Die Aufarbeitung von Sturmholz stellt insbesondere bei Flächenwürfen und am Hang eine grosse Herausforderung dar. Die Arbeitsfelder sind unübersichtlich und schlecht begehbar – Bäume sind gespannt, ineinander verkeilt und liegen übereinander.
Aus Sicherheitsgründen sollte die Aufgabe des Abstockens im Verhau maschinell ausgeführt werden. Die Forsttechnik stellt für diese Teilarbeit bislang jedoch keine befriedigende Lösung zur Verfügung. Bei der Aufarbeitung von Sturmholz kann deshalb derzeit auf den Abstocker nicht verzichtet werden. Er trennt die geworfenen Bäume mit der Motorsäge vom Wurzelstock. Die dabei frei werdende Energie gefährdet den Abstocker erheblich. Der Stamm schnellt hoch oder zur Seite und Wurzelteller schlagen um.
Eine vom Forstlichen Bildungszentrum Königbronn vorgestellte Arbeitstechnik kann die Gefährdung des Abstockers erheblich reduzieren. Beim so genannten Zapfenschnitt werden Baum und Wurzel nicht vollständig getrennt. Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Arbeitstechniken verlässt der Motorsägeführer dann den Gefahrenbereich, bevor die gefährlichen Spannungen maschinell gelöst werden. Bezüglich der Arbeitssicherheit wird somit ein bislang unerreichter Standard erzielt.
Ab 30 cm Durchmesser geeignet
Der Einsatzbereich der neuen Schneidetechnik ist das Abstocken von Windwurfholz ab ca. 30 cm Trenndurchmesser, insbesondere im unübersichtlichen Verhau sowie am Hang, wenn Gefahr besteht, dass Stamm oder Wurzelteller abrollen. Vorab wird die Arbeitssituation sorgfältig beurteilt (Abb. 3), ein sicherer Standplatz ausgewählt und allenfalls der Wurzelteller abgesichert.
- Zu Beginn der Schnittführung schmälert der Motorsägeführer den Stamm mit zwei so genannten C-Schnitten, die aus dem Zugholz geführt werden (Abb. 2). Die Stärke des in der Stammmitte verbleibenden Haltezapfens soll ein Drittel des Stammdurchmessers betragen. Bei Verdacht auf Stammfäule wird vorab ein Kontrollschnitt geführt (Sägespäne!).
- Im zweiten Schritt wird der Haltezapfen mit einem 15 bis 20 cm zum Wurzelteller hin versetzten Stechschnitt abgetrennt (Abb. 2, Abb. 4). Der Schnitt wird lediglich so tief geführt, dass alle Fasern des Haltezapfens durchtrennt sind (nicht "durchstechen").
Gefahrenbereich verlassen, Stamm vom Wurzelteller lösen
Nach dem Stechschnitt verkeilt sich der 15 bis 20 cm lange Haltezapfen im Zapfenloch, so dass sich der Stamm nicht vom Wurzelteller lösen kann. Der Motorsägeführer kann nun den Gefahrenbereich verlassen. An der durch den Zapfenschnitt entstandenen Soll-Bruchstelle wird der Stamm anschliessend maschinell vom Wurzelteller gelöst. Hierzu ist erforderlich, dass eine Knickbewegung auf die Soll-Bruchstelle ausgeführt wird. Der einfachste Weg dies zu erreichen ist, den Wurzelteller mittels Seilwinde oder Bagger in seine Ausgangsposition zurückzukippen. Harvester knicken den Zapfen, indem sie den Stamm anheben oder seitlich wegschwenken.
Die erforderliche Knickbewegung kann, sofern es die Situation erfordert, auch durch Anheben oder Abziehen des Baumes im Kronenbereich erzielt werden. Erfahrungsgemäss kann so die erforderliche Knickbewegung auf die Trennstelle jedoch nur erreicht werden, wenn der Baum im Verhau obenauf liegt. Erfolgt die Aufarbeitung des Sturmholzes im rechten Winkel zur Wurfrichtung, wird der Haltezapfen auf 10 cm verkürzt. Dadurch wird das seitliche Abziehen des Stammes erleichtert.
Abb. 4 - Den Haltezapfen mit einem ca. 15-20 cm zum Wurzelteller hin versetzten Stechschnitt durchtrennen. Foto: Forstliches Bildungszentrum Königsbronn
Von Forstwirt entwickelt
Der Zapfenschnitt geht zurück auf eine Idee des Forstwirtes Roman Ujlaky. Infolge von "Lothar" war er lange Zeit in der Sturmholzaufarbeitung als Abstocker tätig. Mit dem Ziel, im unübersichtlichen Verhau nicht auch noch einer Gefährdung durch den Schwenkarm des zum Entzerren eingesetzten Baggers ausgesetzt zu sein, entstand die Idee dieser Schnittführung.
Da auch bei mechanisierten Arbeitsverfahren in absehbarer Zeit auf die Arbeit des Abstockers nicht verzichtet werden kann, stellt die vorgestellte Arbeitstechnik eine ausgezeichnete Problemlösung dar. Erstmals kann der Motorsägeführer somit den Gefahrbereich verlassen, bevor die ihn gefährdende Spannungsenergie freigesetzt wird. Von besonderem Vorteil ist dies, wenn aufgrund schwieriger Geländeverhältnisse ein Absichern von Wurzelteller oder Stamm nicht möglich ist. In jedem Fall ist durch entsprechende Arbeitsorganisation sicherzustellen, dass mit dem Zapfenschnitt vorbereitete Bäume sofort entzerrt werden.
In Zusammenarbeit mit Bagger oder Harvester dürfen im unübersichtlichen Verhau keinesfalls mehrere in Verbindung stehende Bäume bearbeitet werden. Zudem muss die Kommunikation zwischen Abstocker und Maschinenführer durch technische Hilfsmittel unterstützt werden.
In der Schweiz werden "normale" Trennschnitte instruiert
Der Zapfenschnitt ist eine Entwicklung des Forstlichen Bildungszentrums Königbronn in Deutschland. Das sichere Aufrüsten von Sturmholz ist auch in der Schweiz immer wieder ein Thema, vor allem, wenn entsprechende Windwürfe eintreten.
Die SUVA macht in ihrer Broschüre "Sturmholz sicher aufrüsten" auf die Gefahren aufmerksam. Auch dem Abstocken entwurzelter Bäume ist ein Kapitel gewidmet. Auf die Darstellung von Schneidetechniken wird dagegen bewusst verzichtet, weil dies nur im Rahmen einer Ausbildung oder eines Kurses korrekt erlernt werden kann.
Nach dem Sturm "Lothar" hat Waldwirtschaft Schweiz (WVS) entsprechende Sturmholz-Kurse durchgeführt. Wie Hanspeter Egloff, Leiter der Schulung des WVS, erklärt, würden in allen Kursen, in denen auch Sturmholz thematisiert wird, die "üblichen" Trennschnitte für Holz unter Spannung instruiert. Also der Kreisschnitt für Bäume mit leichter Spannung und der Klemmschnitt oder der V-Schnitt für solche mit starker Spannung. Gerade wenn beim Kreisschnitt eine genügend grosse Bruchleiste stehen gelassen werde, könne der Wurzelstock – ähnlich wie beim Zapfenschnitt – maschinell entzerrt werden. Den Zapfenschnitt selber beurteilt er auf den ersten Blick als durchaus taugliche Möglichkeit. Die Ausführung stelle allerdings recht hohe Anforderungen an den Motorsägeführer, da dieser sehr präzise arbeiten müsse.
So oder so gilt, dass ein gekippter Wurzelstock, wenn er auf die Sägeführer-Seite zu fallen droht, mit einer Seilwinde oder dem Seilzug gesichert werden muss. Wer ohne entsprechende Ausbildung Sturmholz aufrüstet, gefährdet sich und seine Umgebung grobfahrlässig.
(TR)