) und Lothar (1999).

Das Schweizer Totholzvolumen beträgt gemäss LFI 2009/17 durchschnittlich 24 m3/ha (Abb. 5). Dazu kommt, dass die Holzernte in schlecht zugänglichen Gebieten nicht mehr rentabel ist. Es verbleiben wieder mehr abgestorbene Bäume im Wald als früher. 20% der Schweizer Waldbestände werden gemäss LFI 2009/17 seit über 50 Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Nicht zu vergessen ist dabei, dass heute Waldbesitzer und Bewirtschafter besser über die ökologische Bedeutung des Totholzes informiert sind.

Wer haftet bei herunterfallendem Totholz?

Dürrständer und dürre Äste bedeuten eine potenzielle Gefahr für Erholungssuchende oder Waldarbeiter. Grundsätzlich ist der Waldbesitzer nicht verpflichtet, seinen Wald zu bewirtschaften, und Waldbesucher betreten den Wald auf eigenes Risiko. Geschädigte haften deshalb selbst für im Wald erlittene Schäden, insbesondere wenn sie beispielsweise bei Sturm im Wald spazieren gehen oder Warnschilder ignorieren (Selbstverschulden der Geschädigten). Eine wichtige Ausnahme davon bildet die Werkeigentümerhaftung nach Obligationenrecht (Art. 58 OR; SR 220): Der Werkeigentümer hat im Rahmen des Zumutbaren für die sichere Benützung seines Werkes – etwa eine Strasse oder ein markierter Weg – zu sorgen. Massgebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Sicherungsmassnahmen ist das Verhältnis von Aufwand, Schadenpotenzial und Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt.

Totholz-Schwellenwerte

Schwellenwerte beziffern die Mindestmengen an Totholz, die für die Erhaltung spezialisierter Arten notwendig sind. Es ist wichtig, ökologische Schwellenwerte für möglichst viele Arten zu bestimmen, um die Zielwerte für Totholzmengen besser definieren zu können. Solche Zielwerte wurden vom Bundesamt für Umwelt in der Waldpolitik 2020 festgelegt: für Jura, Mittelland und Alpensüdseite 20 m3/ha; für Voralpen und Alpen 25 m3/ha. Die meisten Arten können mit Totholzvolumen von 20 bis 50 m3/ha überleben (Abb. 6.). Um seltene und anspruchsvollere Arten zu erhalten, braucht es oft über 100 m3/ha Totholz. Geeignete Instrumente für die Förderung solcher Arten sind Naturwaldreservate oder Altholzinseln.

Totholz fördern

Totholzorganismen zu fördern, ist ein Beitrag zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Das BAFU unterstützt im Rahmen der Schweizer Waldpolitik zwei wirksame, flächenbezogene Massnahmen für die natürliche Waldentwicklung und Förderung von Totholz finanziell: die Schaffung von Waldreservaten sowie von Altholzinseln.

Bund und Kantone streben bis 2030 an, dass 10% der Schweizer Waldfläche als Reservate unter Schutz stehen, davon etwa die Hälfte als Naturwaldreservate, in denen keine Nutzung mehr stattfinden soll. Im Rahmen der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen wird auch das Stehenlassen von Habitatbäumen finanziell unterstützt

Auf der ganzen Waldfläche sollte eine minimale Totholzmenge vorkommen. Es ist aber besser, einige Bestände mit überdurchschnittlich viel Totholz zu haben, als in allen Wäldern ein bisschen Totholz, das für viele spezialisierte Arten doch nicht ausreicht. Um xylobionte Arten in einem Gebiet langfristig zu erhalten, müssen stets alle Abbauphasen und eine grosse Vielfalt an Totholzdurchmessern vorhanden sein. Da dickes Totholz im bewirtschafteten Schweizer Wald selten ist, sollte es besonders gefördert werden.

Funktionelle Vernetzung

Damit Totholzorganismen langfristig überleben, braucht es vernetzte, totholzreiche Lebensräume unterschiedlicher Grösse (Abb. 7). Naturwaldreservate bilden dabei Kernlebensräume. Altholzinseln und Habitatbäume wirken als Trittsteinbiotope, die den Austausch von Individuen zwischen Populationen ermöglichen. Für die Verteilung von Naturwaldreservaten, Altholzinseln und Habitatbäumen gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Als Faustregel braucht es zusätzlich zu den Naturwaldreservaten ungefähr zwei bis drei Altholzinseln pro Quadratkilometer Wald mit einer Minimalfläche von je einem Hektar sowie fünf bis zehn Habitatbäume pro Hektar.

Herausforderungen für die Zukunft

Zwischen dem gesteigerten Energieholzbedarf und der Totholzförderung besteht offensichtlich ein Interessenskonflikt. Die zunehmende Nachfrage nach Energieholz könnte den Trend zu mehr Totholz im Schweizer Wald stoppen oder sogar umkehren. Eine vermehrte Nutzung von Sortimenten, die bisher im Wald belassen wurden, würde die Lebensbedingungen der Totholz-Lebensgemeinschaften verschlechtern. Sowohl das Erhalten der Biodiversität als auch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen sind jedoch Ziele einer nachhaltigen Entwicklung. Die Herausforderung im Wald wird darin bestehen, die nachwachsende Ressource Holz so zu nutzen, dass dies nicht zulasten der Biodiversität geschieht.

Literatur

Verweise zu der im Text verwendeten Literatur befinden sich im Originalartikel (PDF).

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