In Mitteleuropa wurden Reste von Wildäpfeln in steinzeitlichen Siedlungen gefunden, was deren frühe Nutzung als Obst belegt. Die Bedeutung des heimischen Wildapfels (Malus sylvestris) bei der Züchtung unserer Kulturäpfel ist aber umstritten – asiatische Arten dürften insgesamt eine größere Rolle gespielt haben. Da Kulturäpfel häufig verwildern und mit Wildformen Bastarde bilden, ist das zweifelsfreie Erkennen reiner Wildäpfel schwierig. Wildnahe Formen zeichnen sich durch kugelige, grüne bis gelbgrüne, manchmal rotbackige, bis 3,5 cm große Früchte aus.

Im frischen Zustand haben die Früchte einen bitteren und sauren Geschmack. Erst gedörrt oder gekocht sind sie wohlschmeckend. Der Wildapfel unterscheidet sich vom Kulturapfel auch dadurch, dass seine Blätter keine oder nur eine äußerst geringe Behaarung aufweisen. Neben morphologischen Merkmalen werden zunehmend auch molekulargenetische Marker zur Bestimmung von Wildapfelbäumen herangezogen. Mit diesen modernen Methoden konnte gezeigt werden, dass es in verschiedenen europäischen Ländern doch noch eine beträchtliche Anzahl ursprünglicher Exemplare der Baumart gibt.

Licht liebend und konkurrenzschwach

Der Wildapfel entwickelt sich zu einem bis etwa 10 m hohen Baum, häufig wächst er auch nur strauchförmig. Seine Lebensspanne ist mit 80 bis 100 Jahren relativ kurz. Er ist eine rein europäische Baumart, die zerstreut und zumeist einzeln in weiten Teilen des Kontinents verbreitet ist. Obwohl die Art in den Alpen gelegentlich bis über 1000 m Seehöhe vorkommen kann, ist sie in erster Linie in der Ebene und im Hügelland verbreitet.

In Österreich ist die Baumart in allen Bundesländern bekannt, wobei sie überall selten ist. Etwas häufiger ist der Wildapfel in den niederösterreichischen Voralpen, im Wiener Becken, Weinviertel, Mittel- und Südburgenland sowie in der Ost- und Weststeiermark.

Der Wildapfel ist extrem Licht liebend, langsamwüchsig und konkurrenzschwach und wird daher von anderen Baumarten auf nasse und trockene Standorte verdrängt. Verbreitungsschwerpunkt sind die Hartholzauwälder der großen Flüsse, in Österreich vor allem die Donau-Auen. Auch in Wärme liebenden, lichten Laubmischwäldern, an Waldrändern sowie in Gebüschen und Hecken kommt der Wildapfel vor.

Zur Pflanzung von Jungbäumen eignen sich vor allem Waldränder, Hecken und Waldwiesen. Schutz vor Wildverbiss ist in den meisten Fällen erforderlich.

Ökologisch wertvoll

Großen materiellen Nutzen darf man sich vom Wildapfel nicht erwarten und auch früher war seine wirtschaftliche Bedeutung gering. Das schwere und harte, aber wenig dauerhafte Holz wird weniger geschätzt als das anderer Wildobstbäume. Es fällt in so geringer Menge und in so schwachen Dimensionen an, dass es kaum in den Handel gelangt. Zudem dürfte der Großteil des gehandelten Holzes von kulturnahen Formen oder Kulturäpfeln stammen.

Gelegentlich wird Apfelholz in der Drechslerei und Kunsttischlerei oder zur Anfertigung von exklusiven Einzelmöbeln verwendet. Auch die adstingierenden Früchte sind eher eine Kuriosität, denn eine große kulinarische Bereicherung.

Ungleich höher sind dagegen die ökologische Bedeutung des Wildapfels und sein Beitrag zur Artenvielfalt. Die dicht verzweigten Bäume und Sträucher dienen vielen Vogelarten als Niststätte, werden von Fledermäusen als Tagesquartier und von anderen Tierarten als Versteck genutzt. Blätter, Blüten und Früchte dienen zahlreichen Tieren als Nahrung. Wildäpfel bereichern zudem das Landschaftsbild, vor allem im Mai, wenn sie ihre weiß bis zartrosa gefärbte Blütenpracht entfalten.

Gefährdete Art

Der Wildapfel zählt zu den vom Aussterben bedrohten Holzgewächsen Österreichs. Die Erhaltungsstrategie bei dieser Art beinhaltet die Bestimmung, Erfassung und den Schutz von ursprünglichen Wildapfel-Mutterpflanzen, deren vegetative Vermehrung und die Zusammenführung der vereinzelt vorkommenden Exemplare in Samenplantagen, in denen genetisch vielfältiges Saatgut erzeugt werden kann. Aus diesem Saatgut angezogene Sämlinge können anschließend für Auspflanzungen im Wald und in der Kulturlandschaft verwendet werden.

Von Martin Luther ist der Ausspruch überliefert: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen". Hoffen wir, dass sich die Welt noch länger dreht und fangen wir mit dem Anpflanzen des Baumes des Jahres an – wann, wenn nicht jetzt, im Jahr der Biodiversität?

Kontakt

  • Thomas Kirisits, Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz, Department für Wald- und Bodenwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien, Hasenauerstraße 38, 1190 Wien, Österreich;
    Sylvia Steinbauer, Umweltdachverband, Alser Straße 21, 1080 Wien