Waldpädagogen sollten nicht in erster Linie Wissen vermitteln, sondern vor allem an das Verantwortungsbewusstsein des Menschen appellieren. Der Wald und seine Bewirtschaftung sind dabei ein hervorragendes Lernmodell: Hier kann man Nachhaltigkeit umfassend verstehen lernen. Ein Modell, das eine Vielzahl von Werten, Dienstleistungen, Vorzügen und Angeboten für den Menschen bereithält. Waldpädagogik ist daher in der Lage, pädagogischen Elan für eine große Palette von Handlungs- und Gestaltungkompetenzen zu geben.
Dies versucht das Europanetzwerk-Waldpädagogik in jährlichen Fachkongressen zu vermitteln und auf dem Infoportal www.forestpedagogics.eu abzubilden. Aktuell erarbeitet das Netzwerk einen europaweiten Aktionsplan zur Waldpädagogik, der den Stellenwert der forstlichen Umweltbildung stärken soll. Wichtiges Ziel des Aktionsplanes ist die Qualitätssicherung und -entwicklung der Angebote von Waldpädagogen. Dabei orientiert sich die Subgroup-Forestpedagogy am Stufenmodell "sechs pädagogische Schritte zur gereiften Umweltbildungs-Kompetenz" (Abb. 2), das vom norwegischen Forstlichen Ausbildungs- und Beratungsinstitut (Forestry Extension Institute) konzipiert wurde.
Viele der klassischen waldpädagogischen Angebote erfüllen bereits die ersten vier Stufen (Freude am Naturerleben, Naturerfahrung und Naturentdeckung, Zusammenhänge in der Natur verstehen, Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur verstehen). Waldpädagogen sind jedoch besonders herausgefordert auch Entscheidungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten anzubieten (Schritt 5) und sie können dazu anregen konkrete Verantwortung zu übernehmen bzw. im Verantwortungsbewusstsein zu wachsen (Schritt 6). Wenn das gelingt, leistet Waldpädagogik auch wertvolle Beiträge zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE).
Durch passende Angebote lernen Teilnehmer an waldpädagogischen Veranstaltungen auch Respekt vor der Natur und voreinander, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein, Solidarität und das Denken in vernetzten sowie globalen Zusammenhängen. Der Wald ist dabei außerdem offener Lernraum um vielfältige Kompetenzen selbstentdeckend, kreativ und phantasieanregend zu erwerben.
Darüber hinaus kann Waldpädagogik den Menschen auch dazu anregen, über die Ergebnisse seines Handelns zu reflektieren, über den eigenen Lebensstil nachzudenken, Verhalten zu hinterfragen und somit mögliche Verhaltensänderungen in der eigenen Alltagswelt anregen.
Die auf der Homepage des Netzwerkes dokumentierten Beiträge der Fachkongresse belegen, dass die Waldpädagogik in Europa Erfolgsgeschichten erzählen kann. Netzwerkarbeit und Erfahrungsaustausch sind hoch entwickelt. In der Arbeitsgruppe Waldpädagogik des FCN wirken bereits 14 Staaten aktiv mit. Gleichzeitig wurden Projekte und Programmangebote für neue Zielgruppen entwickelt und die Anzahl der forstlichen und außerforstlichen Kooperationspartner gesteigert. Außerdem haben sich durch Qualitätsstandards, Ausbildungskonzepte und Zertifikate sowohl Anbieter und als auch Angebote qualitativ sukzessive verbessert.
Die Waldpädagogik ist jedoch nach wie vor herausgefordert, auch die höheren Stufen von Bildung für Nachhaltige Entwicklung zu erklimmen. Waldpädagogen müssen den Dialog mit allen waldrelevanten gesellschaftlichen Interessengruppen und insbesondere auch mit den Akteuren des Bildungssektors intensivieren. Dafür sollten Waldpädagogen verstärkt die wirklich dringenden gesellschaftlichen Themen erkennen und ansprechen. Die Menschen setzen sich aktuell vermehrt mit Themen wie erneuerbare Energien, Umwelt und Klimawandel, Gesundheit oder nachhaltige Bildung auseinander. Dementsprechend müssen Waldpädagogen passende Angebote entwickeln, um in einen Dialog zu diesen Themen mit einzutreten. Wenn die Vielfalt waldpädagogischer Akteure es schafft, das umzusetzen, kann Waldpädagogik auch in ihrem politischen und gesellschaftlichen Stellenwert wachsen.
Abb. 2: Die sechs Stufen beschreiben die Entwicklung zu einer gereiften Kompetenz in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Übersetzt nach: Bjørn Helge Bjørnstad, Forestry Extension Institute, Norway; "Pedagogic steps in environmental maturity", 2013).