Dass das Brot, das wir essen, und das Holz, mit dem wir bauen, im Wesentlichen aus der Luft stammen, erstaunt auch heute noch – mehr als 200 Jahre nach der Entdeckung der Photosynthese. Pflanzen nehmen CO2 (Kohlendioxyd) aus der Luft auf und bauen daraus mit Hilfe der Sonnenenergie ihre Körpersubstanz auf. Daran knüpfte sich früher die Vorstellung, dass mehr CO2 aus der Luft, also mehr Verbrauch fossiler Energie, das Pflanzenwachstum fördert. Vergessen wurde dabei, dass weder Pflanzen noch unser eigener Körper nur aus Kohlenstoffverbindungen bestehen, sondern viele weitere chemische Elemente nötig sind, damit sich Pflanzen und Tiere gesund entwickeln können. Andere chemische Elemente vermehren sich jedoch nicht, wenn der CO2-Pegel in der Luft steigt – auch im Wald nicht.
Der Wald ist nicht nur unser grösster Kohlenstoffspeicher, sondern auch ein wichtiger Rohstoff- und Energielieferant. Wie aber gehen unsere Waldbäume mit der stetig steigenden CO2-Konzentration in der Luft um?
Weltweit einmaliges Forschungsexperiment
Abb. 2 - Schweizer Forschungskran (Swiss Canopy Crane SCC) in Hofstetten (SO) in der Nordschweiz. Foto: Christian Körner
Abb. 3 - Gasverteilung im Kronenraum. Aus winzigen Poren dieser Schläuche wird CO2 verströmt. Foto: Christian Körner
Dieser Frage ging das weltweit einzige Anreicherungsexperiment an ausgewachsenen Laubbäumen nach, dass die Universität Basel in freier Natur durchführt. In diesem Experiment im solothurnischen Hofstetten bei Basel wurden etwa 100-jährige Laubbäume acht Jahre lang einer Atmosphäre ausgesetzt, wie sie in etwa 60 bis 80 Jahren herrschen dürfte. Die Ergebnisse geben einen Einblick, wie subtil und verwoben die zu erwartenden Veränderungen im Wald sind, insbesondere wie sich diese atmosphärischen Einflüsse auf den Wasserhaushalt und die Artenvielfalt im Wald auswirken können.
Die Versuchsfläche des Schweizerischen Forschungskrans (Swiss Canopy Crane SCC) lag auf 550 m ü.NN am Nordfuss des Jura im Nordwesten der Schweiz. Das ausgewählte Waldstück zeichnete sich durch hohen Artenreichtum aus und liegt etwas abseits der intensiv durchforsteten Wälder. Für die CO2-Anreicherung wurden 12 Laubbäume ausgewählt (Buche, Traubeneiche, Hagebuche, Sommerlinde, Feldahorn und Vogelkirsche). Die Höhe der Baumwipfel beträgt zwischen 28 und 35 m. Der Bodentyp ist eine Redzina auf zerklüftetem Kalkfels. Gemessen an seiner Wüchsigkeit gehört der Wald zu einer hohen Bonitätsstufe.
Die CO2-Anreicherung erfolgte mit der FACE-Methode (Free Air CO2 Enrichment). Dabei wurde auf jegliche Umhüllung der Pflanzen verzichtet, um eine Veränderung des Mikroklimas zu vermeiden. Bei der Anreicherung wurde reines, lebensmitteltaugliches Kohlendioxid (gereinigter Industrieabfall) in die Atmosphäre verströmt, das sich mit der Luft mischte und den CO2-Pegel auf die gewünschte Höhe anhob. Bei diesem Verfahren wird das Kohlendioxid nicht mittels technischer Strukturen über den Baum verströmt, sondern die Baumkronen selbst sind Träger der Infrastruktur. Die CO2-Anreicherung erfolgt hierbei ausschliesslich im Kronenraum. Von der Krangondel aus wurden pro Baum ca. 1 km dünne Spezialschläuche in die Kronen geflochten, ohne die Bäume zu verletzen. Die Schläuche weisen Poren auf, durch die das Kohlendioxid mit hohem Druck freigesetzt und dann innerhalb weniger Zentimeter mit der umliegenden Luft verwirbelt wird.
Abb. 4 - Schema des CO2-Anreicherungsxperimentes im Laubwald am Forschungskran.
CO2 besteht aus Kohlenstoff (C) und Sauerstoff. Zu 99 % finden wir darin 12C und 1% des schweren C isotopes 13C. Das hier eingesetzte CO2 besitzt etwas weniger 13C als normale Luft . Diese Isotopensignatur des Gasgemisches nehmen die Bäume in ihren Geweben auf. Wo immer dieser Kohlenstoff im Baum hingelangt, lässt sich die Signatur mit dem Massenspektrometer nachweisen. In Kooperation mit dem Paul Scherrer Institut war es so möglich, den gesamten Weg des Kohlenstoffs von der Photosynthese bis zur Freisetzung durch Mikroorganismen aus dem Boden zu verfolgen. Die Konzentration dieses Isotops im Pflanzengewebe zeigt auch, wie lange es dauert, bis bestehende Kohlenstoffvorräte vollkommen durch neu aufgenommenen Kohlenstoff ersetzt werden.
Der Weg der neuen Photosynthese-Produkte
Abb. 5 - Mesungen an den Buchenblättern von der Krangondel aus. Foto: Christian Körner
Es dauerte etwa vier Jahre, bis alle neu gebildeten Strukturen der untersuchten Waldbäume die Signatur der CO2-Anreicherung in sich trugen. Die als Nebeneffekt dieses Experimentes erfolgte Markierung der Photosynthese-Produkte mit "neuem" Kohlenstoff ergab zwei interessante Einblicke in den Kohlenstoffkreislauf solcher Wälder:
- Bereits drei Monate nach Beginn der CO2-Anreicherung im Jahr 2000 bestanden die Fruchtkörper der Waldpilze im Umfeld der Bäume mit erhöhtem CO2 zu 60% aus neuem Kohlenstoff. Dies beweist die enge Verbindung zwischen Baum und Pilzpartner.
- Ein grosser Teil der Photosynthese-Produkte gelang entweder auf diesem Weg oder über Wurzelausscheidungen oder -atmung in den Boden. Beides führt zu einem Ausstoss an Kohlendioxid aus dem Waldboden.
Veränderungen im Gewebe und in den Organen der Bäume
Von Anfang bis Ende des 8-jährigen Experiments war die Photosyntheserate der Blätter aller Baumarten bei zusätzlichem CO2-Angebot deutlich erhöht. Es fand also keinerlei Anpassung an die erhöhte CO2-Konzentration statt. Die Proteinkonzentration der Blätter hat sich – entgegen der Erwartung – nicht verändert.
In anderen Studien wurde häufig beobachtet, dass Pflanzen unter erhöhtem CO2 u.a. mehr Reservestärke anhäufen. In den Baumkronen der Hofstetter Bäume tat dies nur die Eiche und zwar ausgeprägt und seit Anfang der CO2-Anreicherung. Sobald das Gas nach acht Jahren abgedreht wurde, verschwand dieses Signal wieder. Eine Zunahme des Kohlenstoffvorrats in der Bodenstreu kann ausgeschlossen werden.
Auch in der Nahrungskette lässt sich der Weg des Kohlenstoffs verfolgen. Hierzu durchgeführte Frassversuche zeigten, dass die in der Literatur als typische Streuabbauer beschriebenen Regenwürmer, Springschwänze oder Milben etc. lieber Wurzeln, Wurzelabfall oder ältere organische Reste im Boden frassen, die noch keine Isotiopensignatur der CO2-Anreicherung aufwiesen. Frische Laubstreu verschmähten diese Bodentiere hingegen fast gänzlich. Auch dies sind völlig neue, forstökologische Erkenntnisse.
Reaktionen von Forstinsekten
Abb. 6 - Gelbe Blattspitzen und Frasslöcher in Buchenblättern sind Anzeichen für das Wirken des Buchenspringrüsslers. Foto: Universität Basel
Einige Insekten wie die Nonne (Schmetterling) zeigten in Versuchsgelegen ein verändertes Fressverhalten. Obwohl die Raupen mehr von den CO2-angereicherten Blättern frassen, wurden sie nicht schwerer als die Raupen auf den Kontroll-Bäumen.
Ein nahe verwandtes Insekt, der forstlich ebenfalls wichtige Schwammspinner, reagierte auf das zusätzliche CO2 je nach Baumart mit unterschiedlichen Wachstumsraten der Raupen. Bei CO2 -begasten Hagebuchen waren die Raupen kräftiger, bei ebenso behandelten Eichen ging das Wachstum der Raupen zurück und bei Buche zeigte sich keine Reaktion. Die Wissenschaftler konnten die Veränderungen in der Futterqualität nicht schlüssig erklären.
Der auf Buche lebende Buchenspringrüssler verursacht neben Minier- und Lochfrass auch gelbe Spitzen an Buchenblättern. Die Käfer fressen bevorzugt an Buchenblättern in CO2-angereicherter Luft. Ebenso legen die Weibchen mehr Eier auf die Blätter von hoch-CO2-Buchen. Allerdings liessen sich diese Beobachtungen statistisch nicht absichern, sodass eine negative Auswirkung auf die betroffenen Bäume vorerst ausgeschlossen wird.
Wasserhaushalt der Bäume unter erhöhtem CO2-Angebot
Bei der Hagebuche war der Wasserverbrauch unter erhöhtem CO2 klar vermindert, die Buche reagierte schwach und die Eiche gar nicht. Die insgesamt leicht verminderte Verdunstung des Bestandes führte zu einem langsameren Austrockenen des Bodens in regenfreien Perioden, mit erhöhter Bodenfeuchte. Allerdings verschwindet dieser Effekt nach einigen regenfreien Tagen.
Baumwachstum unter erhöhtem CO2-Angebot
Abb. 7 - Arbeiten zum Wasserhaushalt von der Krangondel aus. Foto: Christian Körner
Abb. 8 - Die Versuchsfläche mit dem Kran im Jura auf 550 m ü. M. Foto: Christian Körner
Die vorliegenden Ergebnisse lassen quer über die untersuchten Baumarten keine signifikante Wachstumssteigerung unter erhöhtem CO2-Angebot erkennen. Im Vergleich zu zahlreichen Experimenten mit jüngeren Bäumen zeigt dieses erste und bisher einzige CO2-Anreicherungsexperiment mit erwachsenen Waldbäumen in natürlicher Umgebung nicht die erwartete markante Wachstumsstimulierung.
Auch alle anderen gemessenen Signale sind relativ klein verglichen zu dem, was üblicherweise an Sämlingen, eingetopften Pflanzen oder jungen Beständen gemessen wird. Die Resultate mahnen somit insgesamt zur Vorsicht vor dem Hochskalieren von Resultaten kleinskaliger Experimente.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wirkung von Kohlendioxid auf den heimischen Wald wohl kaum ertragswirksam werden dürfte, aber auch gravierende, negative Einflüsse sind unwahrscheinlich. Diese Aussage ist insofern wichtig, als in der globalen CO2-Diskussion immer wieder betont und auch politisch argumentiert wird, dass die CO2-Anreicherung in der Atmosphäre auch positiv zu sehen sei, denn sie stimuliere das Wachstum der Wälder.
Dennoch sind gewisse Wirkungen unter erhöhtem CO2 möglich. An Nadelbäumen in mageren Bergwaldböden wurde gezeigt, dass die CO2-Anreicherung sogar zu einer Hemmung der Nährstoffaufnahme führt. Dort gaben die Bäume die überschüssigen Kohlenhydrate an den Boden ab und Mikroben absorbierten den Kohlenstoff. Letztere wurden damit zu Nährstoffkonkurrenten für die Bäume. Das führte zu dichterem und härterem Holz, ein Effekt, den man mit einer Stickstoffdüngung wiederum aufheben konnte. Interessanterweise zeigten die Schäden des Sturms Lothar, dass raschwüchsige Fichten auf nährstoffreichen Böden bevorzugt am Schaft brachen, während sich langsam wüchsige Fichten auf weniger guten Böden "versteiften" und eher entwurzelt wurden. Darin mag sich die Balance zwischen Nährstoff- und Kohlenstoffversorgung widerspiegeln. CO2-Anreicherung induziert eine Überversorgung mit Kohlenstoff, sofern Bodennährstoffe nicht im Überschuss vorhanden sind. Somit bleibt die Frage offen, wo der überschüssige Kohlenstoff hingeht, der zwar vermehrt aufgenommen wird, aber weder in der Biomasse, noch in einem erhöhten Recycling wiederzufinden ist.
Der Verbleib dieses "missing carbon" wurde bis heute noch von niemandem schlüssig geklärt. Eine Möglichkeit könnte sein, dass überschüssiger Kohlenstoff vermehrt in gelöster organischer Form oder in anorganischer Form als Bikarbonat mit dem Sickerwasser aus dem Bodenkörper ausgespült wird. Patrick Schleppi und Frank Hagedorn von der Eidg. Forschungsanstalt WSL haben Hinweise gefunden, dass die Bodenlösung unter den CO2-angereicherten Bäumen in Hofstetten 20-30% mehr gelösten anorganischen Kohlenstoff enthielt. Ausserdem konnten sie zeigen, dass die Laubstreu CO2-angereicherter Bäume zu Beginn des Abbaus mehr gelösten organischen Kohlenstoff in den Boden entlässt als das Laub von Bäumen in Umgebungsluft. Ausserdem wird mehr Stickstoff mineralisiert. Diese Daten wurden von P. Schleppi et al. (2012) in Global Change Biology publiziert und schliessen einen Teil der Eklärungslücke.
Forstwirtschaftlich relevante Veränderungen im Wald sind zu erwarten
Unter natürlichen Wachstumsbedingungen ist es sehr wahrscheinlich, dass forstwirtschaftlich relevante Veränderungen im Wald (z.B. Holzproduktion) stattfinden. Es darf vermutet werden, dass bestimmte Schlüsselelemente in der Nährstoffversorgung der Bäume (Phosphor, Kalium, Magnesium etc.) zum wachstumsbegrenzenden Faktor werden, weil das Stickstoff- und CO2-Angebot überaus reichlich ist.
Die achtjährige Dauer dieses Experiment ist vermutlich immer noch zu kurz, um im Vergleich zum natürlichen Trend einen plötzlichen Anstieg der CO2-Konzentration auf Waldbäume festzustellen. Umgekehrt ist es denkbar, dass eine plötzliche Erhöhung des CO2-Pegels eher zu einer stärkeren (Über-)Reaktion der Bäume führt, als ein langsames über ein Jahrhundert gehendes Ansteigen des CO2-Pegels um 1 bis 3 ppm pro Jahr. Derartig kurzfristige Veränderungen sollten zu markanteren Ausschlägen führen, als wir sie bei allmählichen Veränderungen erwarten könnten. In diesem Sinn tendieren derartige Experimente eher zur Über- als zur Unterschätzung langfristiger Effekte. Wäre das Experiment nach drei oder vier Jahren abgebrochen worden, wäre ein signifikanter Zuwachs der Buche im Raum stehen geblieben, der sich aber über die Folgejahre wieder verkleinerte. Inzwischen gibt es ein ähnliches Experiment mit 37 m hohen Fichten – der häufigsten Baumart der Schweiz. Man darf auf diese Ergebnisse gespannt sein.
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